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«Tote Mädchen», «Breaking Bad» und Co.: Wie Serien unsere Gesellschaft verändern

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Mehr Selbstmorde nach «Tote Mädchen lügen nicht»? Mehr Drogenverkäufe nach «Breaking Bad»? Wie Serien im realen Leben nachwirken, zeigen wir an vier Beispielen.

1. Wie «Breaking Bad» auf den Meth-Konsum wirkte
Eine der prägendsten Serien der frühen Ära der Qualitätsserien war «Breaking Bad». Die Geschichte um einen armen Familienvater, der zum einflussreichen Produzenten der Droge Crystal Meth wird, haben Millionen Zuschauer verfolgt. Aber ist auf die Serie auch ein Anstieg des Drogenkonsums zurückzuführen? Zumindest haben sich die Rahmenbedingungen während der Zeit der Ausstrahlung stark verändert: Der Straßenpreis der Droge sei um rund drei Viertel gefallen, gleichzeitig stiegen die Qualität und die produzierte Menge. Zumindest in den USA gab es während «Breaking Bad» keinen Anstieg der Meth-Abhängigen, wie Zahlen belegen. Dies ist aber vermutlich eher auf eine bessere Arbeit der Behörden zurückzuführen, die mehr Meth beschlagnahmen konnten.

In Europa dagegen gibt es viele Stimmen, die «Breaking Bad» für einen starken Popularitätsschub der Droge verantwortlich machen. In Deutschland beispielsweise stieg die Zahl der Konsumenten bis 2013 auf über 2700. Das waren achtmal so viele wie fünf Jahre zuvor. Die von der Polizei konfiszierte Menge hat sich im selben Zeitraum auf 77 Kilo verzehnfacht. Ähnliche Zahlen gibt es aus anderen europäischen Ländern. Zumindest eines ist klar: «Breaking Bad» hievte die Bekanntheit von Meth auf ein neues Level und verankerte sie in der Popkultur – zumindest als audiovisuelles Vehikel für eine spannende Geschichte.

2. «Tote Mädchen lügen nicht» löst Suizid-Diskussionen aus
Die Internet-Boulevardmedien sind voll von Meldungen über Jugendliche, die sich angeblich von der Serie «Tote Mädchen lügen nicht» zum Selbstmord inspirieren ließen. Ein peruanischer Mann soll sogar den Tod von Hannah Baker nachgestellt und Tapes hinterlassen haben, die seinen Suizid erklären. Eindeutig ist jedenfalls, dass die populäre Teen-Serie eine kontroverse Debatte ausgelöst hat – und damit auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat. Netflix kommentiert: „Während viele unserer Kunden die Show als wertvollen Treiber ansehen, um wichtige Diskussionen mit ihrer Familie zu starten, haben wir auch die Stimmen von denjenigen gehört, die denken, dass die Serie zusätzliche Warnungen beinhalten sollte.“

Nach der Diskussion hat Netflix mehr entsprechende Informationstafeln vor die Serie geschaltet, außerdem eine Website eingerichtet, die auf Suizidhilfe in verschiedenen Ländern verlinkt. Wissenschaftler haben die zusätzliche Aufmerksamkeit für das Thema Selbstmord auch statistisch festgehalten: Nach der Veröffentlichung der Serie seien die Google-Anfragen rund um den Begriff „suicide“ signifikant gestiegen, bei der Suchanfrage „how to commit suicide“ beispielsweise um 26 Prozent.

3. «Friends» prägte den Lifestyle der twentysomethings
…und zwar vermutlich mehr als jede andere Serie ihrer Zeit. Ab 1994 gehörte die Dramedy stets zu den meistgesehenen Serien im amerikanischen Fernsehen, mit jeweils immer mehr als 20 Millionen Zuschauern im Durchschnitt. Professorin Elayne Rapping sieht in dem Format einen der größten und ersten Vertreter des sogenannten Jugendwahns – oder milder ausgedrückt: „«Friends» ist ein Zeichen dafür, dass wir jetzt in einer Zeit leben, in der die Jugend regiert, und in der das Bild der Jugendlichkeit das dominante Bild unserer Kultur geworden ist.“ Gemeinsam mit «Beverly Hills 90210» sei «Friends» eine der ersten Serien gewesen, die junge Menschen in ihrem Alltag zeigte, ohne dass wichtige Elternfiguren bestünden. Damit prägten diese Formate das neue Nicht-Familienbild moderner unabhängiger Großstädter ohne traditionelle familiäre Bindungen. Das dargestellte Alltagsleben als Single galt durch «Friends» nicht mehr als defizitär, sondern als cool. Laut einer Studie waren 58 Prozent der Zuschauer selbst Singles. Auch ganz pragmatisch wirkte «Friends» auf die Gesellschaft: Rund 11 Millionen Menschen in den USA sollen den Haarschnitt von Rachel während der ersten beiden Staffeln getragen hat – er bekam den Spitznamen „The Rachel“.

4. Jetzt spricht man «Seinfeld»
Noch vor «Friends» prägte die Sitcom «Seinfeld» das Lebensgefühl der US-Amerikaner wohl wie keine andere Serie zu ihrer Zeit. Dies ist zuallererst daran ersichtlich, dass viele Worterfindungen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind: So die catchprase „yada, yada, yada“, um Geschichten abzukürzen, oder „spongeworthy“ für den Wert eines Menschen als Sexualpartner. Einige solcher Wörter existierten bereits vor «Seinfeld», sind aber erst durch dessen Popularität in der amerikanischen Sprache und Popkultur verankert worden. Die Autorin Jennifer Armstrong hat sogar kürzlich ein Buch über die Auswirkungen von Seinfeld auf die amerikanische Kultur herausgebracht, fast 20 Jahre nach dem Ende der Serie. Den anhaltenden Einfluss der Serie erklärt Armstrong unter anderem mit der Identifizierbarkeit der Charaktere. Die Zuschauer „müssen entweder glauben, dass sie jemanden kennen, oder sie müssen mit ihm mitfühlen. Fernsehen erlaubt uns, Diskussionen zu führen, ohne dass sie konfrontativ sind.“ «Seinfeld» habe „so viele Einflüsse auf unser Leben, so wie die Witze über airing our grievances oder den Soup Nazi“, erklärt sie.

Einen weiteren Punkt spricht der Journalist Joshua First in einem Artikel über den kulturellen Einfluss der Serie an: «Seinfeld» könne als Trendwende gesehen werden, „nicht nur in der amerikanischen Comedy, sondern auch in der Art, wie US-Amerikaner – speziell jüdische – sich selbst und ihre Beziehungen mit ihrer Umwelt sehen.“ Kritisch merkt er auch an, dass die Show Egoismus als gerechtfertigt darstellt: Jerry Seinfeld personifiziere den Menschen, der sich über diejenigen aufregt, die weniger kulturelle und ökonomische Macht als er besitzen. Er und seine Freunde seien verärgert über Unannehmlichkeit, nicht über Ungerechtigkeit. „Die Serie glorifiziert einen egozentrischen Konservatismus, der damals neu war, aber heute leider die Norm geworden ist, besonders unter liberalen jüdischen Einwohnern in New York.“

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