Interview

Benjamin Benedict: ‚Wir wollen die Diversität der Gesellschaft in unseren Produktionen abbilden‘

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Benjamin Benedict, UFA-Fiction Geschäftsführer und Produzent von «Ku'damm 63» und «Allmen und das Geheimnis der Erotik» spricht im Quotenmeter-Interview über seine Zuversicht, dass der Krimi-Boom noch anhalten wird, die besondere Herausforderung die «Ku'damm»-Reihe in die 1960er zu hieven und das geplante Musical zur Serie.

Sehr geehrter Herr Benedict, der bislang letzte «Allmen»-Krimi lief im Juli 2019 und kam auf eine Reichweite von 4,15 Millionen. Für einen Krimi wäre das heutzutage ein unterdurchschnittlicher Wert. Wie erklären Sie sich den aktuellen Krimi-Boom bei den öffentlich-rechtlichen?
In der Tat erleben wir in diesen Tagen gerade unglaubliche Zuschauerzahlen. Allerdings – das muss ich dem Quotenmeter ja nicht sagen – kommt es auch auf den relativen Anteil, eben die Quote, an und die war beim letzten „Allmen“ mit 16 Prozent sehr gut, zumal uns und die Degeto sehr viel begeistertes Feedback von Zuschauer:innen erreicht hat, die sich sehr über die Einzigartigkeit der Reihe freuen. Der anhaltende Krimi-Boom beweist einmal mehr die unerschütterliche Popularität des kriminalistischen Erzählens, die unschlagbare Kombination von Spannung und Unterhaltung, die dann noch in alle Lebensbereiche führt.

Nun spielt Heino Ferch nicht den klassischen Ermittler, sondern mit Johann Friedrich von Allmen eher eine Mischung aus James Bond und Danny Ocean. Die Filme folgen somit nicht den Ermittlungen, sondern eigentlich dem Bösewicht. Ist dies das Geheimnis des Erfolgs?
Für den Erfolg gibt es sicher einige Faktoren: die wunderbaren, originellen Figuren von Martin Suter, getragen von dem herausragenden Cast um Heino Ferch und Samuel Finzi mit wunderbaren Episodenrollen wie zum Beispiel Stefan Kurt und Devrim Lingnau, die jetzt die neue Sissi von Netflix wird. Das Talent hinter der Kamera um den Drehbuchautoren Martin Rauhaus, die Regie von Thomas Berger und seinem Team und die ausführende Produzentin Sinah Swyter. Schließlich ist die großartige Unterstützung der Degeto, Birgit Titze und Christoph Pellander, zu nennen, die das Format in seiner Originalität extrem schätzen und unterstützen. Und zu Allmen: Das Spannende an ihm ist, dass er sich nicht festlegen lässt und allen Konventionen immer entkommt.

Haben Sie trotzdem manchmal Angst, dass das Publikum von Krimis übersättigt wird und irgendwann aufhört einzuschalten?
Prognosen sind ja bekanntlich schwer, besonders wenn sie die Zukunft betreffen – wie Mark Twain treffend erkannte. Bei der Zukunft des Krimigenres bin ich aber sehr zuversichtlich, denn es gibt gute Gründe für den Erfolg. Und das Genre zieht auch immer wieder starke Talente an, weil es viele Variationen ermöglicht und dann eben auch erlaubt, fast schon soziologisch die unterschiedlichsten Milieus und Themen zu erkunden.

Der neue Film der Reihe heißt «Allmen und das Geheimnis der Erotik». Wird es so prickelnd, wie es der Titel verspricht? Worauf darf sich das Publikum freuen?
Wir wollen natürlich, dass die Zuschauer:innen sich ein eigenes Urteil bilden und entsprechend nicht zu viel verraten. Das Publikum kann sich aber auf eine große Spielfreude und eine besondere Kombination aus Spannung und Humor freuen. „Das Geheimnis der Erotik“ kann natürlich auch Allmen nicht endgültig lösen, aber es wird hier selbstironisch sehr unterhaltsam umkreist.

Kommen wir zu einem weiteren Projekt von Ihnen, das in Kürze ebenfalls weitergeht: «Ku’damm 63». Die Serie verlässt damit die 50er-Jahre und kommt in den bunten 60ern an. Welchen Einfluss hatte das auf die Produktion?
Damit haben wir uns natürlich sehr umfassend auseinandergesetzt. Annette Hess hatte von Anfang an seismographisch genau dem historischen Zeitgeist nachgespürt und kongenial ein neues Narrativ geschaffen, um die Zeit neu zu erzählen. Mit der Fortsetzung der Erzählung in einem neuen Jahrzehnt geht es stark um die Dynamik zwischen Konstanz und Veränderung. Dies ist nicht nur eine Frage sich verändernder Zeiten, sondern auch eine hoch individuelle Frage. Es gibt den klugen, leicht melancholischen Satz 'Wir beginnen alle als Originale und enden als Kopien'. Es stellt sich für uns alle die Frage, wie wir das bewahren, was uns besonders macht, welche Hoffnungen wir pflegen und welche wir aufgeben. Die zentralen Figuren von «Ku'damm» müssen sich der Frage stellen, wer sie sind, wer sie sein wollen und ob und wie sie sich verändern können und müssen. Für uns ist es sehr spannend mit den wunderbaren Talenten die Reise der Figuren fortzusetzen, diesmal mit einer neuen Regie von Sabine Bernardi und einem Writers Room, aber wieder in der bewährten Partnerschaft mit dem ZDF (Heike Hempel, Beate Bramstedt, Bastian Wagner) – wir hatten ganz intensive Gespräche zu den Fragen der zugrundeliegenden Themen, die sich in der Tat mit den 60er-Jahren noch einmal geändert haben.

In dieser Zeit entstand auch die zweite Welle der Frauenbewegung. In der neuen Staffel soll es um eine neue Unabhängigkeit der Frau frei von gesellschaftlichen Zwängen gehen. Ist dieses Thema nicht viel zu unterrepräsentiert in der Medienwelt? Wie kann man das in Zukunft noch prominenter platzieren?
Ohne hier in „Mansplaining“ verfallen zu wollen, das Thema ist unterrepräsentiert und zwar doppelt: Es ist trotz aller Veränderung auch heute noch unterrepräsentiert im Blick auf die Geschichte und es war extrem unterrepräsentiert in den jeweiligen historischen Epochen. Erst langsam dämmert den Menschen beispielsweise, dass die 60er-Jahre in allen Veränderungen und Aufbrüchen stark männlich bestimmt waren. Ein genauer Blick auf die Aufbrüche der Zeit zeigt, wie ungleich, wie wenig balanciert das war. Umso spannender, dass «Ku'damm» von Anfang an eine weibliche Perspektive auf die Historie gefunden hat, Annette Hess hat hier ein großartiges Narrativ geschaffen und es ist ein großes Glück, wie begeistert das Publikum das aufgenommen hat. Zur Frage der Repräsentation: Hier hoffe ich, dass das viel stärkere Bewusstsein für die „Blind Spots“ und Unterrepräsentation Raum schaffen wird für neue Erzählungen, das ist auch eine Debatte, die wir in der UFA sehr intensiv führen. Viele großartige Kolleg:innen sind hier an spannenden Entwicklungen, um die Vielfalt der Perspektiven in neue Projekte zu bringen.

In der Zeit, in der die Serie spielt, kamen auch erste Gastarbeiter nach Deutschland. Berlin ist heutzutage eine multikulturelle Metropole. Werden Gastarbeiter und Multikulturalität auch in «Ku’damm 63» Thema sein?
In Kudamm ist der Fokus stärker auf den Lebensfragen der Hauptfiguren, auch wenn wir in der Tanzschule einen sehr spannenden auch multikulturellen Strang mit einem neuen Tanzlehrer erzählen. Die Frage nach der multikulturellen Identität von Berlin ist für die UFA in vielen Entwicklungen sehr im Fokus. Wir haben uns ja sehr klar positioniert, dass wir die Diversität der Gesellschaft in unseren Produktionen abbilden wollen. Das Feedback dazu war sehr stark. Es ist toll zu sehen, wie vielfältige Erzählungen entstehen.

Setzen Sie in ihren Produktionen eigentlich bewusst auf Gleichberechtigung und Diversität?
Wie gesagt, wir diskutieren das sehr intensiv und haben in den letzten Jahren den Prozess und den Austausch in der Entwicklung neuer Stoffe noch einmal grundsätzlich neu aufgestellt. Für das gesamte vielfältige Development innerhalb der UFA ist es ein Glücksfall, dass sich UFA Fiction Geschäftsführerin Ulrike Leibfried im Dialog mit den Kolleg:innen federführend darum kümmert. Wir wollen das enorme kreative Potential in sehr viele eindrückliche Entwicklungen bringen und Gleichberechtigung und Diversität spielen dabei natürlich eine sehr große Rolle. Von der UFA Fiction werden zeitnah interessante Projekte zu sehen sein, wie die von Nataly Kudiabor und ihrem Team produzierte Serie «All you need» für die ARD Mediathek. Oder die von Disney angekündigte Serie «Sam» von Jörg Winger und Tyron Ricketts, die auf der realen Geschichte von Samuel Meffire basiert.

Die Dreharbeiten fanden mitten in der Corona-Pandemie statt. Wie sehr litt der Produktionsplan am Virus?
Es war natürlich eine enorme Herausforderung, da «Ku'damm» zu den Produktionen zählte, die unterbrochen werden mussten. Marc Lepetit in der produzentischen Führung und Dirk Ehmen als sehr erfahrener Herstellungsleiter haben hier zusammen mit Sabine Bernardi großartige Arbeit geleistet, immer im engen Austausch mit dem ZDF. Und ich möchte wirklich dem gesamten Team danken. Ich erinnere mich an einen Studio Drehtag vergangenen Sommer bei faktisch mehr als 40 Grad – und das Team hat unglaublich professionell unter den erschwerten Bedingungen mit Maske, Abstand, Tests ohne jede Klage durchgängig voller Energie gearbeitet. Das hat mich sehr beeindruckt. Überhaupt hat sich in der Corona-Krise bei allen Produktionen der UFA einmal mehr gezeigt, mit welcher Professionalität und Leidenschaft hier Tag für Tag gearbeitet wird.

Sowohl die «Ku’damm»- als auch die «Allmen»-Reihe ist im linearen Fernsehen sehr erfolgreich. Wie schneiden beide Formate in der Mediathek ab? Welcher Erfolg ist wichtiger?
Wir freuen uns natürlich über jede:n einzelne:n Zuschauer:in, die den Weg zum Programm findet. Ganz sicher ist es so, dass die Mediatheken immer wichtiger werden. Wir merken das entsprechend im Zuschauerverhalten. Ich finde, dass die Öffentlich-Rechtlichen ein tolles und vielfältiges Angebot in den Mediatheken zeigen, sehr gut intuitiv nutzbar, an den Interessensfeldern der Zuschauer:innen entlang entwickelt und stark kuratiert. In der Bewertung des Erfolges sind uns aber beide Auswertungsformen sehr wichtig. Wir sind jetzt entsprechend gespannt, drücken die Daumen und hoffen natürlich, dass auch alle Leser:innen dieses Interviews zu Zuschauer:innen werden.

Und jetzt «Ku’damm» auch auf der großen Musical-Bühne?
Ja, das ist ein großes Abenteuer. Da uns Filmmusik schon immer wichtig gewesen ist und man bei «Ku’damm» spürt, wieviel Musik auch mit Identität zu tun hat, und dass sie zum Innersten der Erzählung gehört, ist dieses Projekt einfach prädestiniert für die große Bühne. Das Musical ist im Bertelsmann-Verbund entstanden und die zentrale Rolle nimmt dabei die BMG mit ihrer Musik-Kompetenz ein. Die UFA Fiction ist als Produzent beteiligt. Peter Plate und Ulf Leo Sommer sind zwei ganz wunderbare Komponisten und die führenden kreativen Köpfe. Annette Hess hat als erzählerische Stimme das Libretto geschrieben. Wir freuen uns nun sehr, dass die Vorführungen Ende des Jahres starten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die UFA-Fiction-Produktion «Ku'damm 63» ist am Sonntag, Montag und Mittwoch jeweils um 20:15 Uhr im ZDF zu sehen und seit dem heutigen Samstag, 10 Uhr, in der ZDFmediathek abrufbar. «Allmen und das Geheimnis der Erotik» läuft am Samstag, 27. März um 20:15 Uhr im Ersten.

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