Die Kritiker

«Tatort - Nachtsicht»

von

Ein Film, der unter seinen Möglichkeiten bleibt und durch die intime Nähe zu seinen Figuren doch gefällt.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sabine Postel als Hauptkommissarin Inga Lürsen
Oliver Mommsen als Hauptkommissar Stedefreund
Camilla Renschke als Helen Reinders
Luise Wolfram als Linda Selb
Moritz Führmann als Kristian Friedland
Rainer Bock als Jost Friedland
Natalia Belitski als Tajana Noack

Hinter der Kamera:
Produktion: Bremedia Produktion und Bavaria Fernsehproduktion
Drehbuch: Matthias Tuchmann und Stefanie Veith
Regie: Florian Baxmeyer
Kamera: Hendrik A. Kley
Produzent: Ronald Mühlfellner
In Bremen mehren sich über Monate die Todesfälle von jungen Männern, die nachts mit dem Auto überfahren werden. Absichtlich, mehrmals. Lürsen (Sabine Postel), Stedefreund (Oliver Mommsen) und bald auch alle ihre Kollegen gehen von einem Serientäter aus.

Einen Verdacht haben sie schnell, eine Reihe von Indizien auch: Kristian Friedland (Moritz Führmann) arbeitet in einer Werkstatt als Maler und Lackierer, sitzt also an der Quelle, wenn es darum geht, den Wagen nach den Mordsfahrten wieder instand zu setzen. Friedland ist ein in sich gekehrter Mann, der auf die vierzig zugeht, verschwiegen, distanziert, ruhig, zu ruhig. Er steht sonderbar stark unter der Fuchtel seines Vaters, eines angesehenen, wohlhabenden Lebensmittelchemikers kurz vor der Pensionierung. In seiner Beziehung zu seiner gehbehinderten Partnerin Tajana (Natalia Belitski) wirkt Friedland trotz oberflächlicher Bemühungen unnahbar.

Ein Serienmörder. „Geil“, findet Profilerin Linda Selb (Luise Wolfram), immer noch die schwächste Figur auf dem Bremer Kommissariat, voll aufgesetzter, aber trivialer Widersprüche: weiblich, aber abgebrüht. Intellektuell, aber direkt. Die offene Führung des (einzigen?) Täters stellt die Folge gleichsam vor strukturelle Probleme, insbesondere, weil sich die Autoren zumindest im ersten Drittel nie so recht entscheiden können, wie offen sie diesen Krimi führen wollen.

Das lenkt ab von dem eigentlich spannenden Thema: dem Psychogramm des (potentiellen?) Psychopathen Kristian Friedland, eine Figur, die lange zu oberflächlich geführt wird, deren pathologischer Seelenzustand zu lange im Diffusen bleibt, weil man noch nicht so ganz mit der Sprache rausrücken will, ob er nun wirklich all die jungen Männer in Norddeutschland zusammenfährt. „Nachtsicht“ hätte ein hervorragender Film werden können – er führt bei weitem genug interessante, einnehmende Konflikte ein, und jede der erstklassig besetzten prominenten Episodenrollen ist im Kern feinsinnig und stimmig entworfen. Doch die Narrative leidet an der dramaturgischen Unentschlossenheit, in deren Folge zu lange eine völlig unnötige Whodunnit-Struktur aufrechterhalten wird, die für die Spannung und die Figurenführung überhaupt nicht notwendig ist.

Man sieht die vielen guten Ansätze, doch sie werden nicht konsequent durchdacht und wirken in ihrer zu starken Verkürzung manchmal gar karikaturhaft: Das Thema eines Vaters, der aus Liebe zu seiner todkranken Frau seinen wahrscheinlich gemeingefährlichen Sohn vor Strafe und Schande bewahrt, ist das Gehaltvollste dieses Films. Nicht viel weniger einnehmend ist das Drama um eine junge gehbehinderte Frau, die mit ihrem Schicksal hadert und gar nicht so genau wissen will, mit wem sie da liiert ist, sofern die oberflächliche rudimentäre heile Welt bestehen bleiben kann. Und freilich hat auch der Stoff um einen krankhaften Serienmörder, ein filmisches Thema so alt wie Fritz Langs «M – Eine Stadt sucht einen Mörder», immer noch enormes narratives Potential. „Nachtsicht“ scheitert daran, dass viel von diesem Potential ungenutzt bleibt, und gleichzeitig glückt es diesem «Tatort», trotz aller unnötigen Verkürzungen prägnanter und spannender und psychologischer zu erzählen als viele andere Sonntagabend-Krimis. Eine noch intimere Nähe zu den Episodenrollen hätte diesen Film freilich um Einiges mehr gelingen lassen.

Das Erste zeigt «Tatort – Nachtsicht» am Sonntag, den 12.März um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/91753
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