Die Kino-Kritiker

«Wonder Woman»

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Mit «Wonder Woman» macht sich die erste weibliche Superheldin des aktuellen Comic-Blockbuster-Booms auf, ihren Widersachern ordentlich in den Hintern zu treten.

Filmfacts: «Wonder Woman»

  • Kinostart: 15. Juni 2017
  • Genre: Fantasy/Action
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 141 Min.
  • Kamera: Matthew Jensen
  • Musik: Rupert Gregson-Williams
  • Buch: Allan Heinberg
  • Regie: Patty Jenkins
  • Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Connie Nielsen, Robin Wright, Danny Huston, David Thewlis
  • OT: Wonder Woman (USA/CN/HGK 2017)
Im Rahmen unserer Kritik zur Fantasyaction-Komödie «Ghostbusters» schrieben wir erst im vergangenen Jahr über die mal mehr, mal weniger geglückte Emanzipation im internationalen Unterhaltungsfilm, da erscheint nun mit «Wonder Woman» der Blockbuster in den Kinos, auf den – so scheint es – nicht nur Liebhaber starker Frauenfiguren, sondern auch Fans gelungener Comic-Adaptionen so sehnlichst gewartet haben. Schaut man auf die jüngere Historie des DC-Universums zurück, hat der direkte Konkurrent der mit einem deutlich wohlwollenderen Kritiker- und Zuschauerfeedback gesegneten Marvel-Studios ein qualitatives Highlight ohnehin bitter nötig. Seit dem zwiespältig aufgenommenen «Man of Steel» schrumpfte die Fanbase des Comicriesen dank «Batman v Superman: Dawn of Justice» und «Suicide Squad» auf den harten Kern zusammen, der sich die Durststrecke hin zum nächsten gelungenen DC-Film auch gern mit obskuren Verschwörungstheorien versüßt. Wie etwa, dass Filmjournalisten ohnehin alle von Marvel geschmiert sind und daher aus Geldgier die von ihnen eigentlich geliebten DC-Filme verreißen.

Nach jüngsten Pressescreenings in den USA, phänomenalen Kritikerstimmen (von einem anfänglichen Rotten-Tomatoes-Wert von 97 Prozent für «Wonder Woman» ist der Film bislang nur auf einen immer noch übermäßig starken Prozentsatz von 93 abgestürzt) und gemischt-geschlechtlichem Jubel von Seiten der Kinogänger schien es tatsächlich so, als hätte das Duo aus Gal Gadot («Die Jones – Spione von nebenan») und Regisseurin Patty Jenkins («Monster») mit seinem Film den längst überfälligen Befreiungsschlag für das gebeutelte DC-Universum geschaffen. Doch mit der Ausnahme, dass wir es hier endlich mal mit einer weiblichen Heldin zu tun haben, machen die Inszenatoren auch in «Wonder Woman» genauso viel falsch, wie ihre männlichen Kollegen zuvor – denn ob ein Film gut oder schlecht ist, hat eben einfach überhaupt nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Eine Superheldin an der Kriegsfront


Vor ihrem Siegeszug als Wonder Woman wurde die Amazonenprinzessin Diana (Gal Gadot) zu einer unüberwindlichen Kriegerin ausgebildet. Sie wuchs in einem abgelegenen Inselparadies auf – erst von dem notgelandeten amerikanischen Piloten Steve (Chris Pine) erfährt sie von den fürchterlichen Konflikten im Rest der Welt. Daraufhin verlässt sie ihre Heimat, weil sie überzeugt ist, dass sie der bedrohlichen Situation Herr werden kann. In dem Krieg, der alle Kriege beenden soll, kämpft Diana an der Seite der Menschen, entdeckt allmählich ihr volles Potenzial… und ihre wahre Bestimmung.

Es ist zweifellos tragisch, was für ein Wirbel schon im Vorfeld um «Wonder Woman» gemacht wurde, bloß weil hier zum ersten Mal im Rahmen des aktuell das Kinogeschehen bestimmenden Comicfilm-Hypes eine Frau als Heldin den Ton angibt. Eigentlich sollte diese Tatsache nicht für ein solches Aufsehen sorgen, doch wie man es zuletzt schon bei der weiblich besetzten Neuauflage des «Ghostbusters»-Films gesehen hat, sind Männer in prägenden Heroen-Rollen derart überdominant, dass es direkt für einen Aufschrei sorgt, sobald diese augenscheinlich naturgegebene Ordnung einmal durcheinander gebracht wird. Insofern ist ein Projekt wie «Wonder Woman» zwar bitter nötig, um ein Gefühl für weibliche Selbstverständlichkeit im Blockbusterkino zu schaffen, doch die Art und Weise, wie die ständige Fokussierung des geschlechtlichen Unterschieds hier vonstatten geht, stellt sich dem anvisierten Ziel der gelebten Gleichberechtigung vollständig in den Weg. Und so zynisch es auch klingen mag, so ist es fast ein Segen, dass eine andere Tatsache die hier geleisteten Fehlschläge auf einer Meta-Ebene wieder aufwiegen kann: die Erkenntnis, dass ein guter Film nicht davon abhängig ist, ob die Leute vor und hinter der Kamera männlich oder weiblich sind.

Denn auch Frauen sind nicht davor gefeit, in dieselben Fettnäpfchen zu treten, wie ihre männlichen Kollegen. Auch «Wonder Woman» zelebriert Klischees am laufenden Band, geht an seiner für das Setting viel zu ernsten Inszenierung fast zugrunde und greift lieber auf schlechte CGI-Effekte und mies integrierten Greenscreen zurück, anstatt sich auf echtes Handwerk und Originalschauplätze zu konzentrieren. All das der Tatsache unterzuordnen, dass die physisch auf den Punkt trainierte Gal Gadot hier einen absolut soliden, wenn auch nicht annähernd so souverän-selbstverständlichen Job macht wie ihr Kollege Chris Pine («Hell or High Water»), wäre da das absolute Gegenteil von Feminismus – nur anhand des Geschlechts der Hauptfigur auf die Filmqualitäten zu schließen, funktioniert sonst schließlich auch nicht.

Ein dringend nötiger Film in miserabler Ausführung


Schon im Prolog fühlt man sich direkt an die teilweise miserable Optik des Monster-Spektakels «Kong: Skull Island» erinnert, wenn eine Handvoll Amazonen in spektakulärer Zeitlupe aufsehenerregende Nahkämpfe ausübt, während man von Weitem erkennt, dass all das hier nicht vor Ort, sondern in irgendeinem Studio aufgenommen wurde. Das rückt die obskure Grundlage der Geschichte fast in den Hintergrund, denn auch, wenn die Story der in einem Inselparadies frei von Männern aufwachsenden Frauen irgendwo in der griechischen Mythologie verankert sein mag, so ist es schon verrückt, dass die Idee der von Grund auf bösen Männer und der genau gegensätzlich gezeichneten Frauen hier für emanzipatorisch wertvoll erachtet wird, wo diese Prämisse die Kluft zwischen den Geschlechtern doch eigentlich nur noch mehr aufreißt. Natürlich ist an der Selbstverständlichkeit, ausschließlich Männer sollten im (Super-)Heldenfilm die ausführende Heroen-Rolle innehaben, genauso viel falsch.

Doch Emanzipation bedeutet nicht, die Frauen über die Männer zu stellen, sondern den Gutwillen durchzusetzen, Mann und Frau gleichbedeutend auf einer Ebene zu betrachten. So aber ergötzen sich Patty Jenkins und ihr Drehbuchautor Allan Heinberg («Grey’s Anatomy») lieber permanent an der Betonung des geschlechtlichen Unterschieds und bremsen das Geschehen damit selbst dann aus, wenn die Umstände das überhaupt nicht mehr hergeben. Denn eigentlich ist «Wonder Woman» fest im DC-Superheldenkosmos verankert und funktioniert damit dramaturgisch genau so, wie sämtliche andere Geschichten aus dem Comicuniversum (übrigens mitsamt alberner Diana-schreibt-eine-Mail-an-Bruce-Wayne-Klammer, die für die eigentliche Handlung überhaupt keine Rolle spielt).

Mini-Veto: Eine Zweitmeinung

Kollegin Antje ist etwas zu kritisch, wenn sie «Wonder Woman» wegen der Amazonen-Weltsicht einen Seitenhieb verpasst. Die Titelfigur und die Frauen, die sie großgezogen haben, sind nun einmal Amazonen, und da sind ihre Gedanken über Männer mythologisch vorprogrammiert – Ende. Die sexistischen Sprüche im fünften «Pirates of the Caribbean»-Teil sind ja auch kein Problem – sie kommen von Figuren, die es historisch nicht besser wissen würden, und es ist halt zwischen "Sicht einer Figur" und "Sicht der Filmverantwortlichen" zu trennen. Sonst unterschreibe ich alles, was meine Kollegin schreibt: Feministisch ist «Wonder Woman» längst nicht das Paradebeispiel, dass der US-Konsens aus der Produktion macht (sonst müsste die Titelheldin nicht von einem Mann den Gang der weltlichen Dinge erklärt bekommen –sie würde von allein Lernfortschritte machen). Die Effekte sind zeitweise zum Fremdschämen. Und der dritte Akt gleicht mit seinen Holzhammer-Dialogen, seiner monotonen CG-Haufdraufaction sowie seiner wackligen Dramaturgie den gelungenen Mittelteil leider wieder aus.
Mini-Kritik von Sidney Schering
Mit dem Auftauchen des aus dem Kriegsgebiet geflohenen Spions Steve Taylor – gespielt von einem angemessen ironisch auftretenden Chris Pine, der agiert, als befände er sich gerade in einem ganz anderen Film – beginnt der eigentliche Konflikt, wenn sich die furchtlose Diana ihm anschließt, um mit ihren Superkräften gegen den Feind vorzugehen. Tatsächlich beginnt «Wonder Woman» im zweiten Akt, richtig Spaß zu machen. Die vollkommen ohne Männer, jenseits der herkömmlichen Zivilisation aufgewachsene Diana entdeckt das London des 20. Jahrhunderts mit kindlicher Naivität und macht treffende, immer noch erschreckend aktuelle Beobachtungen; etwa wenn sie nur ihres Geschlechts wegen aus dem britischen Parlament komplimentiert wird und kurz darauf die aktuelle Lage des Landes treffender analysiert, als die vermeintlich gebildeteren (und vor allem männlichen) Politiker. Auch ein spektakulär choreographierter Nahkampf in einem Londoner Hinterhof beweist, dass «Wonder Woman» visuell viel bieten könnte, sofern sich Patty Jenkins und ihre Gefolgschaft nicht permanent auf Effektorgien aus dem Computer verlassen.

So gerät der Mittelteil gleichsam unterhaltsam wie fesselnd, denn durch die fehlgeleitete Idee von Diana, dass es sich bei dem feindlichen Anführer General Ludendorff (Danny Huston) um den Kriegsgott Ares handelt, mit dessen Ableben sämtliches Kriegsgeschehen auf der Erde ad hoc ein Ende nehmen würde, besitzt «Wonder Woman» auch direkt eine emotionale Fallhöhe (denn was passiert, sollte sich zeigen, dass Diana einem Irrglauben aufgesessen ist?). Doch es bleibt bei Potenzial, aus dem Regie und Autor nichts herausholen können.

Einen Großteil dazu trägt vor allem die Zeichnung der Hauptfigur bei. Tough, selbstbewusst und angstfrei auf der einen Seite (auch wenn es schon arg plakativ und klischeehaft inszeniert ist, wie Wonder Woman in Super-Slow-Motion durch das sogenannte No Man‘s Land schreitet, um als Ablenkung die Kugeln der Gegenseite abzufangen), bleibt die kaum näher charakterisierte Diana bis zuletzt eine naive, sich nicht auf ihr neues Umfeld einlassende Amazone, bei der ihre beständig bestehen bleibende Unwissenheit mit fortschreitender Spieldauer immer mehr anstrengt. Wichtige Zusammenhänge erkennt Diana nie alleine. Stattdessen muss Steve ihr selbst dann einmal mehr die Welt erklären, wenn die Lösung für ein wichtiges Problem direkt vor ihr liegt. Auf das Wesentliche herunter gebrochen bedeutet das entsprechend, dass diese Wonder Woman zwar eine gute Kämpferin ist, sie das Denken allerdings Anderen überlassen sollte – knüpft man hier nun wieder an den Feminismusgedanken vom Beginn an, stellen sich die Macher also spätestens dann ein Bein, wenn sie ihre Hauptfigur auf das Dasein als (zugegebenermaßen äußerst fähige) Kriegerin reduzieren.

Wer nun allerdings hofft, «Wonder Woman» könne dann wenigstens auf optischer Ebene überzeugen, den belehrt spätestens das Finale eines Besseren; hier machen sich nicht bloß die Einflüsse von Zack Snyder bemerkbar, der am Drehbuch zum Film mitschrieb. Er bleibt sich auch so klar in seinem Effektgewitter-Bombast treu, dass die letzte halbe Stunde ebenso gut in «Batman v Superman» stattfinden könnte – als Zuschauer würde man es vermutlich nicht merken.

Fazit


Das war (schon wieder) nix! Auch «Wonder Woman» kann nicht dafür sorgen, dass sich das DC-Universum aus seinem qualitativen Tief befreit. Mit Ausnahme einiger nett inszenierter Nahkampfszenen, ordentlichen Darstellern und ein wenig Humor im Mittelteil ist auch dieser Blockbuster ein mit wenig ansprechendem CGI vollgestopftes, weitestgehend seelenloses und sich viel zu ernst nehmendes Fantasyaction-Spektakel, das seinen feministischen Gedanken vollkommen verfehlt

«Wonder Woman» ist ab dem 15. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D!

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