Die Kritiker

«Weinberg»

von

Die neue serielle Eigenproduktion von TNT Serie ist ein Genre-Stoff par excellence. Sie wirkt entrückt, düster und seltsam. Unser Kritiker-Urteil ist eindeutig: Bitte mehr davon!

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Friedrich Mücke als namenloser Mann
Gudrun Landgrebe als Dr. Wieland
Antje Traue als Hanna Zepter
Arved Birnbaum als Zepter
Sinha Melina Gierke als Sophia Finck
Marcel Glauche als Till Franzen
Emilia-Rosa von Heiseler als Lisa

Hinter der Kamera:
Produktion: Bantra Bay und Twenty Four 9 Films
Drehbuch: Arne Nolting und Jan Martin Scharf
Regie: Till Franzen und Jan Martin Scharf
Kamera: Timo Mortitz
Produzenten: Jan Kromschröder und Philipp Steffens
Es wird immer besser mit der deutschen Serie, heißt es. Und das stimmt auch. Wir haben jetzt «Weissensee» und «Deutschland 83» und so liebevolle Kleinkunst wie «Eichwald MdB».

Mit «Weinberg» von TNT Serie haben wir nun die erste hochwertige Genre-Serie aus deutscher Feder. Das ist ein großer Sprung. Denn auch wenn sich inhaltliche Volltreffer wie «Weissensee» und «Verbrechen» offensichtlich von der Masse serieller deutscher Eigenproduktionen abheben konnten, waren ihre Settings und Genres per se weder sonderlich neu noch für den deutschen Markt sonderlich abwegig. Historische Stoffe und Krimis werden hierzulande bekanntermaßen mit großer Freude konsumiert.

«Weinberg» ist dagegen ein auf sechs Folgen angelegter, düster erzählter Mystery-Thriller, zu dem ein Zugang schwerer möglich sein (oder zumindest länger brauchen) dürfte, als zu einem «Verbrechen» oder «Weissensee».

Es beginnt schon damit, dass «Weinberg» – zumindest für deutsche Serien-Verhältnisse – arm an äußerer Handlung ist, die sich zudem nur schwer akkurat skizzieren lässt: Ein Mann wacht in einem düsteren Weinberg auf, über ihm eine tote junge Frau. Er kann sich an nichts erinnern: Weder an seinen Namen, noch an die groben Linien seiner Biographie, noch daran, wie er in diese Gegend gekommen ist, wo alles fremd auf ihn wirkt. Er flieht in das nahegelegene Dorf Kaltenzeller, dessen Bewohner eine Ansammlung schräger Gestalten zu sein scheinen. Als der namenlose Unbekannte die Polizei rufen will, interveniert der rabiate Wirt der Dorfschenke: „Wie regeln die Dinge hier lieber selber.“

Doch dort, wo der Unbekannte den Suchtrupp hinschickt, ist weit und breit keine Leiche. Und die Sache wird noch mysteriöser: Die Frau, die der Unbekannte tot im Weinberg zu sehen geglaubt hat, ist quicklebendig und die Weinkönigin des Dorfes, die das alljährliche Fest am Abend einläuten soll.

In diesem sonderbaren Kaltenzeller passiert noch wesentlich mehr Seltsames, Absurdes und Beängstigendes. Es wäre aber unnütz, das alles an dieser Stelle zu schildern. Darauf kommt es bei «Weinberg» nicht so sehr an. Denn diese Serie besticht vor allem durch ihr kompromissloses Wie. So düster, schaurig, abgedreht – und dabei in sich stimmig (!) – ist lange nicht mehr im deutschen Fernsehen erzählt worden. Vielleicht auch noch nie. Das eröffnet gewisse Spielräume in der Narrative: Die Geschichte und die Handlungsweisen der schrägen, seltsam furchteinflößenden Figuren müssen nicht immer einen allgemeingültigen Sinn haben. Es reicht, wenn das Geschehen einer nachvollziehbaren inneren Logik folgt.

Der Duktus, das Setting, die sonderbaren Figuren, der düstere Habitus, das Entrückte, schwer Greif- und Erklärbare: all das ruft freilich Assoziationen mit David Lynchs «Twin Peaks» hervor. Natürlich wäre eine solche Gegenüberstellung vermessen. Doch gewisse Parallelen sind unübersehbar. Man mag zu dem Schluss kommen, dass «Weinberg» hier leichtfertig einen Vergleich eingeht, den es nur verlieren kann. Doch ebenso (und wahrscheinlich noch viel sinniger) kann man die Ansicht vertreten, dass «Weinberg» schon dadurch gewinnt, dass man die Serie auch dann genießen kann, wenn man ständig an «Twin Peaks» erinnert wird und hin und wieder die Unperfektheiten und Diskrepanzen zu jener amerikanischen Serie der frühen 90er Jahre sieht.

«Weinberg» ist nicht das deutsche «Twin Peaks», aber trotzdem eine ganz hervorragende Serie und eine Bereicherung für die deutsche Fernsehfiction. Einen enorm spannenden Mystery-Stoff, der so packend erzählt wie sonst nur ausländische Formate, und weder in seiner Narrative noch in seiner Ästhetik den leichter kommerzialisierbaren und kompromissfreudigeren, sondern den künstlerischeren und stimmigeren Weg geht, hat man von deutschen Eigenproduktionen gar nicht mehr erwartet. Wie schön, dass es einmal mehr das Pay-TV ist, das mutig voran geht und uns Kritikern und Zuschauern den Gegenbeweis antritt.

TNT Serie zeigt sechs Folgen von «Weinberg» dienstags ab dem 6. Oktober um 21.10 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/81159
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