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Lieber Wolf Blitzer,

von
Wenn ich Sie mit Ihrem deutsch klingenden Namen auch noch so deutsch anrede, könnte man doch glatt meinen, dass Sie auch Deutscher seien. Irgendwie sind Sie das ja auch tatsächlich, denn am 22. März 1948 wurden Sie in Augsburg geboren. Dennoch haben Sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und wuchsen im US-Bundesstaat New York auf.

Und was sind Sie heute? Der wohl letzte News-Anchor vom alten Schlag im amerikanischen Fernsehen. Während es in den US-Nachrichtensendungen sowie Politmagazinen mehr und mehr zum Trend geworden ist, dass die Moderatoren ihre eigene Meinung in die Berichterstattung einbringen, die Lage bewerten und ein deutliches eigenes Standpunkteprofil – meistens passend zur politischen Ausrichtung des Senders – entwickeln müssen. Sie hingegen vertreten das klassische, journalistische Credo, welches Sie mal in einem Interview mit den Worten „Meine Meinung spielt keine Rolle. Ich fasse jede Seite hart an.“ beschrieben. Damit stehen Sie auch als Sinnbild für das Image Ihres Senders CNN da. Dort vertritt man den neutralen Journalismus, fällt damit jedoch auch schon seit geraumer Zeit in den Quotenniedergang. Zwar geht es den anderen US-Nachrichtensendern wie Fox News oder MSNBC auch nicht mehr so gut wie einst, doch können diese Kanäle sich mit einem strikten Standpunkt (konservativ, bzw. linksliberal) dennoch ganz gut halten und Ihr CNN in der Zuschauergunst durch populistische Berichte überholen.

Ihre Neutralität ist hingegen in der deutschen Berichterstattung im TV noch immer die Regel. Dies dürfte auch durch die Vorgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten nach wie vor hochgehalten worden sein. Insofern passen Sie, nicht nur wegen Ihres Namens und Geburtsortes, ganz gut zu uns. Folglich waren Sie am Montag dieser Woche nun auch in München zu Gast bei der Verleihung der „CNN Journalist Awards“. Ziel dieser Preise ist alljährlich die Förderung journalistischer Jungtalente aus anderen Teilen der Erde. Im Münchener Fall für jene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch dort vertraten Sie Ihre Philosophie. Sie kamen dabei sehr gut an und Ihr Nachrichtenmagazin «The Situation Room» sendete einmalig aus Ihrer Münchner Hotelsuite. Gute, extravagante Idee. Dafür mussten Sie sich dann aber auch vom Moderator der Preisverleihung, Cherno Jobatey, während derselben umschwärmen lassen. Alles kann man eben nicht haben. So auch wohl keine Kombination aus Qualität und guter Quote. Zumindest nicht in den USA. In Deutschland, Ihrem Geburtsland, ist das wenigstens noch im journalistischen Bereich möglich. Darum können wir froh sein.

Vertreten Sie ruhig auch noch die paar Jahre bis zum Ruhestand die deutsche Maxime im US-Nachrichtenfernsehen und lassen Sie sich nicht verbiegen. Nehmen Sie sich unseren Showmaster Kulenkampff zu Herzen und gehören Sie lieber weiterhin zum alten Eisen als zum neuen Blech! Und so altbacken präsentieren Sie sich ja nun auch wieder nicht: 500.000 Twitter-Abonnenten, viele Touch-Screens im Studio und ein Interview mit einem Hologramm im Jahr 2008 zeichnen Sie auch aus.
Und sollte dies alles nicht helfen: Lernen Sie Deutsch im Crash-Kurs und werden Sie noch kurzfristig Nachrichtenmoderator bei ARD oder ZDF.
Kult sind Sie in jedem Fall schon.

Alles Gute,
Gregor Elsbeck

Kurz-URL: qmde.de/49610
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