Die Kritiker

Ein kleiner Rumms im Vierwaldstättersee...

von

Zu didaktisch, zu plump, zu aufgesetzt wirkt das kleine Erdbeben-Krimi-Drama «Stärke 6», das das Erste am Mittwochabend zeigt. Unsere Rezension...

Cast und Crew

Vor der Kamera:
Claudia Michelsen als Mara Graf
Pasquale Aleardi als Sebastian Scherrer
Andreas Matti als Oberst Frick
Jessy Moravec als Julia Wyss
Irene Fritschi als Erika Wyss
Lorenz Nufer als Gian Wyss
Pierre Siegenthaler als Detektiv Albrecht

Hinter der Kamera:
Produktion: T&C Film AG, cut.it Film- und Produktions GmbH
Drehbuch: Claudia Kaufmann
Regie: Sabine Boss
Kamera: Roland Schmid
Produzent: Marcel Hoehn
Der Zuschauer weiß von Anfang an, dass es ein Unfall war, an dessen Folgen der Erdbebenforscher Gian Wyss verstorben ist. Denn das tragische Ereignis wird in «Stärke 6» aus der Perspektive seiner Lebensgefährtin, der Geologin Mara Graf, erzählt. Die beiden waren vom Eidgenössischen Erdbebendienst der Technischen Hochschule nach einem Bergsturz an den Vierwaldstättersee beordert worden, um dort seismologische Untersuchungen vorzunehmen.

Während Mara auf dem motorisierten Schlauchboot noch damit beschäftigt ist, ihre Ausrüstung zu reparieren, will Gian schon einmal abtauchen. Sie bittet ihn, noch zu warten, und es kommt zu einer verspielten Kabbelei, die aus größerer Entfernung – aus der sie der zufällig mit seinen Genietruppen vorbeifahrende Hauptmann Sebastian Scherrer mitbekommt – wie ein Kampf aussieht. Gian hechtet über Bord, und noch bevor Mara ihm folgen kann, erschüttert eine gewaltige Druckwelle das ganze Boot. In Panik taucht sie ab – und kann ihren Partner nur noch tot bergen.

Die Einsatzkräfte vor Ort, insbesondere der altmodisch-misogyne Detektiv Albrecht, wollen ihre Geschichte nicht glauben. Schließlich will Hauptmann Scherrer kurz vor dem Unglück einen Streit zwischen dem Opfer und der Tatverdächtigen beobachtet haben. Die meisten Mord- und Totschlagsfälle seien ohnehin Beziehungstaten. Und ein Profitaucher wie Gian wäre nie so leichtsinnig gewesen, sich allein mehrere Dutzend Meter in die Tiefe zu begeben.

Während die Behörden Mara immer weiter auf die Pelle rücken, beginnt sie, auf eigene Tour zu recherchieren. Dabei stößt sie auf einen riesigen Skandal: Vor Jahrzehnten sind Unmengen Munition in den Vierwaldstättersee gekippt worden. Die Explosion einer Handgranate würde die Druckwelle erklären, die Maras Boot durchgewirbelt hat, als Gian unter Wasser zu Tode gekommen ist. Die Gefahr für die Region, wenn einige der Sprengkörper hochginge, wäre kaum auszudenken – ein Tsunami würde zahlreiche Ortschaften zerstören. Doch zu spät entdeckt Mara die Seilschaften, die Scherrers Dienstvorgesetzten Oberst Frick mit der Nachfolgefirma des Konzerns verbinden, der damals die Munition im See versenkt hat.

Es ist ein bisschen viel, was «Stärke 6» einem zumutet: Viel gekünstelter Krimi, um die Dramaturgie so weit zu vereinfachen wie möglich, viel aufgesetzter Realitätsbezug im Abspann, der gestelzt darauf hinweist, wie viel potentiell gefährliche Munition sich tatsächlich in Schweizer Seen finden lässt, wenn man denn nur mal die Unsummen aufbringen würde, das Zeug zu entschärfen und zu bergen.

Der Film wirkt zu didaktisch, zu plump, während ein natürlicher Erzählfluss nicht aufkommen will: All die Fallstricke, die Mara ins Visier der Schweizer Polizei bringen, wirken zu ausgedacht; das dahinter stehende Potential einer Reflexion der Tücken des Strafverfolgungssystems bleibt gänzlich ungenutzt. Stattdessen wird ein kruder Verschwörungsplot eingeleitet, dem nur wenig Hintergründigkeit zugestanden wird. Dafür umso mehr Plattitüden à la „Auf welcher Seite stehen Sie überhaupt“. Vieles hätte sich eleganter lösen lassen.

Doch schon die Figurenkonstellation zeigt, dass man dramaturgisch eher auf Grobschlächtiges aus war, statt auf feine Eruptionen: Nach Gians Tod fallen seine Großmutter und seine jüngere Schwester Julia, bei denen Mara die vergangenen Tage gewohnt hatte, in tiefe Trauer. Julia macht Mara lange für den Tod des geliebten Bruders verantwortlich – bis sich nach einem subtextlosen Gespräch mit der ebenfalls trauernden Großmutter ihre Haltung mir nichts, dir nichts ändert. Der kleinste Windhauch genügt, um Allianzen zu verschieben, damit am Schluss das laue narrative Bömbchen hochgeht. Das ist nur ein Beispiel von vielen: der Hauptmann der Genietruppen, der Mara plötzlich Glauben schenkt, nachdem er ihr Verschwörungsgefasel zuvor immer als pathologisch abgetan hat, und der kalte Oberst, der über Leichen geht und am Schluss keinen Ausweg mehr sieht, lassen Vielschichtigkeit wie Glaubwürdigkeit weitgehend vermissen. Charakterwandlungen sind in «Stärke 6» stets im Dienste des Plots. Das reicht nicht einmal für einen kleinen Ausschlag auf der Richter-Skala.

Das Erste zeigt «Stärke 6» am Mittwoch, den 20. August um 20.15 Uhr.

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