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Fußball vom Versandhändler: Wie gut war die Amazon-Bundesliga zum Saisonstart?

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Zur Bundesliga-Saison 2017/2018 sicherte sich Amazon die Bundesliga-Rechte. Was der Online-Versandhändler sich erhofft, Fans verspricht – und zur ersten Bundesliga-Konferenz hielt.

Jetzt also auch Amazon. Häufig wurde im Rahmen der verschiedenen Rechteausschreibungen im deutschen Fußball auch der Name des Online-Versandhändlers ins Spiel gebracht, letztlich sicherte sich Amazon die Audio-Rechte an der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga und tritt damit in die Fußstapfen des Fußballradiopioniers 90elf und Sport1.fm, das bis vergangene Saison noch Fußball-Fans rein auditiv mit Kommentaren zu den Spielen versorgte. Vorerst insgesamt vier Spielzeiten erwarb Amazon, das sein Fußball-Angebot über die noch junge Amazon Music-App zur Verfügung stellt, die Platzhirsch Spotify langfristig ernsthaft Konkurrenz machen soll.

Amazon & die Bundesliga: Vorstoß mit Weitsicht


Zu den Audio-Übertragungsrechten an der 1. und 2. Fußball-Bundesliga

Der private Hörfunksender 90elf aus Leipzig, der am 13. August 2008 den Sendebetrieb aufnahm kennzeichnete den ersten Radio-Sender, der vollständige Live-Partien der Fußball-Bundesliga übertrug. Programmveranstalter Regiocast Digital GmbH hatte hierfür die Audioübertragungsrechte der 1. und 2. Fußball-Bundesliga für digitale Verbreitungswege von der DFL erworben. Mit der Rechteausschreibung zur Saison 2013/2014 verlor 90elf die Lizenz für Audio-Berichterstattungen, die Sport1 für seinen neu eingerichteten Radiosender Sport1.FM erwarb. Für vorerst vier Spielzeiten gingen die Rechte 2017 an Amazon.
617 Spiele, 1. Bundesliga, 2. Bundesliga, Relegation, DFB-Pokal und Supercup erwarten die Zuhörer künftig pro Saison, erstmals weltweit bietet Amazon damit eigene Livesport-Inhalte ohne Werbung an. Die Bundesliga-Rechte soll sich Amazon dabei fünf Millionen Euro haben kosten lassen. Online-Versand, Serien- und Filmstreams, nun Fußball. Was steckt hinter der sportlichen Expansion Amazons? Hinter dem Vorstoß in den Sportmarkt verbirgt sich freilich ein größerer Plan. Amazons Angebot Prime, in dem für Künden ursprünglich lediglich ein Express-Versand inbegriffen war, mittlerweile aber auch der Zugriff auf eine Online-Mediathek mit Filmen und Serien, eine E-Book-Bibliothek, Rabattaktionen und Lebensmittellieferungen, soll weiter wachsen. Mit der jüngsten Erweiterung Primes um das Audio-Streaming-Portal Amazon Music wurde der Weg auch frei für Audio-Streams wie solchen, die Amazon nun schon seit dem 28. Juli mit dem Saisonstart der 2. Bundesliga an den Mann bringt.

Mit allerlei inklusiven Dienstleistungen lockt Amazon Kunden zu Prime, teilweise testweise und für Studenten sogar ein Jahr lang kostenlos. Kundenbindung lautet das Stichwort, das derartige Kompromisse für Neukunden aus der Sicht Amazons mehr als erträglich macht, da diese dem Unternehmen erwiesenermaßen auch nach den Test-Abonnements treu bleiben und fleißig shoppen. Und wie könnte man im fußballverrückten Deutschland mehr Kunden zu Prime locken als mit dem schönen Spiel um das runde Leder – und Express-Versand, Online-Mediathek, E-Books, Rabatte und Lebensmittellieferungen gleich mit?

Aus dem Vorhaben, sein Angebot Prime mit der Bundesliga noch attraktiver zu gestalten, macht Amazon selbst keinen Hehl. Auf Quotenmeter.de Anfrage erklärte ein Sprecher, man denke bei Amazon immer vom Kunden rückwarts: „Das heißt, dass wir ständig unsere Services und Angebote verbessern und den Kunden immer mehr Inhalte anbieten wollen, die sie wirklich interessieren. Und Fußball interessiert die Deutschen definitiv! Durch das Bundesliga-Angebot wird die Prime-Mitgliedschaft noch wertvoller.“ Ähnlich ging Amazon in den USA vor, wo der Konzern sogar bereits Video-Rechte an American Football hält.

Das verspricht Amazon


Facts zur Amazon Bundesliga

  • Live-Streaming von 617 Pflichtspielen: Alle Spiele der Bundesliga und 2. Bundesliga in voller Länge, zusätzlich alle Relegationsspiele und der DFL Supercup.
  • Analysen, Kommentare und Interviews für jedes Einzelspiel, mit dem Start jeweils 15 Minuten vor Anpfiff und bis 15 Minuten nach Schlusspfiff, inklusive Halbzeitanalysen
  • Konferenzen für die Bundesliga und 2. Bundesliga mit separaten Kommentatoren-Teams bei gleichzeitigen Spielen. Analysen und Interviews ab 30 Minuten vor dem ersten Spiel des Tages. Ende des Spieltagprogramms eine Stunde nach dem letzten Abpfiff.
  • Podcasts «Bolzplatz» (dienstags) & «Zweierkette» (montags)
Dennoch will Amazon natürlich trotz aller strategischen Weitsicht auch inhaltlich ein attraktives Angebot zum Abruf bereitstellen. Noch immer zehrt Amazon dabei von den Strukturen, die einst 90elf als erstes Fußballradio in Deutschland aufbaute und die sich danach bereits Sport1.fm zunutze machte. Marco Röhling, der Amazons Kommentatorenteam leiten wird, begleitete die Spiele zusammen mit seinen neuen, alten Kollegen Oliver Faßnacht und Konni Winkler, mit denen Amazon ebenfalls in Pressemitteilungen wirbt, bereits in Diensten von 90elf und Sport1.fm. Gegenüber Quotenmeter.de äußerte ein Sprecher hinsichtlich dieser Personalentscheidung, man habe Kommentatoren gesucht, die am besten und passendsten für das redaktionelle Konzept seien.

Während Sport1.fm seinen Radiosender zum Launch 2013 zunächst mit 20 Leuten bestritt, stehen bei der Amazon Bundesliga bereits 50 neue Mitarbeiter in Lohn und Brot. Das liegt auch daran, dass Amazon mit seinen Bundesliga-Übertragungen neben Kommentatoren und Moderatoren zusätzlich allerlei Experten engagierte, wie sie im Fernsehen bereits längst üblich sind. Zu diesen zählen die Ex-Profis Timo Hildebrand, Maik Franz, Jens Nowotny und Ingo Anderbrügge, außerdem der ehemalige Freiburg- und Bremen-Trainer Robin Dutt für die Einordnung des Spielgeschehens, Ex-DFL-Präsident und Mainz-Präsident Harald Strutz, der Einsichten in Management- und Vereinsfragen geben soll sowie der langjährige DFB-Schiedsrichter Knut Kircher als Schiri-Experte. Mit Sportarzt Dr. Thorsten Dolla und Sportspsychologe Peter Wellbrock umfasst das Expertenteam sogar noch eine medizinische Komponente, Tobias Escher von Spielverlagerung.de gibt derweil Einblicke in taktische Fragen. Weitere Experten sollen hinzukommen.

Das hält Amazon


Gut besetzt, fast schon überbesetzt wirkt das Amazon-Team also vor Bundesliga-Start. Doch wie hört sich die Bundesliga bei Amazon in der Praxis? Je 30 Minuten vor Anpfiff der Spiele geht das Amazon-Team künftig mit Vorberichten auf Sendung, da stellt die klassische 15.30 Uhr-Konferenz am 1. Bundesliga-Spieltag keine Ausnahme dar. Pünktlich um 15 Uhr ging es an diesem 1. Fußball-Bundesliga-Spieltag also los mit Reporter Oliver Faßnacht (Foto), der im Studio Robin Dutt begrüßte, welcher sogar mit einem eigenen Einspieler angekündigt wurde, der die Vita Dutts Revue passieren ließ. Wie üblich widmeten sich Faßnacht und Dutt dabei vor dem Anpfiff den Ausgangspositionen und aktuellen Themen der Bundesligisten, die wenige Minuten später in die Saison starteten. Unterfüttert wurde die Studiomoderation mit Einspielern aus PK-Zitaten der Trainer oder kurzen Schalten zu den Reportern der Einzel-Spiele, die aus ihrer Sicht einen kurzen Ausblick auf die Spiele gaben und damit Vorlagen für Faßnacht und Dutt lieferten.

Von den Einzel-Spielen und ihren Reportern hatten die Nutzer dann auch die Möglichkeit, noch mehr zu hören: Ab 15.15 Uhr gehen bei Amazon Music jeweils individuelle Vorberichterstattungen der Begegnungen auf Sendung, die in der Halbzeit und nach Abpfiff auch spezifische Zwischen- und Nachberichte erhalten – insgesamt 45 Minuten Berichterstattung liefert Amazon damit zu jedem einzelnen Spiel. Faßnacht und Dutt handelten unterdessen als Konferenz-Personal die Begegnungen vorab recht kompakt ab, auch weil sie ab 15 Uhr nicht ganze 30 Minuten durch talkten, denn dazwischen gab Faßnacht als Moderator in Pausen ab, in denen Popmusik die Berichterstattung unterbrach – dafür ist das Angebot von Amazon Music werbefrei. Die Vorberichte ließen wenig Wünsche offen, boten aber auch nicht wirklich viel Neues. Immer wieder versuchte Faßnacht etwas zaghaft, Dutt ein paar Interna und Erfahrungen aus seiner Trainerzeit zu entlocken, der blockte allerdings meist ab, wodurch sein Engagement vorerst um einen deutlichen Mehrwert gebracht wurde, den Dutt schließlich nach den ersten 45 Minuten ansatzweise anbringen konnte, als Faßnacht ihn sich in Wolfsburg-Trainer Andries Jonker versetzen ließ.

Bis zur achten Minute ließen sich die Bundesligisten nach Anpfiff Zeit, um das erste Tor zu erzielen, das Amazon Music in seiner Samstags-Konferenz der 1. Bundesliga je übertragen hat. Wer bereits Erfahrung mit Radioübertragungen der Bundesliga gemacht hat, weiß, dass die Kommentatoren im digitalen Hörfunk deutlich mitreißender, emotionaler, auch salopper und Fan-näher die Spiele begleiten, insbesondere natürlich bei Toren, wo sich deutsche Fernsehreporter häufig den Vorwurf gefallen lassen müssen, zu schnarchnasig zu reagieren.

Diesbezüglich hebt sich die Konferenz bei Amazon Music nicht ab – kein Wunder, schließlich übernahm Amazon viele 90elf- und Sport1.fm-Veteranen, die ihrem Stil treu bleiben und die Nutzer souverän mit Informationen und Eindrücken versorgen. Ansonsten fielen im Vergleich zur Bundesliga-Konferenz im Fernsehen zunächst vor allem die schnellen Wechsel zwischen den Spielen auf. Hier lässt sich das Fernsehen etwas mehr Zeit, aufgrund der fehlenden Bilder sind Hörfunkübertragungen aber natürlich gezwungen, die aktuelle Spielsituation möglichst schnell und verständlich zu vermitteln, während das Fernsehen auch Wiederholungen relevanter Szenen einblenden kann, um die Zuschauer wieder auf den neuesten Stand zu bringen.

Recht knapp fiel die erste Halbzeit-Analyse am Bundesligasamstag aus. Nach Bewerbung der zweiten Bundesliga bei Amazon und Musik blieben Faßnacht und Dutt noch etwa neun Minuten, in denen erst die aktuellen Spielstände wiedergegeben wurden, dann noch einmal der Dutt-Einspieler bemüht und schließlich der Fokus auf die zu diesem Zeitpunkt schon 2:0 führenden Dortmunder gelegt wurde. Zu den verbleibenden Partien fielen dann nur noch wenige Sätze. Dennoch kam Experte Robin Dutt dabei an seine Grenzen, der gegenüber den Zuschauern gestehen musste, dass es für ihn ein Novum darstelle, fünf Spiele gleichzeitig schauen und einordnen zu müssen. Trotzdem zeigte der Ex-Trainer in diesem ersten Einsatz ‚gute Ansätze‘, wie man im Trainer-Sprech des deutschen Fußballs wohl sagen würde. Seine Fähigkeit kann man Dutt jedenfalls nicht absprechen.

Der Erkenntnisgewinn fiel nach dem 1. Bundesliga-Spieltag aus sportlicher Sicht gewohnt hoch aus, schließlich erhielten die Zuschauer erstmals in der neuen Saison einen Eindruck von der Form der Mannschaften in Pflichtspielen gegen Ligagegner. Dass Amazon daher auch eine Stunde nach Abpfiff noch analysiert, nachbespricht und den Verlauf der nächsten Begegnungen orakelt, scheint also durchaus gerechtfertigt. Ob sich dieses Konzept aber über eine ganze Saison trägt, bleibt abzuwarten. Diesen Umfang seiner Berichterstattung plant Amazon im Rahmen der Samstags-Konferenz jedenfalls beizubehalten, auch an weniger ereignisreichen Spieltagen. So kann sich der Online-Versandhändler zumindest auf die Fahnen schreiben, mehr redaktionelle Inhalte als jemals zuvor zu bieten.

Fazit


Weiterentwicklung der Bundesliga im Hörfunk oder ‚more of the same‘? Nach Spieltag eins kann man konstatieren, dass sich Zuhörer, die schon die Bundesliga bei Amazons Vorgängern im digitalen Hörfunk verfolgt haben, ihre Ansprüche nicht verringern müssen. Neben den altbewährten Kommentatoren der früheren Anbieter, die Amazon engagierte und die damit die Qualität während des Spiels hochhalten, investierte Amazon vor allem in ein großes, alle Facetten abdeckendes Expertenteam.

Nachdem Robin Dutt zur Samstagskonferenz am 1. Spieltag den Anfang machte, stellt sich in Sachen Experten jedoch erst einmal die Frage, ob Amazon es schaffen wird, jeden Spieltag die passenden Experten einzusetzen. Vor welchen Spieltagen sind ehemalige Trainer und Funktionäre gefragt, wann ehemalige Spieler oder medizinische Fachmänner? Dies lässt sich häufig vor den Partien nicht sagen, deswegen läuft Amazon Gefahr, dass die Expertise seines Teams eventuell versandet. Ansonsten gilt für Zuhörer der Bundesliga aber erst einmal, durchzuatmen: Auch weiterhin lässt sich die Bundesliga ohne Qualitätsverlust rein auditiv genießen.

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