First Look

Un-«Believe»-able

von

Star-Produzent J.J. Abrams und Oscar-Preisträger Alfonso Cuarón zeichnen sich für die neue NBC-Serie verantwortlich. Trotzdem ist sie eine herbe Enttäuschung. Ein First Look.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Bad Robot Productions, Esperanto Filmoj und Warner Bros. Television
  • Schöpfer: Alfonso Cuarón und Mark Friedman
  • Darsteller: Jake McLaughlin, Johnny Sequoyah, Jamie Chung, Arian Moayed, Kyle MacLachlan, Delroy Lindo u.v.m.
  • Executive Producer: Alfonso Cuarón, J. J. Abrams, Mark Friedman, Bryan Burk, Jonas Pate und Hans Tobeason
Der renommierte amerikanische Fernsehkritiker Alan Sepinwall vollbrachte kürzlich in einem Interview mit der „Zeit“ eine beachtenswerte Analyse des Showrunnerprinzips: All die wohlbekannten Spitzenserien, von den «Sopranos» bis «House of Cards», haben eine künstlerische Vision als kreativen Motor – und damit eine unverwechselbare Stimme als Alleinstellungsmerkmal, durch die sie sich aus dem Meer an Durchschnittsproduktionen abheben können.

Was passiert, wenn diese Vision und diese einzigartige Stimme einmal fehlen, sieht man derzeit sonntags bei NBC, bei einem Serienneustart aus dem Mystery-Genre mit dem Titel «Believe». Dabei hat es mit Co-Creator Alfonso Cuáron («Gravity») zweifelsohne jemanden gegeben, bei dem kreative Vision und künstlerisches Know-How in Hülle und Fülle zu erwarten gewesen wären. Doch all die Meldungen aus dem Umfeld der Produktion ließen einen schon vor Sendestart etwas mulmig werden.

Die allererste Sequenz des Piloten hat es noch in sich: Das etwa acht- oder neunjährige Mädchen Bo (Johnny Sequoyah) sitzt auf dem Rücksitz eines bequemen Autos, vorne ihre neuen Adoptiveltern. Sie fahren durch eine verregnete Nacht, schnacken dabei über allerhand Banalitäten. Bis aus heiterem Himmel der Wagen unter allgemeiner Panik mehrmals gerammt wird und schließlich von der Straße abkommt. Das Bemerkenswerte daran: Hier fällt kein einziger Schnitt, Meisterregisseur Cuarón macht seinem Oscar alle Ehre und erschafft gleich in den ersten Minuten eine bedrückende, verstörende Atmosphäre, mit der nur wenige Piloten der aktuellen Season mithalten konnten.

Allein: Das sollte (nach bisherigem Sichtungsstand) bei weitem die beste Sequenz gewesen sein. Denn «Believe» verheddert sich im Lauf der ersten vier Folgen nicht nur in vielen logischen Ungereimtheiten, sondern entwickelt auch aus der dramaturgischen Grundkonstellation wenig Neues, geschweige denn Innovatives: Bo hat übernatürliche Kräfte, kann Gedanken lesen, Ereignisse vorhersagen und mittels Telekinese allerhand Objekte fernsteuern. Das ist auch der amerikanischen Regierung bekannt, unter deren Obhut sie lange stand. Aus (bislang?) ungeklärtem Grund zog ihre Bezugsperson, ein älterer Mann namens Milton (Delroy Lindo), aber irgendwann die Reißleine, entführte zusammen mit seinem Team das Mädchen und wollte dafür sorgen, dass es in einer Pflegefamilie fernab jeglicher Gefahren sein Glück findet.

Doch dunkle Mächte, die zumindest teilweise deckungsgleich mit den amerikanischen Behörden sind, machen schon lange Jagd auf Bo. Nachdem (in der Öffnungssequenz des Piloten) auch ihre neuen Pflegeeltern ermordet werden, greift Milton zur Ultima Ratio und gibt Bo in die Obhut von William Tate (Jake McLaughlin), den er zuvor allerdings noch aus dem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses für Todeskandidaten befreien muss. Auf die Frage, wieso sich der treusorgende Milton gerade diesen Typen als Ziehvater für seinen Schützling aussucht, liefert die Serie nur eine schwache wie vorhersehbare Antwort. Statt einer klaren Stimme und einer starken kreativen Vision: hilfloses, zielloses Herumgeeiere, farce- und klischeehafte Figurenzeichnungen, viele Köche (siehe Infobox) und verdorbener Brei.

Anders als bei «Resurrection», wo sich aus den wundersamen Ereignissen eine starke theologisch-psychologische Ebene entspinnt, wo sich viele erschütternde wie berührende Momente finden lassen und vielschichtige Charaktere einen Einblick in herzzerreißende Geschichten ermöglichen, bleibt «Believe» an einer einfallslos durchchoreographierten Handlungsebene kleben und begnügt sich mit Stereotypen, anstatt wirkliche Figuren zu entwickeln. Der Name J.J. Abrams ließ zweifelsohne mehr erwarten, während Cuarón zwar visuell, aber nicht narrativ überzeugen kann.

Punkten kann «Believe» nur an einer Stelle: mit seiner Entdeckung von Johnny Sequoyah, die die kleine Bo mit großer Empathie spielt und sich damit aus der Masse der Klein-Mädchen-Darstellerinnen abhebt, die ihre Altersgenossen in der Unter-Ein-Meter-Vierzig-Fraktion zumeist altklug oder dümmlich oder beides zugleich anlegen.

Ansonsten ist die Serie aber nicht nur für Abrams- und Cuarón-Verhältnisse un-«Believe»-able, sondern kann nicht einmal mehr als solides Networkfernsehen durchgehen.

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