Hingeschaut

Vom Comedyshowsprecher zur Trashsynchrostimme

von

Peter Rütten, die Stimme zahlreicher Comedyshows, veralbert in «Rüttens Bullshit-Universum» das Trashkino vergangener Tage und legt den Filmfiguren neue Texte in den Mund.

Wessen Filmkenntnisse nicht gänzlich auf digitalem Boden fußen, sondern auch auf alten Videokassetten, der hatte bei «Rüttens Bullshit-Universum» sehr früh guten Grund zum Grinsen. Wer noch die ganz alten Videos in besonders sperrigen Plastikhüllen miterlebt hat, erinnert sich nämlich gewiss auch an den ausführlichen Sprechertext, der auf die FSK-Altersfreigaben hinwies und darum bat, dass die ganze Familie auf diese achtet.

Es ist ein Stück 80er-Filmfankultur, das der frühere «Harald Schmidt»-Chefautor und -Einspielfilmsprecher Peter Rütten zu Beginn seiner neuen Show auf Tele 5 aufs Korn nahm, indem er mit autoritär-dröger Stimme darauf hinwies, seine Sendung sei nicht für Zuschauer über 56 Jahren geeignet. Für diese sei sie nämlich zu albern. Möglicherweise sollte Rütten in einer kommenden Ausgabe sicherheitshalber augenzwinkernd auch ein Mindestalter für seine Show ausrufen, denn sie setzt beim Zuschauer einen gewissen Nostalgiefaktor für miese B- und C-Movies vergangener Tage voraus.

In seiner halbstündigen Comedysendung zeigt Rütten Ausschnitte aus obskuren, vergessenen und vergessenswerten Filmproduktionen, die er zumeist neu synchronisiert. Dies kann zuweilen sehr witzig sein, etwa wenn durch die neuen Rollentexte eine ernst gespielte und passabel ausgestattete Militärszenerie zur Schmierenkomödie wird, in der das als Superkommandant angekündigte Strategiegenie aufgrund einer Kopfverletzung nur noch unsinnigen Murks von sich gibt. Auch ein Gespräch zwischen Schwiegersohn und Schwiegereltern wird humorig verdreht, indem Rütten den lieb grinsenden Leuten ein Gespräch über Abtreibung in den Mund legt.

Eine halbe Stunde an solchen Unsinnssynchros, wie man sie schon aus der «Wochenshow» oder von Harald Schmidt kennt, wird jedoch schnell ermüdend, erst recht, weil Spaßsynchros üblicherweise erst richtig witzig sind, wenn man die Vorlage kennt und sich so die humorige Divergenz zwischen Originaltext und Neufassung erschließt. Dieser Aspekt geht bei Rüttens Billigfilmansammlung völlig verloren. Die obskuren Fundstücke aus Rüttens Film-Klamottenkiste bieten viel größeres Humorpotential, wenn der Sprecher keine Spaßsynchros von sich gibt, sondern das Gezeigte sarkastisch kommentiert – ganz im Stile des Kultformats «Mystery Science Theater 3000» oder zynischen Internet-Filmkritikern wie dem Nostalgia Critic oder dem Cinema Snob. Highlight der Premierenfolge von «Rüttens Bullshit-Universum» ist deshalb ganz konsequent eine Ansammlung von Ausschnitten aus einem C-Piratenfilm, in welchem kurioserweise auch ein Indianerhäuptling vorkommt. Dessen Darstellung kritisiert Rütten aus dem Off mit schnippischen Sprüchen als rassistisch, verweichlicht und sperrig.

Solche Fundstücke aus dem Trashfilm-Universum würde man mitsamt Rüttens gerne gehäuft vorgesetzt bekommen, stattdessen kehrt die Sendung danach wieder zu den Spaßsynchros zurück, die im Anschluss an die originelle Clipsammlung gleich umso verbrauchter wirken. Während also die Grundidee hinter «Rüttens Bullshit-Universum» einen nostalgischen Charme aufweisen kann, ermüdet das Kernstück der Sendung doch recht schnell. Abseits der Blödelsynchros von Trashfilmen täte dem Format mehr Abwechslung gut, und so lange die Welt des veralteten Schrottkinos persifliert wird, würde das Sendekonzept nicht etwa aufgeweicht, sondern gestützt.

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