Die Kritiker

«Die Schuld der Erben»

von

Story


Clara Billius-Asmussen wollte immer nur fort von ihrer Familie. Sie hat eine Grenze zwischen sich und ihrer Herkunft, der Werften-Dynastie Asmussen, gezogen. Und doch hat sie eines nie getan: ihre Anteile an der Werft verkauft, die sie seit dem Tod ihrer Mutter hält. Als wären diese der letzte Faden eines unsichtbaren Bandes, das Clara nicht zu lösen wagt.

Als der Prototyp einer neuer Frachterserie aus ungeklärten Umständen verunglückt und eine Umweltkatastrophe vor der norwegischen Küste auslöst, muss eine Entscheidung getroffen werden: Soll die Werft an eine Investorengruppe verkauft werden? Leonhard Asmussen, der Patriarch, ist dagegen, genauso wie seine Schwester Thea. Aber sein Sohn Henning, der ebenfalls Anteile hält, will die anderen Anteilseigner, allen voran seine Schwester Clara, zum Verkauf an eine Bank, vertreten durch Ina Nores drängen. Er will die Macht seines Vaters brechen und sich mit Hilfe der neuen Eigentümer zum Vorstandsvorsitzenden wählen lassen. Alles hängt nun an Clara. Wie wird sie sich entscheiden?

Clara ist gegen den Verkauf. Wieder ist es dieses unsichtbare Band, das sie nicht zu kappen wagt. Als ihr Vater einen Schlaganfall erleidet, entsteht durch ihre Entscheidung ein Strudel, dem sie sich nicht mehr entziehen kann. Auf einmal steht sie in der Verantwortung. Jetzt zeigt sich, wie ähnlich Clara ihrem Vater ist. Sie setzt alles auf eine Karte und riskiert damit ihre eigene wirtschaftliche Existenz.
Als Clara herausfindet, dass die Ursache für das Frachterunglück ein Sabotageakt war, kulminieren die Ereignisse: Jemand will die Familie zerstören. Claras Nachforschungen, bei denen ihr der Journalist Bruno Fuhrmann zur Seite steht, führen immer tiefer in die Vergangenheit und damit zum Ursprung ihrer eigenen Probleme: Als Clara acht Jahre alt war, ist ihre Mutter bei einem Segelausflug ertrunken. Da sie sich auf dem Boot ihres Liebhabers Kurt Hanson befand, wurde das Ereignis innerhalb der Familie totgeschwiegen. Jetzt zeigt sich, dass es kein Unfall war: Ihre Mutter wurde gestoßen.

Darsteller
Lisa Martinek («Das Duo») ist Clara Billius-Asmussen
Johann von Bülow («Wir müssen reden!») ist Henning Asmussen
Otto Sander («Der Himmel über Berlin») ist Leonhard Asmussen
Gaby Dohm («Die Schwarzwaldklinik») ist Thea Asmussen
Jürgen Prochnow («Das Boot») ist Kurt Hanson
Matthias Koeberlin («Vulkan») ist Bruno Fuhrmann
Katharina Wackernagel («Vulkan») ist Ina Nores
Lenn Vincent Rieck ist Eric Billius-Asmussen

Kritik
Dieser Film lässt sich nur schwer einordnen. Er setzt ein mit der Thematisierung der Kälte und heillosen Zerwürfnisse in einer alten, den «Buddenbrooks» ähnlichen Familiendynastie, deren Geschäft schon deutlich bessere Tage gesehen hat. Sehr geschickt verwebt das Drehbuch hier den verhältnismäßig langen Set-up der Handlung mit einer detaillierten und leisen Vorstellung der einzelnen Figuren. Man nimmt sich Zeit, erzählt recht ruhig und bedient sich einer sehr düsteren Filmästhetik, die die Katastrophen, mit denen sich die Familie herumschlagen werden muss, schon vorwegnimmt.

Gleichzeitig offenbart sich an dieser Stelle das erste Problem, mit dem die Dramaturgie hier zu kämpfen hat: Denn nicht nur, dass unsere Hauptfigur Clara zu Beginn noch sehr blauäugig ist, sie neigt auch sehr zum Hysterischen und handelt häufig recht irrational, wodurch in diesem Teil des Films leider einige Glaubwürdigkeitsmängel entstehen. Sie wächst nur sehr langsam mit ihren neuen Aufgaben in dem riesigen Familienkonzern, als ihr Vater gesundheitlich außer Gefecht gesetzt ist und sich das Intrigengewirr bereits zu entfesseln begonnen hat. «Die Schuld der Erben» hätte deutlich interessanter werden können, wenn uns als Hauptprotagonistin schon von Anfang an eine toughe Frau präsentiert worden wäre, die weiß, was sie will, und die sich nicht ständig von ihren diversen Gefühlen hin- und herleiten lassen würde. Statt mit zupackender Überlegenheit agiert sie leider viel zu lange und ausufernd eher mit einer Utopien nachrennenden Baumtänzerei.

Denn Clara schleppt auch noch ein unverarbeitetes Kindheitstrauma mit sich herum, das sich nun im Zuge der Anschläge auf ihre Firma auflösen soll. Doch das ist kein glücklich gewählter Nebenhandlungsstrang, denn er hemmt die emotional ohnehin schon massiv aufgewühlte Clara nur noch mehr – und sorgt ferner durch die ständigen kurzen Flashbacks immer wieder dafür, dass der Zuschauer aus der Narrative gerissen wird.

In der zweiten Sendestunde wird aus dem Stoff rasant ein tempogeladener Thriller, bei dem dann allerdings an einigen (wenn auch wenigen) Stellen die Differenziertheit auf der Strecke bleibt. Denn hin und wieder bedient man sich zu plumper Motive, etwa wenn der abgebrühte Detektiv Bruno und Clara über seine Kopfhörer John Lennons „Imagine“ hören und dieser Track dann über eine Ölpest-Montage gelegt wird.

Dem eingespielten Autorenteam aus Florian Iwersen und Stefan Holtz, das für dieses Projekt um Marcus Hertneck («Liebe vergisst man nicht») erweitert wurde, muss man jedoch zu Gute halten, dass sie es stets bei leisen Tönen belassen und darauf verzichten, die schnellen aufgesetzten Emotionen mitzunehmen. Sie bewegen sich vom Melodram so weit weg wie möglich und schaffen innerhalb all der abstrusen, aber zum allergrößten Teil glaubwürdigen Verwicklungen einzelne alltägliche Momente, die Authentizität garantieren. Clara und ihr Sohn (zwischen Lisa Martinek und Lenn Vincent Rieck stimmt die Chemie vollkommen) schnacken fröhlich und völlig natürlich miteinander; der Schlaganfall des Werftpatriarchen wird leise in Szene gesetzt und wirkt somit umso erschreckender und tiefgreifender.

Anders als das Drehbuch, das leider nicht völlig überzeugen kann, macht das Schauspielerensemble seine Sache fast ausnahmslos hervorragend. Lisa Martinek spielt einfühlsam und meist unaffektiert, während Otto Sander und Jürgen Prochnow die Verbitterung ihrer Figuren gekonnt zu inszenieren verstehen. Trotz all seiner Mängel hat «Die Schuld der Erben» (Regie: Uwe Janson) fraglos einige interessante Aspekte aufzuweisen.

Das ZDF strahlt «Die Schuld der Erben» am Donnerstag, den 5. Januar 2012, um 20.15 Uhr aus.

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