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Freeform: Mehr als «Pretty Little Liars»?

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Ein Relaunch ohne Richtung: Nach der Umbenennung von ABC Family zu Freeform fehlen Ideen für den Erfolg. Symptomatisch für die Probleme ist der ehemalige Quotenhit «Pretty Little Liars», der immer mehr Zuschauer verliert.

Die aktuellen Serien von Freeform

  • Pretty Little Liars (S7)
  • Switched at Birth (S4)
  • The Fosters (S4)
  • Stitchers (S1)
  • Shadowhunters (S1)
  • Dead of Summer (S1)
  • Guilt (S1)
  • Baby Daddy (S5)
  • Young & Hungry (S4)
„Never change a winning team“ heißt es nicht nur bei der Europameisterschaft derzeit. Das – zugegebenermaßen arg strapazierte – Sprichwort gilt auch in der TV-Branche. Leider, muss man manchmal dazu sagen. „Ändere nichts an der Erfolgsformel, solange sie Zuschauer bringt“, ist eine der Devisen im Fernsehgeschäft, oder noch schlimmer: „Schlachte die Erfolgsformel so lange aus, bis sie nicht mehr funktioniert.“ Wenn also etwas Erfolg hat – ein Genre oder eine bestimmte Art von Show – kommen sehr bald Nachahmer oder Spin-Offs auf den Bildschirm. Oder Programme, die die gleiche Zielgruppe bedienen.

„Never change a winning team“ mögen sich vielleicht manche Verantwortliche bei ABC denken, dem US-amerikanischen Network, das mehrere Sender betreibt. Unter anderem gehört ABC Family dazu, der Ableger des Hauptprogramms für eine jüngere Zielgruppe und für Familien. ABC Family in den letzten Jahren immer erfolgreicher, vor allem dank des Quotenphänomens «Pretty Little Liars», aber auch dank solcher Serien wie «Switched at Birth» oder «Baby Daddy». Bei den jüngeren Frauen, der Kernzielgruppe von ABC Family, war man im letzten Jahr der erfolgreichste Sender im amerikanischen Kabelfernsehen. Man bezeichnete sich außerdem auch als erfolgreichster Social-Media-Sender 2015, mit über 62 Millionen Fans über alle Plattformen hinweg und mit mehr als 10 Millionen User-Interaktionen pro ausgestrahlter Sendung. Vor allem schaffte ABC Family das, woran viele viele andere verzweifeln: junge Zuschauer für sein Programm zu begeistern.

Und jetzt? Das sogenannte Rebranding hat vor allem ein Ziel: das Publikum zu vergrößern, natürlich. Und das, obwohl man eigentlich auf einem richtigen Weg war. Der Name des neuen Senders: Freeform. Nicht wirklich einleuchtend, aber unter diesem Namen firmierte ABC Family bis in die 90er Jahre tatsächlich. Manche werden sich möglicherweise noch an die Marke erinnern – wohl aber kaum die Zielgruppe, die man für Freeform auserkoren hat: die Becomers, zu deutsch: die Werdenden. „Die wichtigste Frage, die sich junge Menschen von der Highschool bis zu ihrem Alter in den 30ern stellen, ist: Wer werde ich? Also nennen wir diesen Lebensabschnitt Becoming und die Menschen, die ihn durchlaufen, sind Becomers.“ So erklärt es der Senderpräsident, er meint insgesamt die Zielgruppe von Zuschauern zwischen 14 und 34 Jahren – klassischerweise könnte man diese auch Millennials nennen oder Generation Y. Die Menschen also, deren Leitmedium nicht mehr das Fernsehen ist – und die Menschen, die derzeit von vielen spzeifischen Unterhaltungsangeboten ohnehin umworben werden. Vice ist da nur der Klassiker.

Es ist nun nicht so, dass ABC Family nicht vorher auch schon diese Zuschauer ins Visier genommen hätte. Man will aber offensichtlich das Profil noch genauer schärfen. Kann das mit Freeform gelingen? Das Problem: Wie will man das Publikum vergrößern, wie will man neue Zielgruppen erschließen, wenn bisher nur marginal eine Neuausrichtung des eigenen Programms erkennbar ist? Fast alle Serien von ABC Family wurden einfach in den neuen Sender übernommen, frisches Programm gibt es nur punktuell.

«Dead of Summer»: Es wird blutig


Darunter fällt beispielsweise die – wenig hochwertige – Fantasyserie «Shadowhunters», mit der man immerhin neues Genre-Terrain betritt. Erfolgreich gestartet, gingen die Quoten im Laufe der Staffel allerdings deutlich nach unten. Neu ist nun auch «Dead of Summer», eine Teen-Horror-Serie, die in dieser Woche auf die Bildschirme geschickt wurde. Sie lässt schon eher erkennen, wie Freeform sein Publikum erweitern will. Horror und ABC Family – das hätte nicht zusammen gepasst. «Dead of Summer» ist in den 80ern angesiedelt (Stichwort Millenials) und spielt in einem Sommercamp. Die schüchtere Amy ist neu in der Gegend, und ihre Vergangenheit ist mysteriös: Warum wechselte Amy ihren Wohnort und ihre Schule mitten im Senior Year? Ein paar weitere typische Zutaten, und fertig ist die klischeehafte Slasher-Serie: ein unsympathisches hot chick, die Intelligente in der Gruppe, dann die durchgehend stereotypen Juns – und natürlich gruselige Waldszenen mit Blut. Entertainment Weekly nennt «Dead of Summer» den „unterhaltsamsten Slasher in diesem Sommer“, andere Kritiken sind verhaltener.

Die Serie zeigt zumindest den veränderten Anspruch, den Freeform an sich selbst stellt. Das Problem dabei könnte sein, dass man es mit der Neuausrichtung in unterschiedlichsten Dimensionen – Fantasy, Horror, bisher Drama, Comedy und Familienprogramm – gerade nicht schafft, das bereits benannte Profil zu schärfen. Sondern zum Gemischtwarenladen für die Generation Y verkommt, die dann wiederum überfordert abschaltet. Positive Stimmen zum neuen Sender gibt es bislang kaum, im Gegenteil. Studenten der Marquette University – also genau die Kernzielgruppe von Freeform – haben kürzlich Stimmen auf dem Campus gesammelt und diese gesammelt: „Was soll Freeform eigentlich heißen?“ „Für mich wird der Sender immer ABC Family heißen, genauso wie der Willis Tower immer der Sears Tower sein wird.“ Vor allem Stammzuschauer von ABC Family können den Schritt wenig nachvollziehen: „In den Köpfen der treuen Fans werden regnerische Nachmittage vor dem Fernseher immer bei ABC Family verbracht.“

Die Probleme der Selbstfindung, wenn man sie so nennen will bei Freeform, zeigen auch die Quoten: Die Quoten des Aushängeschilds «Pretty Little Liars» sind ziemlich genau seit dem Sender-Relaunch in den Keller gegangen, derzeit sammelt man Negativrekorde. Waren die Zahlen vor allem bei den permanent einschneidenden Staffelfinals seit Jahren auf dem gleichen Niveau, wollten nur noch 1,19 Millionen das Ende der sechsten Staffel im März sehen. Vorher lagen die Werte hier bei mindestens 2,5 Millionen.

Selbstverständlich ist der Quotenrückgang auch auf die inhaltliche Ausrichtung der Serie zurückzuführen, aber man ist nicht das einzige Problemkind: «Switched at Birth» verlor mit der letzten Staffel fast ein Drittel seiner jungen Zuschauer, «Baby Daddy» ein Viertel, die Drama-Serie «The Fosters» rund ein Zehntel. Von den mittlerweile abgesetzten «Meliassa & Joey» und «Chasing Life» gar nicht erst zu sprechen. Die einzige Serie, die zuletzt Zuschauer gewann, ist die Sitcom «Young & Hungry» mit Ashley Tisdale. Viele der bekannten Formate sind schon alt, «Pretty Little Liars» soll noch bis Staffel 8 laufen. Langsam muss Ersatz her für die bekannten Marken.

Der Weg von Freeform ist nicht klar vorgezeichnet, die Marketing-Strategie funktioniert nicht, die Quoten sinken. Vielleicht ist es auch bewusst eine Zeit des Experimentierens für den Sender, der sich noch nicht festlegen will. Denn das Ziel ist klar: Bis 2020 will man eine Verdopplung des Original Content erreichen, und dazu muss man wissen, was die Zuschauer wirklich wollen und was ankommt. Ein neues «Pretty Little Liars» ist jedenfalls nicht so schnell in Sicht.

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