Sonntagsfragen

Judith Rakers: „Respekt vor Raab“

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Judith Rakers gilt nicht nur als „Miss «Tagesschau»“ sondern glänzte 2011 auch als Moderatorin des «Eurovision Song Contest» – damit zählt sie zu den Medien-Persönlichkeiten des Jahres 2011. Im exklusiven Quotenmeter-Doppel-Interview spricht Judith Rakers über ihre «ESC»-Zeit und die Qualität des deutschen Fernsehens. Außerdem verrät sie, ob eine «Wetten, dass..?»-Moderation für sie in Frage käme.

Judith Rakers, sprechen wir über eines der TV-Events des vergangenen Jahres: Der «Eurovision Song Contest». Was war es für ein Gefühl live zu moderieren und zu wissen, dass – wie bei der «Tagesschau» – nicht nur fast ganz Deutschland sondern halb Europa zuschaut?
Während der Show habe ich mir das nicht mehr bewusst gemacht, da waren wir alle getragen von der unglaublichen Stimmung in der Arena. Aber vorher hatte ich Lampenfieber – gar nicht, weil es live war. Ich habe in meinen sechs Jahren beim Radio und den mittlerweile acht Jahren beim Fernsehen immer live gearbeitet, aber ich habe die Verantwortung gespürt, eine Show abzuliefern, mit der sich jeder Zuschauer auf seine Weise identifizieren kann – egal aus welchem Kulturkreis oder welcher Ecke er kommt. Das typische «ESC»-Publikum ist ja sehr heterogen: Da gibt es den Auswanderer in Neuseeland, das Homo-Pärchen, das in Kostüm und Federboa feiert und die Oma, die einfach schöne Musik erwartet. Und dazu die ganz treuen Fans mit «ESC»-Tattoos auf dem Rücken und einem virtuellen Grand-Prix-Lexikon im Kopf, für die der «ESC» eine sehr ernste Sache ist. Wir wollten alle gut unterhalten. Deshalb ja auch drei sehr unterschiedliche Moderatoren.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Stefan Raab und Anke Engelke?
Perfekt. Wir haben uns von Anfang an super ergänzt, weil jeder etwas anderes mit einbringen konnte in die Show. Außerdem konnte ich viel lernen von den beiden: Stefan und Anke gehören ja nun unbestrittenermaßen zu den Showgrößen in Deutschland. Beide sind zehn Jahre älter als ich und schon viel länger im Rampensau-Geschäft.

Was halten Sie eigentlich von Stefan Raabs TV-Events?
Meinem persönlichen Fernsehgeschmack entsprechen Events wie die «Wok-WM», «Das TV-Total-Turmspringen» oder «Schlag den Raab» nicht, aber ich habe großen Respekt vor Stefans Geschäftstüchtigkeit. Ich kenne sonst niemanden in der Branche, der es geschafft hat, einen kompletten Fernsehsender quasi zu seinem eigenen Event-Kanal zu machen.

Wie sehen Sie die zukünftigen «ESC»-Chancen für Deutschland als „«ESC»-Expertin“?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Es wird immer auf den jeweiligen Künstler ankommen, den Song, den derzeitigen Geschmack. Ich denke aber, wir haben seit Lena und seit Düsseldorf wieder bessere Chancen, vorn dabei zu sein. Einfach weil viele uns jetzt sympathischer finden und ihr Vorurteil überarbeitet haben (schmunzelt).

Nur «Wetten, dass..?» hatte 2011 außerhalb des Sports mehr Zuschauer als der «Eurovision Song Contest». Wie sehen Sie die «Wetten, dass..?»-Diskussion? Sollte man die Sendung fortführen und mit wem?
Was? «Wetten, dass..?» hatte mehr Zuschauer? Unglaublich! Impertinent! (lacht) Nein, jetzt im Ernst: «Wetten, dass..?» ist einfach ein Show-Dino, ein gelerntes Ritual - ähnlich wie die «Tagesschau». Ich persönlich würde es sehr schade finden, wenn diese besondere Show nicht fortgeführt werden sollte. Vor allem wäre es schade für die Kollegen vom ZDF. Der Sender würde an Profil verlieren.

Es wurden bereits viele Personen als neuer «Wetten, dass...?»-Moderator gehandelt. Wären Sie nicht eine mögliche Nachfolgerin?
Ich? Nein. Klare Antwort! Ich plädiere für Barbara Schöneberger.

Von Ihnen stammt die Aussage: „Das Fernsehen hat keine Zukunft”. Was meinen Sie damit?
Der Satz stammt aus meinem Essay für die Zeitung „Die Welt“. Meine Grundthese ist, dass es Fernsehen im klassischen Sinne schon bald nicht mehr geben wird, weil das Internet zur Medienplattform Nummer eins wird. Auch dort gibt es dann natürlich Bewegbildformate, aber „On Demand“ und zielgruppendefinierter weil verknüpft mit „Social-Media“.

Ihre ARD-Kollegen machten mit der Talkshow-Offensive Schlagzeilen. Wie viel Talk verträgt das deutsche Fernsehen? Immerhin sind Sie ja selbst Talkshow-Moderatorin…
Ich glaube, dass es derzeit in der Tat eine gewisse Talkshow-Müdigkeit gibt. Und dafür gibt es meiner Meinung nach drei Gründe: Erstens: Die „Überall wird nur noch gelabert-Anti-Stimmung“, die von den Medien zumindest geschürt wurde. Zweitens: Es wird zunehmend schwerer, Gäste zu finden, die nicht ausschließlich ihr neues Buch oder ihren neuen Film in die Kamera halten wollen und ansonsten mauern, und drittens: Will man in Krisenzeiten vom Fernsehen wahrscheinlich lieber Ablenkung als Anregung. Anders ist der Erfolg der ganzen Casting-Show-Formate ja auch kaum zu erklären...

Als Nachrichtensprecherin wissen Sie, wie wichtig Glaubwürdigkeit ist. Die quotenstarken Scripted-Reality-Sendungen gerieten wieder in die Kritik. Wie stehen Sie zu solchen Formaten wie die 2011 beendeten «Super Nanny»?
«Die Super Nanny» ist vielleicht kein gutes Beispiel, weil sie von Ihrer Grundidee zwar Reality, aber eben nicht Scripted Reality sein sollte. Nehmen wir lieber eine Sendung wie: «Familien im Brennpunkt» oder «Mitten im Leben». Und da sage ich es mal so: Ich bin froh, dass die ARD bisher auf derartige Formate verzichtet, auch wenn sie schön billig wären.

Apropos Glaubwürdigkeit: Ein Thema des Jahres war auch der „News of the World“-Abhörskandal. Wie weit darf die vierte Gewalt im Staat gehen?
Es hat ja nichts mit vierter Gewalt zu tun, wenn man die Handys von Prominenten wie Sienna Miller abhört. Legislative, Judikative, Exekutive und Promijagd? Passt nicht zusammen! Hier ging es um Auflage und nicht um Kontrolle und die Aufdeckung von Missständen.

Was schaut „Miss «Tagesschau»“ gerne im Fernsehen und bei welcher Sendung verlassen Sie fluchtartig das Wohnzimmer?
Ich sehe gern Talkshows (ja, ich bekenne mich als Fan), das ARD-Magazin «Titel, Thesen, Temperamente», schwedische Krimis, den «Tatort» und gut gemachte Shows zur Primetime. Was ich überhaupt nicht ertragen kann ist Scripted-Reality und Sendungen wie das Dschungelcamp. Alle Sendungen, die auf Schadenfreude aufbauen, lassen mich frösteln und fliehen.

Es wird viel über das deutsche Fernsehen gemeckert. Wie stehen Sie zur „Unterschichten-Fernsehen“-Debatte?
Ich finde, es gibt richtig gutes Programm im deutschen Fernsehen. Und an einer „Unterschichten-Debatte“ beteilige ich mich nicht, weil ich schon den Begriff diskriminierend finde.

Zum Abschluss: Werden Sie 2012 wieder Prime-Time-Shows im Unterhaltungsbereich moderieren?
Da setze ich jetzt mal ein Pokerface auf und sage „Lassen Sie sich überraschen“ (schmunzelt).

Vielen Dank für das ausführliche Interview, Judith Rakers!

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