Interview

«Babylon Berlin»-Produzent Stefan Arndt: 'Ein Chef, der alles bezahlt … das fördert nicht immer die Kreativität'

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Stefan Arndt kann über die Unkenrufe, Sky-Kunden würden für die Serie «Babylon Berlin» ja quasi doppelt bezahlen, nur den Kopf schütteln. Was er sonst über die aufwändige TV-Produktion zu sagen hat …

Wir drei Produzenten hatten einfach die Aufgabe den ganzen Wahnsinn zu dirigieren und den Regisseuren den Rücken freizuhalten. Das hätte aber nie geklappt, wenn nicht das ganze Team und die Schauspieler uns unheimlich unterstützt hätten.
Stefan Arndt
Welchen Gedanken hatten Sie, als sich herauskristallisierte, dass Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten «Babylon Berlin» durchweg zusammen drehen und schreiben, statt die Folgen untereinander aufzuteilen?
Das hat sich nicht herauskristallisiert, das haben die Produzenten auf Basis unserer «Cloud Atlas»- Erfahrung erarbeitet. Was bei «Cloud Atlas» mit zwei Teams ging, kann man ja auch mit drei Teams probieren. Außerdem finde ich es inhaltlich grandios, die sehr speziellen Begabungen dieser drei Regisseure in jeder einzelnen Folge kombiniert zu sehen.

Angesichts der drei Serienschaffenden mit so starker künstlerischer Handschrift, die obendrein als Trio durchweg für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichneten – wie würden Sie dem Außenstehenden Ihre Aufgabe bei der «Babylon Berlin»-Verwirklichung bezeichnen?
Wir drei Produzenten hatten einfach die Aufgabe den ganzen Wahnsinn zu dirigieren und den Regisseuren den Rücken freizuhalten. Das hätte aber nie geklappt, wenn nicht das ganze Team und die Schauspieler uns unheimlich unterstützt hätten.

Bei einer so langen Entstehungsgeschichte, wie sie «Babylon Berlin» aufweist, ist es quasi unvermeidlich, dass sich das Projekt zwischendurch wandelte. Welche großen stilistischen oder inhaltlichen Gesichtspunkte der Serie haben sich bis zum fertigen Werk verändert?
Im Detail hat sich nahezu alles verändert, die Hauptpunkte, also auf Deutsch drehen, den Charakteren Zeit zur Entwicklung geben, und den einzelnen Rollen alles Wissen um eine Zukunft zu nehmen, die sie ja gar nicht kennen können, das ist absolut unverändert geblieben.

Gab es im Laufe der langen Vorproduktion und Dreharbeiten einen Moment, an dem Sie dachten: "Okay, das Projekt scheint nun gestorben zu sein …" Wie wurde diese Krisensituation behoben?
Sorry, ab dem Zeitpunkt, an dem die Finanzierung stand, gab es keine desaströse Krise… jeden Tag eine kleine, aber keine große.

In der nächsten Staffel kommt der Börsencrash und die Menschen beginnen ein nun weiter verbreitetes Buch, «Mein Kampf», zu lesen. Wie bei Staffel 1+2 wissen wir nicht, ob sich das nun auch in unserer Realität wiederholt.

Stefan Arndt über die Zukunft von «Babylon Berlin»
Wie im Pressematerial und in den ersten Kritiken bereits treffend angemerkt wurde: Zuletzt hat die Gegenwart beunruhigende Parallelen zu dem Berlin anno 1929, das die Serie zeigt, entwickelt. Beeinflusst das die Perspektive, mit der nun die dritte Staffel angegangen wird?
Nein, wir sind sehr glücklich, dass die ersten Zuschauer erkannt haben, wie modern wir die 20er Jahre erzählen, dass es also eine Wechselwirkung über 100 Jahre hinweg gibt. In der nächsten Staffel kommt der Börsencrash und die Menschen beginnen ein nun weiter verbreitetes Buch, «Mein Kampf», zu lesen. Wie bei Staffel 1+2 wissen wir nicht, ob sich das nun auch in unserer Realität wiederholt.

Wie stellten Sie sicher, dass die Serie trotz der vielen Finanziers im Rücken die Vision von Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten durchweg verfolgt?
Ach, das ist uns schon bei Staffel 1+2 gelungen und die Reaktionen, die wir bekommen und die Kritiken, die gerade erscheinen, bestärken uns darin.

Wenn ich in Foren und Kommentarsektionen querlese, sehen die üblichen, unvermeidlichen Vorab-Unkenrufe im Fall von «Babylon Berlin» dieses Mal so aus, dass sich manche Sky-Nutzer 'abgezockt' fühlen, weil sie ja zwei Mal für die Serie bezahlt hätten – mit ihrem Rundfunkbeitrag und ihrem Sky-Abo. Was möchten Sie diesen Stimmen entgegnen?
Kinder, Kinder, «Babylon Berlin» ist eine internationale Großproduktion, unabhängig mit vielen Partnern finanziert, es ist wie im Kino, es gibt eine Verwertungskette mit Pay-TV, Free-TV, VoD, DVD und was alles noch erfunden werden wird. Wenn einer der Partner alles bezahlt hätte, hätten die Unkenrufe recht. SO etwas kann aber niemand alleine bezahlen und das ist gut so, denn nur so entstehen eigenständige Serien und Geschichten. Wie X-Filme das schon mit «Lola Rennt», ]]Good Bye Lenin]], «Cloud Atlas» und «Das weiße Band» gemacht hat. Ein Chef, der alles bezahlt … das fördert nicht immer die Kreativität.

Wenn ich es durchsetzen könnte, würde ich mir Filmfreaks einstellen und dafür sorgen, dass das Publikum vor jeder Vorstellung persönlich, fachkompetent begrüßt würde …
Stefan Arndts Wünsche fürs Kino
Eine Frage noch, die vom Thema «Babylon Berlin» wegführt (selbst wenn die Serie ja die Liebe zum Kino bereits im Titel trägt): Sie betreiben ja einige Kinos … Was ist Ihre Philosophie als Kinobetreiber? Wie müssen sich die Lichtspielhäuser künftig wandeln, um mit der Zeit zu gehen, ohne ihre Identität zu verlieren?
Die Kinos müssen zu Filmkompetenz-Centern werden, es ist der einzige Ort, an dem der Filmfreund den Film haptisch besuchen kann… Wenn ich es durchsetzen könnte, würde ich mir Filmfreaks einstellen und dafür sorgen, dass das Publikum vor jeder Vorstellung persönlich, fachkompetent begrüßt würde … Außerdem ist für mich «Babylon Berlin» ein Kinofilm von 12 Stunden Länge …

Vielen Dank für Ihre Antworten.
«Babylon Berlin» ist immer freitags ab 21 Uhr bei Sky 1 zu sehen.

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