Die Kritiker

«Tatort: Das Monster von Kassel»

von

Ein eitler Moderator zerhackt seinen Stiefsohn: Doch anstatt daraus ein packendes Katz-und-Maus-Spiel zu entwickeln, begnügt sich der neue Frankfurter «Tatort» mit albernen Medien-Plattitüden.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Margarita Broich als Anna Janneke
Wolfram Koch als Paul Brix
Barry Atsma als Maarten Jansen
Christina Große als Constanze Lauritzen
Stephanie Eidt als Kirsten Rohde-Jansen
Justus Johanssen als Max Rohde
Zazie de Paris als Fanny

Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk
Drehbuch: Stephan Brüggenthies und Andrea Heller
Regie: Umut Dag
Kamera: Carol Burandt von Kameke
Maarten Jansen (Barry Atsma) moderiert eine dieser völlig beliebigen öffentlich-rechtlichen Vorabends-Talkshows und ist damit zu Kassels berühmtestem Sohn avanciert. Seine Zielgruppe: Leute, denen das rote Sofa vom NDR ein bisschen zu intellektuell ist. Kürzlich hat er seinem Stiefsohn nach einer Party aufgelauert, ihn kaltblütig ermordet, anschließend die Leiche fein säuberlich zerhackt und ihre Einzelteile an verschiedenen Orten in Frankfurt deponiert – und zwar derart, dass sie mit Sicherheit gefunden werden.

So endet man wohl, wenn man seinen üppigen Lebensunterhalt jahrelang damit bestreiten muss, wenig interessante Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu interviewen, die außer die abgestandensten Plattitüden nichts von sich zu geben wissen. Aber Maarten braucht diesen Job irgendwie, den Ruhm, die Anerkennung, die Alpha-Männchen-Performance – auch wenn er sich als eiskalter Psychopath hinter der Bühne Augentropfen verabreichen muss, um gleich angemessen verheult über das Verschwinden seines Sohnes zu lamentieren, das er natürlich medienwirksam ausschlachtet.

Die Frankfurter Kommissare Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) brauchen deutlich länger, bis sie zum Wissensstand des Zuschauers aufgeschlossen haben, dem Maarten schon von Anfang an als Mörder bekannt ist. Das Motiv bleibt zwar noch eine Weile unklar (Soziopathische Mordlust? Mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit? Rache? Angst, entdeckt zu werden?), ist aber für die Dramaturgie dieser Geschichte weitgehend irrelevant.

Prinzipiell könnte dieser Film von zwei Elementen leben: einem ausgekochten Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem krankhaft menschenverachtenden Schnulzenmoderator und den mit allen Wassern gewaschenen Ermittlern; oder einer ausführlichen psychologischen Betrachtung der mordenden Bestie, die im Licht der Öffentlichkeit ihr perfektes Versteck gefunden hat.

„Das Monster von Kassel“ will beides ein bisschen, und nichts so ganz: Erst zur Halbzeit ist bei Janneke und Brix endgültig der Groschen gefallen, wen sie da hinter Gitter bringen sollen – viel zu spät, um aus der brandheißen Situation noch etwas wirklich Faszinierendes, Spannendes zu machen: Man stelle sich einmal vor, die Autoren hätten ein bisschen radikaler gedacht und Jansen nach der Eröffnung, in der er die Leiche seines Stiefsohnes mit dem Beil zerhackt, direkt zu den Ermittlern ins Verhörzimmer gesetzt und dieses, außer vielleicht für ein paar Rückblenden, nicht mehr verlassen, während die beiden Frankfurter Profis Stück für Stück die Daumenschrauben anziehen, bis erst im letzten Moment die ganze Katastrophe offenbar wird.

Stattdessen muss auch der Schlussmoment betont knallig sein, und es schert nicht sonderlich, wenn er ob all der spalierstehenden Frauen, die der fesche Moderator vergewaltigt, betrogen und benutzt hat, völlig gekünstelt wirkt. Das Psychopathendrama wird ebenfalls auf beliebige Motive reduziert, die sich darauf beschränken, eine offenkundige Diskrepanz aus Heuchelei in der Öffentlichkeit und eiskalter Brutalität im Privaten darzustellen. Heraus kommt keine Dekonstruktion der eitlen Inszenierung oder der perversen Gesetzmäßigkeiten des Medienlebens, sondern nur die Enthüllung dessen, was eigentlich von Anfang an offenkundig war – und der nackte Kaiser ist nicht das psychologisch dichte „Monster von Kassel“, sondern seine Autoren, die eineinhalb Stunden lang nichts Neues zu sagen hatten.

Das Erste zeigt «Tatort – Das Monster von Kassel» am Sonntag, den 12. Mai um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/109280
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