Die Kino-Kritiker

«Mission: Impossible 4»

von

Ethan Hunts vierter Leinwandauftritt ist witziger als alle bisherigen Teile der Reihe. Aber auch besser?

Die «Mission: Impossible»-Reihe gehört neben den James-Bond- und Jason-Bourne-Filmen wohl zweifellos zu den noch heute aktiven Platzhirschen unter den Spionagethriller-Franchises der Filmwelt. Auch wenn Hobby-Sektenpromoter Tom Cruise als Agent der Impossible Mission Force (kurz: IMF) erst seit etwa 15 Jahren unmögliche Aufträge im Kino meistert, reichen die Wurzeln von «Mission: Impossible» doch fast so weit in die Vergangenheit zurück wie die der überaus langlebigen «James Bond»-Reihe. So haben die Kinoausflüge ihren Ursprung in einer Serie aus den 60er und 70er Jahren, die bereits damals auf den Namen «Mission: Impossible» hörte, im deutschsprachigen Raum jedoch den völlig willkürlichen Titel «Kobra, übernehmen Sie» spendiert bekam. Nach einem eher missglückten Versuch, die damals äußerst populäre Fernsehsendung Ende der 80er Jahre neu zu beleben, machte sich einige Jahre später Tom Cruise selbst für eine Leinwandadaption stark. Diese konnte unter der Regie von Brian De Palma («Scarface») schließlich erfolgreich realisiert werden und ist heute wohl kaum noch aus der Filmgeschichte wegzudenken. Dabei hatte bereits die Ausrichtung des ersten Teils trotz Übernahme zahlreicher Details aus der ursprünglichen Serie gar nicht mehr allzu viel mit jener Vorlage gemein.

Dem Erfolg tat dies allerdings keinerlei Abbruch. «Mission: Impossible» trat einen Siegeszug um die Welt an und wurde vielerorts zum Kult. Beste Voraussetzungen für eine Reihe von Fortsetzungen, die vier Jahre später ihren Anfang nehmen sollte. Nachdem der einst so vielversprechende Filmemacher John Woo («Hard Boiled», «Face/Off - Im Körper des Feindes») mit «Mission: Impossible II» lediglich ein nahezu handlungsloses und bis zur Lächerlichkeit übertriebenes Actionfeuerwerk abliefern konnte, gelang es dem vormalig hauptsächlich im Fernsehbereich tätigen J. J. Abrams («Lost», «Alias») mit seinem Spielfilmdebüt «Mission: Impossible III» die Reihe durch einen düsteren Grundton und einen realistischeren Anspruch wieder ein wenig zu erden und zugleich die Spannung anzuziehen. Unter der Schirmherrschaft seiner Produktionsfirma entstand daher nun auch «Mission: Impossible - Phantom Protokoll», der mittlerweile vierte Teil der Reihe, bei dem diesmal allerdings Pixar-Veteran Brad Bird («Die Unglaublichen - The Incredibles», «Ratatouille») für seinen ersten Realspielfilm auf dem Regiestuhl Platz nahm. Das Endergebnis ist dabei ähnlich packend geraten wie der Vorgänger, bezieht dies abseits der furiosen Actionsequenzen jedoch nicht aus der Fortführung von dessen durchweg ernsthafter Dramatik, sondern schlägt mit einer ordentlichen Portion Humor einen gänzlich anderen und dennoch ausgezeichnet funktionierenden Weg ein.

Der vierte Ausflug auf die Kinoleinwand führt Ethan Hunt und sein IMF-Team, dieses Mal bestehend aus der Agentin Jane Carter (Paula Patton) und dem seit kurzem auch in Außeneinsätzen tätigen Computerexperten Benji Dunn (Simon Pegg), nach Moskau. Dort erfahren sie, dass im Archiv des Kremls Hinweise auf die Identität und den Aufenthaltsort des Terroristen „Cobalt“ (Michael Nyqvist) lagern sollen. Dieser beabsichtigt, einige sich im Umlauf befindliche Abschusscodes für russische Atomraketen in seinen Besitz zu bringen. Als die Spione daraufhin den Kreml infiltrieren, geraten sie jedoch in eine Falle, woraufhin wenig später ein Teil des Gebäudes in die Luft gesprengt und Ethans Team dafür verantwortlich gemacht wird. Um einem globalen Konflikt vorzubeugen, sehen sich seine Auftraggeber daher dazu veranlasst, das so genannte Phantom Protokoll zu befolgen, das nicht nur jegliche Verbindungen des IMF zur US-Regierung, sondern die Existenz des Geheimdienstes gänzlich leugnet. Fortan komplett auf sich allein gestellt, planen Ethan, Jane und Benji, Cobalt das Handwerk zu legen, der sich die Abschusscodes bei einem Treffen in Dubai beschaffen möchte. Tatkräftige Unterstützung bekommen sie dabei vom undurchsichtigen Analysten Brandt (Jeremy Renner), der mehr zu sein scheint als er anfangs vorgibt.

Während die kurze Eröffnungssequenz noch in typischer Agententhriller-Manier daherkommt, gestaltet sich schon die anschließende Befreiung Ethan Hunts aus einem russischen Gefängnis ungewohnt, aber erfrischend witzig. Von da an wird der Fortgang der Handlung von wohl dosiertem leichtfüßigen Humor und viel Selbstironie begleitet, deren Ziel mal die inzwischen zur Serientradition gewordenen Eigenheiten der Reihe, mal Elemente des Genres generell sind. Insbesondere die im Vergleich zum Vorgänger wesentlich ausgebaute Figur des vom britischen Komiker Simon Pegg («Shaun of the Dead», «Hot Fuzz») verkörperten Computerspezialisten Benji sorgt im Zusammenspiel mit den anderen Protagonisten des Films für viele kleine Lacher. Dies alles geht insgesamt zwar zweifellos zu Lasten einer Dramatik und Schwere, die dem dritten Teil der Reihe noch einige seiner stärksten Momente bescheren konnten, doch verkommt auch «Mission: Impossible - Phantom Protokoll» niemals zu einer albernen Komödie oder gar Persiflage. Ganz im Gegenteil, sind es doch gerade die amüsanten Einlagen, welche beispielsweise zur Akzeptanz der teils sehr abgefahrenen, wenn auch mitunter gar denkbaren technischen Spielereien beitragen.

Darüber hinaus kriegt der Film in den wirklich entscheidenden Momenten auch stets die Kurve zu genügend, wenn auch erfreulicherweise nicht zu übermäßiger Ernsthaftigkeit. Mitfiebern ist damit nach wie vor garantiert, was jedoch weniger der leider sehr innovationsarmen Handlung an sich als vielmehr den spannenden und originellen Spionage- und Actionsequenzen zu verdanken ist. Sowohl die Infiltration des Moskauer Kremls als auch die Szenen im und am Burj Khalifa in Dubai, dem höchsten Gebäude der Welt, wurden großartig umgesetzt und lassen nicht nur den Puls der Protagonisten höher schlagen. Dafür sorgen auch die erfolgreich erzeugten Sympathien für das im Zentrum stehende und gut harmonierende Agententeam. War Ethan Hunt in den vorherigen Teilen der Reihe durchweg oder ab einem gewissen Punkt auf sich allein gestellt, agiert er hier fast ausschließlich in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen, was noch einmal für ein gehöriges Maß an Dynamik sorgt. Dies glückt in erster Linie dadurch, dass auch den anderen Teammitgliedern jeweils genügend Raum geboten wird, um sich ausreichend zu etablieren. Egal, ob Paula Patton («Déjà Vu») als attraktive und Rachepläne verfolgende Agentin, Jeremy Renner («Tödliches Kommando - The Hurt Locker») als schwer zu durchschauender Analyst oder eben Simon Pegg als leicht nervöser Computerexperte, sie alle wissen in ihren Rollen ohne Beanstandungen zu überzeugen.

Umso mehr fällt dafür auf, dass der primäre Antagonist des Films bedauerlicherweise außerordentlich blass bleibt. Das ist jedoch nicht dem talentierten und durch die schwedische Verfilmung von Stieg Larssons «Millennium»-Trilogie einem größeren Publikum bekannt gewordenen Michael Nyqvist, sondern zweifellos seiner undankbaren Rolle geschuldet, der nur wenig Leben eingehaucht werden kann. So tritt „Cobalt“ alias Kurt Hendricks den Film über kaum in Erscheinung. Und wenn er es dann doch mal tut, bleiben seine Auftritte nicht wirklich im Gedächtnis hängen. Die bedrohliche Präsenz, welche Oscarpreisträger Philip Seymour Hoffman im Vorgänger noch mit Bravour ausgestrahlt hat, wird hier zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd erreicht. Neben dem so hoch vorgelegten Tempo ist dies schließlich auch der Grund für das etwas enttäuschende Finale, das leider nicht ganz den furiosen Abschluss bildet, den der Rest des Films verdient hätte.

Alles in allem bleibt «Mission: Impossible - Phantom Protokoll» aber trotzdem ein äußerst unterhaltsamer Actionthriller, dem es vorzüglich gelingt, Humor und Spannung zu einem stimmigen Ganzen zu verbinden, ohne dass sich diese beiden Bereiche in die Quere kommen. Dem charmanten Team von Geheimagenten bei ihrer unmöglichen Mission beizuwohnen macht schlichtweg großen Spaß. Mit einem dem restlichen Film ebenbürtigen Finale, einem ausgefeilteren Bösewicht und der einen oder anderen originellen Handlungswendung hätte «Mission: Impossible - Phantom Protokoll» daher gar in den Olymp der Agentenfilme aufsteigen können. So reicht es allerdings wenigstens zum vordersten Platz innerhalb der Filmreihe.

«Mission: Impossible - Phantom Protokoll» ist seit dem 15. Dezember in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/53845
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