Die Kritiker

«Stille»

von

Am Mittwoch zeigt die ARD mit «Stille» ein Drama mit Jan Fedder in der Rolle eines Fernsehjournalisten, der von seinem Sohn demontiert wird.

Inhalt:


Harry Kliewer, ein berühmter Fernsehjournalist, ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Sein gewagtes Interview mit einem Top-Banker wird zum Skandal und Quotenhit. Gleichzeitig erscheint der Roman seines Sohnes Alex: eine Abrechnung mit seinem Vater. Darin beschreibt er ihn als „gierig, geil und geltungssüchtig". Die Situation wird für Kliewer unerträglich. Er flüchtet - möglichst weit weg von der medialen Öffentlichkeit, die er so hervorragend bedient und die ihn zugleich beherrscht. Weg auch von seiner langjährigen Lebensgefährtin Amanda, die er zwar betrügt, aber dennoch nicht loslassen kann. In einer abgelegenen Berghütte muss Harry Kliewer feststellen, dass Stille kein Garant für innere Ruhe ist. In der Einsamkeit - konfrontiert mit der gnadenlosen Natur und seiner Vergangenheit - kämpft er schlussendlich um sein eigenes Überleben.

Darsteller
Jan Fedder («Großstadtrevier») als Harry Kliewer
Iris Berben («Rosa Roth») als Dr. Amanda Kanning
Florian Bartholomäi («Der Vorleser») als Alex Kanning
Anna Fischer als Angela Kanning
Leslie Malton («MythQuest») als Carla

Kritik
„Talk-Shows ersetzen die Realität durch flotte Sprüche, damit der Mensch weiter in Ruhe fressen und scheißen kann.“ Zweifellos: Drehbuchautor Christian Jeltsch und Regisseur Xaver Schwarzenberger haben mit «Stille» all den mediengeilen, aber relevanzlosen Blödsinns-Talkern ein regelrechtes Schandmal gesetzt. Die entsprechenden Namen möge der interessierte Leser an dieser Stelle selber einfügen – wer allerdings die Talk-Formate der öffentlich-rechtlichen Sender kennt und ein Mindestmaß an Medienkompetenz mitbringt, wird entsprechend sondieren können.

Harry Kliewer ist jähzornig, notgeil, lächerlich, versoffen, süchtig, aggressiv, arrogant. „Ich mach' Talk, Unterhaltung“, brüllt er im Streitgespräch mit seiner Lebensgefährtin durchs Treppenhaus und verweist auf die vielen prominenten Gäste, die regelmäßig in seine Sendung kommen. „Weil du nicht nachhakst, weil du ihnen nicht weh tust“, entgegnet sie ihm. „Und die Quoten? Die Preise? Die Zuschauerpost?“ Der Überbau eines beruflich erfolgreichen, aber ideell und persönlich restlos gescheiterten Medienfuzzis. Der Film macht klar: Preise und Quoten sind nichts wert, wenn man nur Dreck produziert.

Harry Kliewer schafft schließlich das, was das deutsche Fernsehen nicht zu schaffen scheint: eine Selbstkorrektur, weg vom Anbiedern an den Wohlfühlanspruch, hin zu Integrität und Relevanz. Er verlässt die Doppelpass-Plattform, als er den talkshowscheuen umstrittenen Großbanker in seiner Sendung vor sich sitzen hat, und führt mit ihm ein sinnvolles Interview mit scharfen Fragen und toughen Gesten. Ein Gespräch, wie man es sich von Günther Jauch wünschen würde.

Die Prämisse ist spannend, das Thema um den Blick hinter die Fernsehkulissen in die persönlichen und beruflichen Abgründe von Medienschaffenden und Journalisten immer interessant. «Stille» hätte ein interessanter Film werden können. Hätte.

Denn die Figur des Harry Kliewer ist zu lächerlich, zu vollgepfercht mit allerhand schlechten Eigenschaften, er ist ein zu offensichtlicher Widerling, der seine Lebensgefährtin betrügt, in seiner viel zu überdrehten Arroganz keinerlei Respekt vor seinen Kollegen hat und seine Kinder wie Scheiße behandelt. Gemäß den Gesetzen der Degeto-Dramaturgie muss er sich wandeln, läutern. Doch hier hätte man mehr narrativen Spielraum gehabt, hätte der Plumpheit ausweichen können. Stattdessen hat man die meisten Figuren stark überzeichnet und ihnen jedwede Ambivalenz genommen, die über das Mindestmaß hinausgehen würde.

Leider hat man auch die Kontraste zu offensichtlich gesetzt, die, auf eine subtilere Art platziert, deutlich wirkungsvoller gewesen wären. Harry Kliewer ist süchtig danach, von der Öffentlichkeit abgefeiert zu werden; seine Tochter, von Beruf Musikerin, will die Öffentlichkeit hinter sich lassen. Harry Kliewer knattert alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist; sein Sohn kümmert sich währenddessen liebevoll um seine sterbenskranke Frau. Mit einem Degeto-üblichen Ausrutscher, natürlich. We get it.

Dramaturgisch wäre deutlich mehr drin gewesen. Jan Fedder kann also kaum etwas dafür, dass seine Rolle stellenweise unglaubwürdig wird und es stets an den notwendigen Zwischentönen fehlt. Iris Berben hat eine dankbarere, weil vielschichtigere Figur zu spielen – und meistert ihre Aufgabe erwartungsgemäß hervorragend. Doppelt schade also, dass das spannende Thema in dieser Ausarbeitung nicht so recht funktionieren will.

Das Erste zeigt «Stille» am Mittwoch, 13. Februar 2013, um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/62013
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