Die Kritiker

Opa ist nicht systemrelevant

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Die Kritiker: «Der Bankraub» im ZDF spitzt das Verhältnis von betrügerischen Bankern und geprellten Arbeitern mit leerem Sparstrumpf zu. Wie gut ist das schwierige Thema umgesetzt?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Franz Dinda («Blackout – Die Erinnerung ist tödlich») als Martin Kreye, Joachim Król («Tatort: Frankfurt») als Werner Kreye, Justus von Dohnányi («Buddenbrooks») als Helmut Draeger, Ulrike Kriener («Kommissarin Lucas») als Helga Kreye, Bernadette Heerwagen («Gruber geht») als Nina Phillips, Anna Drijver als Hillary Bleacher, Hanns Zischler («München») als Harald Kühnen, Herbert Knaup («Mogadischu») als Walter von Castell, Godehard Giese («Das Hotelzimmer») als Harald Mertens, außerdem Peter Hahne in einer Gastrolle


Hinter den Kulissen:
Regie: Urs Egger, Buch: Martin Rauhaus, Musik: Ina Seifert und Nellis DuBiel, Kamera: Wojciech Szepel, Schnitt: Oliver Neumann, Produzenten: Elnas Isrusch und Doris Zander, Produktion: Bavaria Fernsehproduktion

Gerade ist die Commerzbank wieder im Fokus des Fiskus: Durch mindestens fragwürdige Aktiendeals hat die Bank nach übereinstimmenden Medienberichten dafür gesorgt, dass Millionen an Kapitalertragssteuer nicht gezahlt wurden – und dem Steuerzahler somit durch die Lappen gegangen sind. Die Empörung ist damit ebenso logisch wie gerechtfertigt, immerhin wurde das Bankhaus noch vor Jahren mit Steuergeldern in Milliardenhöhe gerettet und ist nach wie vor teilweise im Besitz des Bundes. Aus moralischer Sicht gäbe es also sicher Dinge, die näher lägen, als die Unterstützung von Steuervermeidung. Doch wenn es nach der ZDF-Produktion «Der Bankraub» geht, dann ist es mit Moral bei den großen Banken ohnehin nicht so weit her; ein Großteil der Bevölkerung dürfte zustimmen. In Person geht es zwar um Martin Kreye, der das US-Geschäft seiner fiktiven Neuen Westdeutschen Bank leitet. Doch die gezeigten Geschäftsvorgänge könnte man in der betreffenden Zeit wohl gleich einer Vielzahl von Finanzhäusern vorhalten – insofern tut der Film vielleicht sogar gut daran, keine echten Namen zu nennen. Andererseits baut sich so ein Generalverdacht auf, der womöglich nicht immer zu halten ist.

Sei’s drum: Es sind ohnehin nicht nur die perversen und unmenschlichen Geschäfte, die der Film thematisiert. Es ist auch der Einzelfall, der angesprochen wird. Der Vater von Martin Kreye nämlich ist direkt betroffen. Jahrzehntelang hat sich der Sozialdemokrat und Gewerkschafter den Hintern abgerackert, um seine Familie durchzubringen und im Alter genug übrig zu haben. Und nun muss er erkennen: Es wird hinten und vorne nicht reichen. Also soll das Geld arbeiten, damit die nötigen paar Euro für den Lebensabend zusammen kommen – nicht dass der stinkreiche Sohn eventuell noch zur Unterstützung ran muss. Wer aber sein Geld wirklich vermehren will, der muss ein gewisses Risiko eingehen. Das sollte allgemein bekannt sein. Doch zugegeben: Dass eine Investmentbank vom Ausmaß der Lehman Brothers mal eben so Pleite geht, damit hätten vor September 2008 nicht einmal Experten gerechnet. Damit, dass die US-Immobilienblase irgendwann platzt aber schon. Wer aber nun Schuld hat, wenn Opa das Ersparte wegbricht? Trotz allem wäre es vermutlich zu einfach diese Frage einfach mit „die Banker“ zu beantworten und einen Punkt ans Ende der Debatte zu setzen.

Ein Crash: Wohin Verzweiflung führen kann


Jedenfalls gibt es für Martin Kreyes Vater Werner keine finanzielle Unterstützung, obwohl sein gesamtes Vorsorgekonzept davonschwimmt. Die Verzweiflung ist ihm nicht nur (toll gespielt von Joachim Król) im Gesicht anzusehen, sie spiegelt sich auch relativ naheliegend in seinen nicht ganz so naheliegenden Handlungen wider. Ungebremst und mit verblendeter Absicht fährt Werner den Chef seines Sohnes einmal komplett über den Haufen. Nicht nur weil diese Eskalation bereits zu Anfang des Films zu sehen ist, sondern auch allgemein sind die Entwicklungen der Produktion absehbar. Der Fokus aber liegt ohnehin auf dem emotionalen Moment, insbesondere im Verhältnis Vater und Sohn. Nur ein Vehikel ist dabei, dass Manager Martin seine Frau verlässt. Er tut das weil deren Leben nicht mehr zusammenpasst, weil sie „nur die kleine Bankangestellte ist“ – und sich auch so verhält. Und Martins Vater ist enttäuscht, hält nicht zu ihm, sondern zu seiner angehenden Ex-Frau.

Natürlich spielt ein Film im Bankmilieu dann auch in New York, wo Martin ganz fancy das Leben eines Elite-Bankers führen soll. Die Mittelklasse-Bude und das nicht ganz so hochglänzende Stadtbild trüben den Eindruck da aber eher. Wollte man freundlich sein könnte man auch sagen, dass das nur eine Metapher für das hintergründig triste Leben des Protagonisten sein soll. Dass es tatsächlich so gemeint ist: Eher unwahrscheinlich.

Die Milchtüte ist umgekippt


Steckbrief

Frederic Servatius schreibt seit 2013 für Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für Rezensionen und Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als @FredericSrvts zu finden.
Wie so häufig setzt der öffentlich-rechtliche Sender auf eine Begleitdokumentation im Anschluss an die eigentliche Ausstrahlung – gerade bei der doch sehr frei inspirierten Story ist das umso wichtiger und sorgt für richtige Einordnung. Immerhin aber Seitenhiebe auf die Realität hält auch der fiktionale Stoff bereit. So heißt es bezüglich des unwahrscheinlichen Kollapses der Detroit Motor Company: „Das wäre ja so, wie wenn bei uns die Commerzbank zusammenbricht.“ So tragisch bleibt der Humor auch im sonstigen, was für die gegebene Grundstimmung nicht unlogisch ist. So sitzt in den komischsten Momenten Pleite-Vater Werner mit seiner Frau auf dem Boden des Supermarktes und erläutert seiner Angebeteten mit Milchtüten und Joghurtbechern, was warum finanziell schief gelaufen ist.

Die Geschichte allerdings entwickelt sich gerade zum Finale hin recht uninspiriert. Während der Tod der Mutter für Martin auch egal ist, debattiert die Politik über Systemrelevanz. Doch die Protagonisten können von ihren oft hohlen Phrasen ganz gut leben, weil sie im Kontrast zueinander eine gewisse Wirkung erzielen – und weil nicht nur Joachim Król seine Sache gut macht, sondern auch Franz Dinda weiß, wie er das Arschloch zu spielen hat. Das gen Ende zu erwartende Pathos allerdings sieht eher so aus, als sei er ein Internatsschüler der gerade beim nächtlichen Ausbüchsen erwischt wurde.

Es ist fast eine romantisch-grausame Geschichte vom Vater der leidet und dem Sohn der Schuld hat. Nicht im Kleinen, aufgrund einer Einzelaktion, sondern weil er im Großen für das systemische Versagen verantwortlich ist. Auf dieser Mechanik und der guten Besetzung ruht sich die Produktion aber ein Stück weit aus und entwickelt die Geschichte nicht besonders überraschend, lässt vor allem die sonstigen Charaktere nur als notwendige Statisten agieren, ohne ihnen wirklich Tiefe zu verleihen. Die Grundsituation wird interessant aufgearbeitet, macht es sich in seinem Urteil zwischen Gut (fleißiger Arbeiter) und Böse (böser Banker) jedoch vielleicht ein wenig zu einfach – das verrät allein schon der Titel. Wer also eine faktennahe und relevante Annäherung an die Finanzkrise sucht, der wird mit «Der Bankraub» gewiss nicht warm. Eine spannende und emotionale Auseinandersetzung gibt es aber schon zu sehen. Geraubt jedenfalls sind einem die 90 Minuten nicht.

«Der Bankraub» läuft am Montag, 9. Mai um 20.15 Uhr im ZDF.

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