Hingeschaut

«Weltenbrand»: Softe Geschichtsstunden

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Die ersten drei Folgen der von Guido Knopp geleiteten Dokumentationsreihe beschäftigten sich mit dem Ersten Weltkrieg.

«Hitlers Helfer», «Hitlers Frauen», «Hitlers Kinder», «Die Deutschen», «100 Jahre Geschichte»: Ob man Guido Knopp nun mag oder nicht, eines kann man nicht leugnen: Der wohl bekannteste Historiker Deutschlands hat in den vergangenen Jahren eine unendliche Anzahl zeitgeschichtlicher Fernsehreihen auf den Markt gebracht. Vor allem seine zahlreichen Dokumentationen über Hitler haben inzwischen einen gewissen Kultstatus erlangt. Bevor er im Jahr 2013 65 Jahre alt wird und somit endgültig aus seinem Dienst scheidet, bringt der Geschichtslehrer der Nation noch eine letzte bildgewaltige Dokumentation auf Deutschlands Bildschirme: «Weltenbrand», so der Name der neunteiligen Dokumentationsreihe, die die beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts, den „30-jährigen Krieg des 20 Jahrhunderts“, näher thematisieren soll. Die letzte der ersten drei Folgen über den Ersten Weltkrieg strahlte das ZDF diese Woche aus, sechs weitere Folgen über den Zweiten Weltkrieg folgen 2013. Wir ziehen ein erstes Fazit.

Schon die Vorschau der Dokumentationsreihe, in der Originalfotos nachträglich koloriert und animiert wurden, fasst im Grunde genommen grob zusammen, was den Zuschauer bei «Weltenbrand» erwartet: Die wohl bunteste zeitgeschichtliche Dokumentation, die es je im Deutschen Fernsehen gab. Denn alle in der Produktion gezeigten Originalaufnahmen sind nachträglich per Hand koloriert worden. Der erste Weltkrieg in Farbe und HD, um Nähe und Authentizität zu erzeugen, wie es seitens des ZDF heißt. So recht will das allerdings nicht funktionieren: Denn durch diese Form der Bildbearbeitung geht gerade sehr viel Authentizität verloren, das Ganze erscheint ungewohnt und ein wenig befremdlich. Wo es keine Originalaufnahmen gibt, werden zudem nachgestellte Szenen eingeschoben, die auch als solche gekennzeichnet werden. Kommentiert werden die Geschehnisse immer wieder von Historikern, die nun vollständig den Job der sonst so gern verwendeten Zeitzeugen übernehmen müssen.

Inhaltlich hinterlässt das Format hingegen einen geteilten Eindruck. Anschaulich wird versucht, dem Zuschauer den einen oder anderen Zusammenhang zu erklären. Mit Landkarten, Pfeilchen und Feuerwänden, die für die Frontlinien stehen, versteht auch der weniger historisch-bewanderte Zuschauer die groben Vorgänge von damals. Was für den Otto-Normalverbraucher eine ganz nette Wiederholung vergangener Geschichtsstunden darstellt, ist für den Historiker aber nicht mehr als softe Unterhaltung. Denn die tiefgreifenden Erkenntnisse, Recherchen und Zusammenhänge bleiben aus. Da zeigt Geschichtsguru Knopp lieber ausführlich wie die Deutschen beispielsweise 1914 Urlaub machten. Ist zwar schön anzuschauen, welchen bedeutenden historischen Mehrwert diese Aufnahmen für den Zuschauer allerdings darstellen sollen, bleibt fraglich.

Überhaupt legt Knopp den Fokus immer wieder auf das Konkrete, das Einzelschicksal und scheint dabei das Gesamte, sprich die politischen Geschehnisse, aus den Augen zu verlieren. So greift die Dokumentation oftmals auf Tagebucheinträge und Briefe von Soldaten an der Front zurück. Unbestritten: Diese stellen eine besondere Nähe zum Zuschauer her und erreichen ihn auf emotionaler Ebene. Aber diese bergen auch einen Nachteil: Vor allem beim dritten Teil wird auf subjektive Berichte häufig zurückgegriffen, was dazu führt, dass eine neutrale und sachliche Darstellung stellenweise kaum mehr erfolgt. Schicksal vor Fakten.

Negativ fällt zudem auf, dass Knopp immer wieder auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen kommt. So beginnen alle drei Teile mit einigen Eindrücken aus dem Zweiten Weltkrieg, bevor man sich mit dem eigentlichen Thema, dem Krieg zwischen 1914 und 1918, auseinandersetzt. Natürlich: Es gibt Zusammenhänge, die mit dem Ersten Weltkrieg zu tun haben und beim Verständnis des Zweiten Weltkriegs hilfreich sind. Aber dadurch, dass jeweils mit dem Krieg zwischen den Jahren 1939 und 1945 begonnen wird, vermittelt das ZDF den Eindruck, dass es nicht daran glaubt, der Zuschauer könne auch mit einer reinen Darstellung des ersten Weltkries zufriedengestellt werden. Lieber immer wieder auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen kommen, mit dem schon öfters Quote zu machen war und damit dem Ersten Weltkrieg ein wenig Schwung verleihen. Und nicht zu vergessen: Immer wieder versuchen eine Möglichkeit zu finden, Hitler einzubringen.

Tatsächlich kommt auch dieses Projekt des Marktführers „im Segment des Hitler-Histotainments“ (Spiegel Online), das sich (offiziell) mit dem ersten Weltkrieg beschäftigt, nicht ohne den Diktator aus. Wo es eigentlich noch keinen Hitler gibt, baut Knopp einfach einen ein. So kommt die Dokumentation allein im ersten Teil gleich drei Mal auf Hitler zu sprechen. Wie er sich damals zum Dienst meldete, wie er an der Front kämpfte. Nur dass das für den Ersten Weltkrieg an Unerheblichkeit nicht zu überbieten ist, stellt «Weltenbrand» schließlich keine Hitler–Biographie dar.

Guido Knopp hätte gut daran getan, das Wesentliche mehr in den Vordergrund zu stellen. Hitler-Biographien hat der Historiker schließlich schon oft genug auf die Bildschirme gebracht und ein ständiges Umschwenken auf den Zweiten Weltkrieg ist auch nicht immer nötig. Zudem bleibt festzuhalten, dass die ohne Frage aufwendige Kolorierung der Bilder keine gute Idee darstellte und getrost weggelassen werden könnte. Die teilweise festzustellende überspitze Dramaturgie, die sonst gerne den Privaten vorgeworfen wird, fällt ebenfalls negativ ins Gewicht. Das alles scheint nicht zuletzt auch viele Zuschauer verscheucht zu haben; die Marktanteile sanken innerhalb der drei Wochen stetig von 8,9 über 7,1 auf schlussendlich nur noch 6,5 Prozent. Trotzdem: Eine solide inhaltliche Darstellung des Ersten Weltkriegs bekam der Zuschauer geboten; für eine Wiederholung des Geschichtswissen hat die Dokumentation ausgereicht und die ein oder andere interessante Hintergrundinformation war für den Durchschnittszuschauer auch zu finden. Und etwas ist ja immer noch besser als gar nichts!

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