First Look

«Roadies»: Keine Spur von Rock'n'Roll

von

Statt eines pfiffigen, cleveren Blicks hinter die Kulissen des Tour-Business wartet die neue Showtime-Serie mit halbgaren Plots und generischen Figuren auf.

Cast & Crew

  • Produktion: Bad Robot Productions, Vinyl Films, Dooley & Company Productions und Warner Bros. Television
  • Schöpfer: Cameron Crowe
  • Darsteller: Luke Wilson, Carla Gugino, Imogen Poots, Rafe Spall, Keisha Knight-Pulliam, Peter Cambor, Colson Baker u.v.m.
  • Executive Producer: Cameron Crowe, J. J. Abrams, Winnie Holzman und Bryan Burk
Einige amerikanische Serien entwickeln mittlerweile das Problem der falschen Prioritäten. Statt durch erstklassiges Storytelling, durch vielschichtige, einnehmende Figuren und faszinierende, intellektuelle Themen überzeugen zu wollen, verlassen sie sich zu sehr auf eine diffuse Atmosphäre und degenerieren ihre Handlungsstränge zu wenig mehr als einer losen, kaum zusammenhängenden Abfolge von Anekdoten.

Das trifft vor allem auf Formate aus einem spezifischen Sujet zu: dem Backstage-Drama. Neben der sehr erfolgreichen FOX-Serie «Empire» und dem mittlerweile eingestellten HBO-Drama «Vinyl» aus der Feder von Martin Scorsese und Mick Jagger dürfte der – ebenfalls im Musiker-Milieu angesiedelte – Showtime-Neustart «Roadies» das griffigste Beispiel sein.

Das Figurenpersonal ist so oberflächlich, dass man sich nicht auf dem Sender von «Homeland» und «Billions» zu wähnen scheint: Nahezu alle präsenten Charaktere sind irgendwie neurotisch, ziemlich exzentrisch, wissen nicht so recht, was sie im Leben wollen, und wirken trotz der für ihr Alter unangemessen infantilen Lebensverhältnisse gebildeter und reifer, als man das denken würde. Ansonsten begnügt man sich mit der Konstellation: Zwischen A und B knistert es, aber keiner traut sich. Und falls Sie trotz der generischen Protagonisten an dieser Stelle zumindest auf die Nennung der Rollennamen bestehen: Bitte, sie heißen Bill und Shelli, und leider gibt es über sie nichts weiter Wesentliches zu sagen, außer dass sie zusammen mit all den ebenso neurotischen und exzentrischen Nebenfiguren die Tour einer Rock-Band wuppen.

Generisch, austauschbar, abwaschbar: Labels, mit denen Showtime aufgrund seiner Positionierung als edgy Kabelsender nichts zu tun haben will, aber die erschreckenderweise zu seiner neuen Serie «Roadies» gut passen. Anstatt einer filigranen Milieubeschreibung zeigt sie plumpe, wenn auch opulent ausstaffierte Allerweltskonflikte, in einem vermeintlich sexy Sujet. Und während die Hauptdarsteller Luke Wilson und Carla Gugino ihre beiden Figuren mit der oberflächlich knisternden Sexual Tension glaubwürdig inszenieren, setzt die Fahrigkeit des Drehbuchs ihren Performances enge Grenzen.

Statt einem pfiffigen Comedy-Drama-Genre-Mix wurde aus «Roadies» ein gescheiterter Balanceakt, der sich in seiner Tonart nicht zwischen komödiantisch und tragisch entscheiden kann und statt einer kohärenten Auflösung der Genregrenzen auf zwei Hochzeiten tanzt und sich dabei beide Beine bricht.

Ein Blick durchs Schlüsselloch in Milieus, die dem branchenfremden Zuschauer normalerweise verborgen bleiben, ist selten völlig uninteressant. Ob als Polit-Stoff («The West Wing». «House of Cards».), im Showgeschäft («Studio 60 on the Sunset Strip»), im Journalismus («The Newsroom») oder im Finanzmanagement (wie in der grandiose Showtime-Serie «Billions»). Doch dafür darf sich ein Format nicht so sehr im Insider-Slang verheddern wie «Roadies», und darf sein Milieu nicht zur Kulisse degradieren, sondern muss in ihm essentielle Konflikte verhandeln, inhaltlich wie thematisch. Eine solche Ambition scheint diese Serie jedoch nicht zu haben – und bleibt damit bestenfalls austauschbare Durchschnittsware.

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