Die Kritiker

Von eindimensionalen Ermittlern und doppelten Besetzungen

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Die Kritiker:Im ansprechenden vorletzten Fall von Keppler und Saalfeld zeigt das Duo, warum es so lange funktionierte, aber auch warum es bald in Rente gehen sollte.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Martin Wuttke, Simone Thomalla, Uwe Bohm, Bernhard Schütz, Natalia Rudziewicz, Tino Hillebrand, Lisa Hagmeister, Alexander Khuon u.w.
Hinter der Kamera:
Drehbuch: Stefan Kornatz & Axel Petermann
Kamera: Andreas Doub
Musik: Stefan Will & Marco Dreckkötter
Szenenbild: Károly Pákozdy
Produktionsfirma: Saxonia Media
Abfallunternehmer Harald Kosen (Bernhard Schütz) fiel einem grausamen Mord zum Opfer. Zwar herrscht danach in seinem hauseigenen Safe gähnende Leere, aufgrund der Brutalität der Tat vermuten die Leipziger Kommissare Keppler (Martin Wuttke) und Saalfeld (Simone Thomalla) jedoch auch private Motive hinter der Tat. Der Mörder muss Kosen gekannt haben. Darauf muss die fast schon konditionierte Reaktion eines jeden guten «Tatort»-Kommissars kommen: Hatte das Opfer Feinde? Oh ja! Den mittlerweile wieder freien Sohn Patrick (Tino Hillebrand) brachte Harald Kosens vor Jahren mit einer Anzeige selbst ins Gefängnis, unmittelbar davor setzt der Fall mit einer Rückblende ein. Für Raub mit schwerer Körperverletzung musste Patrick eine Jugendstrafe absitzen, die Familie wandte sich daraufhin von ihm ab.

Ohnehin liegt vieles in der Familie Kosens im Argen, besonders Choleriker Harald hatte ein gestörtes Verhältnis zu seiner Frau (Lina Wendel) und den Kindern, doch nicht nur zur Blutsverwandschaft. Auch mit Schwiegersohn Frank Bachmann (Alexander Khuon), der unter seiner Tyrannei litt, stand er im Clinch. Bachmann war Kosens Stellvertreter beim Abfallunternehmen und übernimmt nach dessen Tod die Leitung. Unmittelbar vor Kosens Tod erpresste Bachmann seinen Chef, der ihm mit einer Kündigung drohte. Ein starkes Rachemotiv hat jedoch auch Christian Scheidt (Uwe Bohm). Der ehemalige Firmenpartner Kosens verlor seine Tochter, nachdem Harald Kosen diese tot fuhr. Reichlich Motive und wenig Alibis – stecken am Ende sogar mehrere Leute unter einer Decke? Der Fall fordert weitere Todesopfer und eine Familientragödie um Tochter Sofie (Natalie Rudziewicz) kommt ans Licht.

Durchaus unkonventionell beginnt der bereits 20. und vorletzte Fall des Leipziger Ermittlerduos Keppler und Saalfeld. Das fetzige „The Real Me“ von The Who unterlegt die Anfangssequenz, in der Patrick Kosen auf Straßenbahnschienen der Kamera entgegenschreitet. Durchaus kontrastreich zum Bild, denn in Patricks Hals steckt ein spitzer Gegenstand, der junge Mann wirkt sichtlich mitgenommen und erfährt auch im Kreise seiner Familie keine Unterstützung, die ihn nach einem Raub der Polizei ausliefert. Dass die seltsame Musikwahl eine Doppelbödigkeit besitzt, wird schnell klar. Nicht gerade subtil liefert der Rock-Song eine Charakterexposition, die man sich aufgrund der entlarvenden Natur und der sonst wenig aussagekräftigen Entwicklungen besser gespart hätte.

Was folgt, ist jedoch einer der besseren Fälle der Leipziger, die mit Martin Wuttke als Andreas Keppler und Simone Thomalla als Eva Saalfeld nun schon seit 2008 ermitteln. Früh versucht Drehbuchautor und Regisseur Stefan Kornatz, der bereits die Erfahrung zweier «Tatort»-Fälle vorzuweisen hat, den Verdacht der Zuschauer in verschiedene Richtungen zu lenken. Leider ist dies anfangs nur Mittel zum Zweck: Der anfängliche Streit zwischen Mordopfer Harald Kosen und Mitarbeiter Frank Bachmann wirkt affektiert und inhaltlich arm, richtet dafür jedoch den Fokus der Zuschauer auf den Schwiegersohn des Toten, bevor Harald Kosen kurze Zeit später übel zugerichtet in seinem Schlafzimmer gefunden wird. Ohnehin hat der «Tatort: Blutschuld» seine starken Momente in ruhigen Szenen.

Anders als etliche andere deutsche Genrevertreter, besticht Kornatz‘ Episode durch eine ansprechende Authentizität, die anfangs vor allem in den Schlussfolgerungen der Kommissare und Teambesprechungen des Polizeiteams einen glaubhaften Realismus entfaltet, ohne zu schnell zu voreiligen Schlüssen zu springen. Gedankt werden darf an dieser Stelle Axel Petermann. Der Kriminalist und Profiler, der sich auch als Autor verdingt, wirkte am Buch des «Tatort: Blutschuld» mit und konnte im Rahmen der Krimi-Reihe bereits einige Male sein Fachwissen einsetzen. Leider bleibt das Skript dieser Linie nicht treu, etwa wenn Dialoge vorgetragen werden, die augenscheinlich nur dazu dienen, auch dem letzten Zuschauer die Erkenntnisse näher zu bringen oder wenn auf Anhieb Verdächtige außer Acht gelassen werden, obwohl deren Kratzspuren am Opfer gefunden wurden – ein Störfaktor, gleichwohl dieser nur selten im Fall zum Tragen kommt.

Die Ruhe und gleichzeitige Radikalität, die die neueste Episode der Kult-Krimireihe auszeichnet, steht dem vorletzten Fall des aktuellen Leipziger Teams jedoch gut zu Gesicht. Die Regiearbeit ist sehenswert, der Score mit tiefen Cello-Klängen unheilvoll. Gerade die Musik ist es, die dem Fall trotz weniger Action die nötige Spannung verleiht und den Zuschauer zum Dranbleiben bewegt. Auch diese Stärke streckt sich jedoch nicht über den gesamten Fall. Zwar freut sich der Zuschauer, wenn der Fall nach einer Stunde sichtlich an Fahrt gewinnt, den Täter werden die Zuschauer jedoch zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Minuten erahnt haben, was das Buch sicherlich nicht beabsichtigte. Der entscheidende Hinweis wirkt daher nicht nur wegen der szenischen Darstellung unspektakulär und führt die Ermittler zu einer Auflösung, die nicht ohne Übertreibungen auskommt und etwas unglaubwürdige Motive zu Tage fördert.

Uwe Bohm darf in der Rolle des Hauptverdächtigen Christian Scheidt überzeugen, der seine Tochter an den rasanten Fahrstil des Mordopfers verlor. Moment mal… Uwe Bohm? Richtig, der Mime spielte bereits im vergangenen Fall einen reservierten und kalten Charakter, der schnell ins Visier der Fahnder gerät. Doch nicht etwa in Leipzig, sondern ein paar Tage zuvor in Konstanz. Erneut sorgt Bohm für schauspielerische Glanzpunkte im Fall, einige «Tatort»-Fans werden sich jedoch an der engen Taktung seiner «Tatort»-Engagements gestört fühlen. Abgesehen davon hat das Casting alles richtig gemacht, besonders Natalie Rudziewicz gewinnt ihrer Figur einiges ab und bildet die psychologischen Probleme der Tochter des Toten toll ab.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blicken alteingesessene «Tatort»-Zuschauer jedoch auf das Ermittlerteam. Zum einen erkennt man, warum Saalfeld und Keppler sich so lange hielten. Die beiden harmonieren in ihren Rollen. Martin Wuttke als präziser, stiller, aber ausdrucksvoller Ermittler und Simone Thomalla als sein tougher Gegenpart. Charakterentwicklungen vermisst man bei diesem Duo jedoch schon länger, sodass sich in der neuen Episode bei den Hauptkommissaren wieder die üblichen Verhaltensweisen zeigen: Saalfeld leidet unter Betroffenheit, während der stoische Keppler die blutigen Ereignisse lieber herunterschluckt ohne darüber zu reden. Ob das an Ideenlosigkeit liegt oder daran, dass es einen Fall vor dem Ende des Teams nun auch egal ist, wissen nur die Autoren. Ein letzter Fall folgt, in dem den Figuren eine finale Chance bleibt, all ihre Facetten zu zeigen. Diese Chance versäumte der «Tatort: Blutschuld», der jedoch aufgrund seiner restlichen Inszenierung durchaus sehenswert daherkommt.

Das Erste strahlt den «Tatort: Blutschuld» am Sonntag, dem 15.2., um 20.15 Uhr aus.

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