Die Kritiker

«The Interestings»: Große Träume, böse zerschellt

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Ein weiteres Mal liebäugelt Amazon mit der Serienadaption eines beliebten Romans. Doch «The Interestings» packt sein Thema zu steif und bemüht an, als dass der Gedanke einer ganzen Serie verführerisch sein könnte.

Cast und Crew

  • Regie: Mike Newell
  • Drehbuch: Lynnie Greene, Richard Levine; basierend auf dem Roman von Meg Wolitzer
  • Darsteller: Lauren Ambrose, Katie Balen, Matt Barr, Jessica Collins, Corey Cott, Gabriel Ebert, Jance Enslin, Sasha Frolova, David Krumholtz und viele mehr
  • Musik: Mark Mothersbaugh
  • Kamera: Terry Stacey
  • Schnitt: Kelley Dixon
  • Produktionsfirmen: TriStar Television, Amazon Studios, Sony Pictures Television
Mit «The Interestings» stellt Amazon erneut einen Serienpiloten vor, der auf einem Roman basiert. Während etwa das ebenfalls in der aktuellen Pilot-Season vorgestellte Format «The Last Tycoon» auf einem Klassiker basiert, ist die Inspiration zu dieser Dramaserie derweil gerade einmal drei Jahre alt. Meg Wolitzers Erzählung über eine Gruppe (einstmals) befreundeter Künstler und Kunstbegeisterter passt dennoch sehr gut in das Amazon-Beuteschema: Mittelschwere Dramatik, gepaart mit einer Prise Humor – mit diesem Tonfall fuhr der VoD-Anbieter im Bereich seiner Eigenproduktionen bislang sehr gut. Doch damit eine Serie funktioniert, muss sie nicht nur in der Theorie ansprechend sein, sondern auch in der praktischen Umsetzung. Dahingehend stellt «The Interestings» jedoch eine klare Enttäuschung dar …

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Jules (im Erwachsenenalter gespielt von «Six Feet Under»-Mimin Lauren Ambrose). 1995 ist sie eine Psychiaterin, die unentwegt vergrämt an ihre Jugendtage zurückdenkt, als sie noch eine vor Idealismus und Zukunftsträumen platzende, angehende Schauspielerin war. 1974 ging sie daher in ein Sommercamp für Künstler, wo sie einige Freundschaften knüpfte und die unzertrennliche Truppe „The Interestings“ mitgründete. Die Mitglieder der Clique spornten sich gegenseitig an, ihre Wünsche zu verfolgen, an ihrem Talent zu feilen … Und natürlich wurde auch dem pubertären Drang nach Trubel, Chaos und sexuellen Erfahrungen nachgegeben.

Auf den hohen Mut der Jugendzeit folgte ein mal mehr, mal minder brutaler Fall. Jules will gar nichts mehr von ihren Ambitionen wissen und hält es mit ihrem ehemaligen „Freund mit Vorzügen“ Dennis (Gabriel Ebert), den sie letztlich geheiratet hat, nicht mehr aus. Dieser versinkt wiederum in Selbsthass und kämpft mehr schlecht als recht gegen eine Depression an sowie dagegen, dass er mehr Ahnung von Sport als von Literatur hat – was ihn in Jules‘ Augen als Dummkopf outet. Ethan («Numb3rs»-Frontmann David Krumholtz) hingegen verfolgte seine Träume aus jenem unbeschwerten Sommer und arbeitet nun hauptberuflich als Cartoonist, ist sich aber unschlüssig, ob er auf den immensen Erfolg seiner als Underground-Werk begonnenen Schöpfung stolz sein soll, oder ob er es als Verrat an seine Ideale betrachten muss. Ethan hat Ash («Mad Men»-Darstellerin Jessica Paré) geheiratet, die zu einer Theaterregisseurin herangewachsen ist und ihre im Camp aufgebaute Freundschaft zu Jules noch immer aufrecht hält – und deren Bruder Goodman (Matt Barr) auf der Flucht ist …

Zusätzlich zu den Haupt-Zeitebenen 1974 und 1995 reißt «The Interestings» noch eine weitere an, und zwar das Jahr 1985, in dem die Freunde noch zusammenhalten und hart an der Erfüllung ihrer Ziele werkeln, zugleich aber auch erste Risse in der frohgemuten Fassade auftauchen. Dank gelungenen Castings (die Kinder-Versionen der Hauptfiguren sehen ihren erwachsenen Gegenparts sehr ähnlich), guter Leistungen der Make-Up-, Kostüm- und Friseur-Abteilung (die Figuren glaubwürdig altern und in neue Modeepochen wechseln lassen) sowie einer den Zeitgeist aller drei Handlungsabschnitte einfangenden Produktionsdesigns wird «The Interestings» den drei Zeitebenen zum Trotz nie kompliziert: Bei jeder neuen Szene genügt ein kurzer Augenblick, um sie zeitlich einordnen zu können.

Die Pilotfolge gerät eher aufgrund der Fülle an Figuren ins Stolpern: Keine der oben erwähnten Rollen wird so skizziert, dass sie in den Jugendjahren über das Klischee des überheblichen Teenies hinauswächst, die Erwachsenenversionen sind derweil entweder dick aufgetragen dramatisch oder blass – und mit dem früheren Frauenschwarm, nun als homosexuell geouteten Jonah (Jance Enslin) und der zur Wirtschaftsmagnatin aufgestiegenen Cathy (Sasha Frolova) gibt es zwei weitere Figuren, die am Rand der Erzählung noch irgendwie mitmischen …

Obwohl der Cast engagiert scheint, genügen diese soliden Performances nicht, um über das hölzerne Dialogbuch und die steife Dramaturgie der Pilotfolge hinwegzutäuschen. Dass in der zweiten Hälfte der Episode zwei kleinere Geheimnisse in den Fokus rücken, wird von den Autoren sehr unbeholfen als Versuch etabliert, die Spannung zu steigern: Die Figuren sprechen ohne für sie ersichtlichen Grund um den heißen Brei herum, so dass das Publikum die Folge mit offenen Fragen beendet.

Fazit: Als Pilotfolge, anhand derer über die Möglichkeit weiterer Folgen abgestimmt wird, scheitert «The Interestings». Als rund 60-minütiger Werbeclip für den Roman funktioniert diese Amazon-Eigenproduktion dagegen: Die Konflikte und Figurenkonstellationen wirken nämlich interessant – nur halt in der Serienversion unausgearbeitet.

«The Interestings» ist ab sofort bei Amazon abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/86435
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