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RTL-Chefredakteur Michael Wulf: „Wir haben jeden Stein umgedreht“

von   |  1 Kommentar

Frischer Wind soll ab Oktober in «Guten Morgen Deutschland» wehen. Bis Ende des Jahres will RTL seine Morgensendung wieder in der Erfolgsspur sehen. Über das ambitionierte Ziel haben wir mit Michael Wulf genauso gesprochen wie über die erfolgreiche Renovierung von «Punkt 12» und das kommende Experiment «Der heiße Stuhl»…

Zur Person: Michael Wulf

Michael Wulf ist seit November 2004 geschäftsführender Chefredakteur von RTL und seit Februar 2008 Geschäftsführer der infoNetwork GmbH. In dieser Funktion verantwortet er die gesamte Nachrichtenberichterstattung von RTL sowie einen Großteil der Magazinformate der Mediengruppe RTL Deutschland.
Michael Wulf, Nachrichten gelten allgemein als eher teuer, dennoch möchte RTL sein Informationsprofil in der neuen TV-Saison weiter stärken – warum ist Ihnen das so wichtig?
Als Vollprogramm-Sender muss es unser Anspruch sein, in jedem Genre das Profil ständig zu schärfen. Und Nachrichten können bekanntermaßen auch erfolgreich sein. Peter Kloeppel macht mit unserem Flaggschiff «RTL Aktuell» teilweise 18 oder sogar 19 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen. «Punkt 12» kommt da an guten Tagen auf über 20 Prozent, das «RTL Nachtjournal» zieht um Mitternacht immer noch rund 14 Prozent. Infoprogramme zahlen darüber hinaus aber auch auf das Image des Senders ein, wenn sie gut gemacht sind und als seriös und vertrauenswürdig wahrgenommen werden.

RTL ist zudem Meister in der Cross-Promotion…
Ich weiß nicht, ob wir da Meister sind… (lacht) Aber eine gute Cross-Promotion ist sicherlich auch eine Erfolgsformel. Wenn eine Sendung mit interessanten Themen im Programm ansteht, gehen wir darauf inhaltlich in unseren Magazinen gerne ein, wenn es passt. Die Zuschauer stoßen sich auch nicht daran, ganz im Gegenteil.

Wir kämpfen an dieser Front nicht gegen Sat.1, da wir morgens eine klare Positionierung haben. Da ist für mich auf der einen Seite das nachrichtlich orientierte Morgenmagazin von ARD und ZDF. Auf der anderen Seite deckt Sat.1 die eher unterhaltsame Variante eines «Frühstücksfernsehens» ab.
Michael Wulff
«Guten Morgen Deutschland» ist dagegen derzeit nicht ganz so erfolgreich und kämpft gegen Sat.1 – wie sehen Sie das Format aktuell?
Zunächst einmal: Wir kämpfen an dieser Front nicht gegen Sat.1, da wir morgens eine klare Positionierung haben. Da ist für mich auf der einen Seite das nachrichtlich orientierte Morgenmagazin von ARD und ZDF. Auf der anderen Seite deckt Sat.1 die eher unterhaltsame Variante eines «Frühstücksfernsehens» ab. Unsere Position liegt in der Mitte. Wir fokussieren uns neben den wichtigsten Infos über das Wichtigste vom Tag besonders auf die „News to use“, Nachrichten also, die nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen sind. Das läuft mal besser, mal schlechter, zuletzt nicht so gut. Aber mein Ziel ist es, dass wir zum Ende des Jahres wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt sind. Und ich bin recht optimistisch, dass das auch klappen wird.

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Die schwachen Quoten von «Guten Morgen Deutschland» waren im Juli schon Thema in einem ausführlichen Quotencheck.
Was sind konkret für Änderungen geplant?
Wir haben eine sogenannte Markenkernanalyse durchgeführt, um noch einmal genau zu hinterfragen, was unsere Zuschauer am Morgen wirklich wollen. Dabei haben wir jeden Stein umgedreht – von den Inhalten über die Präsentation bis hin zur Kulisse. An den Ergebnissen werden wir nun unser Programm ausrichten. In einem ersten Schritt verändern wir gerade unser Studio. Richtung Oktober wird das deutlich anders aussehen, das kann ich schon mal versprechen. Wir behalten die reale Studiokulisse in Teilen bei, kehren aber auch wieder zu virtuellen Elementen zurück.

Bei «Punkt 12» wirkten sich die Veränderungen positiv auf die Quoten aus – Was hat man da richtig gemacht?
Inhaltlich haben wir uns sehr nah an den Wünschen und Interessen der Zuschauer orientiert. Heute kommunizieren wir zum Beispiel über eine WhatsApp-Gruppe, in der wir mit unseren Sehern über gelaufene oder angedachte Themen diskutieren. Wir haben eine Zuschauerwohnung, in der unsere Reporter gemeinsam mit Zuschauern Programme gucken und buchstäblich in deren Lebenswirklichkeit eintauchen. All das war ein langer Prozess von zwei Jahren, seitdem sind wir wieder erfolgreich.

Wir alle sind nicht mehr die Schnellsten, weil es Twitter und eine wachsende Zahl an sozialen Medien gibt. Mit der Echtzeit-Information einher geht allerdings auch eine Tendenz hin zum Nachrichten-Overkill. Für die Menschen wird es deshalb immer schwieriger, aus der Vielzahl an Nachrichten das Paket herauszufiltern, das für sie vertrauenswürdig und wichtig ist. Und genau da kommen die TV-Nachrichten wieder ins Spiel: wir haben die besondere Kompetenz, Nachrichten einordnen und durch den Informations-Dschungel zu führen.
Michael Wulff
Der Klassiker der „menschelnd“ erzählten Hartz IV-Erhöhung mit einer konkreten Familie und den Auswirkungen bleibt insgesamt die „Handschrift“ in den RTL-Nachrichten?
Wo immer sich das anbietet, brechen wir auch politische Nachrichten auf die Lebenswirklichkeit der Menschen herunter und hinterfragen, welche unmittelbaren Auswirkungen sie haben. Wer unsere Nachrichten und Magazine regelmäßig schaut, der weiß das und hat deshalb auch eine gewisse Präferenz für diese Perspektive getroffen. Wer eher die «Tagesschau» einschaltet, der will eben eine andere Art der Nachrichtenvermittlung. Doch egal, welchen Ansatz wir TV-Sender auch verfolgen: Wir alle sind nicht mehr die Schnellsten, weil es Twitter und eine wachsende Zahl an sozialen Medien gibt. Mit der Echtzeit-Information einher geht allerdings auch eine Tendenz hin zum Nachrichten-Overkill. Für die Menschen wird es deshalb immer schwieriger, aus der Vielzahl an Nachrichten das Paket herauszufiltern, das für sie vertrauenswürdig und wichtig ist. Und genau da kommen die TV-Nachrichten wieder ins Spiel: wir haben die besondere Kompetenz, Nachrichten einordnen und durch den Informations-Dschungel zu führen. Unsere etablierten Moderatoren und Reporter geben den News ein Gesicht und sind deshalb besonders vertrauenswürdig und glaubhaft. Wir bei RTL begreifen das seit jeher Auftrag und – in Abgrenzung zu allen sozialen und Onlinemedien - ausdrücklich auch als Chance für die Zukunft.

Ein Comeback feiert demnächst «Der heiße Stuhl» – was ist da geplant?
Wir lassen uns da Zeit und gehen dann auf Sendung, wenn wir ein aktuelles Thema gefunden haben, auf dem besonders viel Druck liegt und die Zuschauer ganz unmittelbar betrifft. In der Konsequenz heißt das auch: Wir werden «Heißen Stuhl» nicht als regelmäßige Sendung etablieren, sondern ganz gezielt dann einsetzen, wenn wir es für sinnvoll erachten.

Vielen Dank für das Gespräch, Michael Wulf.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
30.09.2016 14:13 Uhr 1
Na, da bin ich ja mal gespannt, wie das veränderte Morgenmagazin dann aussehen wird.

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