Sonntagsfragen

Thomas Helmer: 'Keine hohlen Sprüche klopfen'

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Wir sprachen mit Thomas Helmer über sein erstes Jahr als Moderator des Sport1-«Doppelpass» und die kommende Fußball-Europameisterschaft in Frankreich.

Thomas Helmer als Sportjournalist

Für Sat.1 war Thomas Helmer bereits bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea unterwegs. Während der EM 2004 sowie der WM 2006 berichtete er für das DSF (heute Sport1) aus dem Team-Quartier der deutschen Nationalmannschaft. Außerdem moderierte er u.a. die Montagsspiele der zweiten Liga bei Sport1 sowie das Magazin «Hattrick - Die 2. Bundesliga». 2011 bis 2015 war er Nachfolger von Udo Lattek als Experte beim «Doppelpass» und moderierte den Talk vertretungsweise. Seit der Bundesliga-Saison 15/16 ist er der hauptamtliche Moderator.
Herr Helmer, Sie moderieren jetzt seit knapp einem Jahr den «Volkswagen Doppelpass» bei Sport1. Wie sieht Ihr bisheriges Fazit aus?
Es ist nach wie vor ein Traum, Deutschlands bekanntesten Fußball-Talk zu leiten. Ich habe die Sendung ja auch schon in der vorigen Saison im Wechsel moderiert. Also ist das jetzt keine ganz neue Aufgabe für mich. Der «Doppelpass» ist eine super Sendung, die mit viel Vorbereitung, vor allem jedoch auch viel Leidenschaft und Spaß verbunden ist.

Welche Momente aus Ihrem ersten Jahr als Moderator des «Doppelpass» bleiben Ihnen in Erinnerung?
Es sind oft Kleinigkeiten, die man im TV nicht sieht. Die man sich vielleicht anders vorgenommen hat, die auch mal schiefgehen, wenn man mal stolpert oder etwas vergisst. Das passiert bei einer zweistündigen Live-Sendung leider auch gelegentlich. Und dann gibt es auch Gäste, die einen überraschen. Ich erinnere mich an Ralph Hasenhüttl vor nicht allzu langer Zeit, der im Interview sehr klar und deutlich wurde. Von ihm kannte man das so gar nicht – ich persönlich auch nicht. Er hat starke Inhalte geliefert und die Sendung sehr bereichert.

Es gab ja auch einige Gäste, die nicht unbedingt als Fußballexperten gelten. Wie gehen Sie mit solchen Gästen um?
Ich versuche gerade zu Beginn der Sendung etwas behutsamer mit Gästen umzugehen, die nicht aus dem Bereich Fußball kommen, damit sie sich wohlfühlen und gut rüberkommen.

Ein besonderer Moment war bestimmt auch der Besuch von Klaas Heufer-Umlauf. In die Aktion von «Circus HalliGalli» waren Sie eingeweiht. Ganz persönlich gefragt: Wie schwer war es, in dieser Situation ernst zu bleiben?
Ein solcher Moment ist auch für uns ein schmaler Grat und dann entsprechend zu handhaben. Ich wusste nicht, ob er überhaupt Ahnung von Fußball hatte. Es hat sich ja dann herauskristallisiert: Entweder er hatte sie nicht oder er wollte sie nicht kundtun. Wir haben ihn dann natürlich auch ein bisschen eher rausgeschmissen. (lacht)

Ich glaube, dass man aufpassen muss. Der «Doppelpass» wurde und wird von Medien und Publikum ja oft auch als Stammtisch bezeichnet. Da ich erst nach meiner Fußballer-Laufbahn auf die journalistische Seite gewechselt bin, passe ich besonders auf, keine hohlen Sprüche zu klopfen – auch wenn solche Phrasen sparsam dosiert bei launigen Themen durchaus mal dazugehören. Da gilt auch für mich, es nicht zu übertreiben, Gäste nicht zu viel unterbrechen – damit ich die Informationen bekomme, die die Zuschauer zuhause interessieren. Andererseits bin ich auch dafür, neuen Leuten einen Raum zu geben – auch jungen Leuten, die beim jüngeren Publikum ankommen.

Wie haben die Gäste hinterher reagiert? Fanden die es lustig, waren die erbost oder haben sie es einfach hingenommen?
(lacht) Ich glaube, da war alles dabei. Es gab niemanden, der sagte: ‚Das war totaler Mist. Ich komme nie wieder. Wie konntest du mir das antun?‘ Nein, die übrigen Gäste waren alle darauf vorbereitet – auch durch die Vorgespräche – und wussten, dass Klaas Heufer-Umlauf da ist.

Wie routiniert gehen Sie in jede neue Sendung? Wie groß ist die Aufregung?
Ganz ohne Aufregung geht es nicht. Oder ich sage mal positive Anspannung – sie schärft auch die Sinne. Ich habe das auch von meinem Vorgänger gelernt. Der war immer super, sobald das rote Licht anging. Er war sofort da, auch, wenn er vorher noch ganz andere Sachen gemacht hat. Und bei mir ist das ebenso. Ich freue mich immer, wenn die Sendung losgeht.

Sie erwähnten Ihren Vorgänger, Jörg Wontorra. Wie schwer war es, in seine Fußstapfen zu treten?
Die sind natürlich groß. Mir hilft hierbei mein Leistungssport, mein Profifußball von früher auch. Da gab es auch immer eine Weiterentwicklung. Wenn man in Bielefeld anfängt, danach nach Dortmund geht und dann zu Bayern. Man muss sich auf die Herausforderung freuen – auch wenn man weiß, wie schwer es wird und dass man natürlich eine Menge dafür tun muss. Das versuche ich, lerne auch jeden Tag dazu. Es macht sehr viel Spaß.

Was haben Sie denn im vergangenen Jahr dazugelernt?
Es gibt verschiedene Dinge, vielleicht das intensivere Nachfragen. Man muss sehr konzentriert sein und sehr gut zuhören. Wenn Floskeln fallen, mit denen sich der Gast so ein bisschen rausreden will, muss man direkt nachhaken. Ich entwickle ein besseres Gefühl dafür, je häufiger ich es mache.

Gibt es Sachen, die Sie bewusst anders gemacht haben als Jörg Wontorra?
Ich würde jetzt mal spaßeshalber sagen: ‚Wonti‘ hat ja geraucht, ich habe nie geraucht. (lacht)

Elf Jahre lang hat Jörg Wontorra den «Doppelpass» moderiert. Wollen Sie diesen Wert toppen?
Dann wäre ich fast auch in dem Alter, als er aufgehört hat. Auch das habe ich mir wirklich abgewöhnt in den letzten Jahren und auch während der Fußballkarriere. Es gibt immer viele, die fragen: "Ja was willst du in den nächsten fünf Jahren machen?" Aber in solchen zeitlichen Schablonen denke ich nicht mehr. Deshalb kann ich das jetzt nicht sagen. Jetzt gehen wir erst mal in die nächste Saison und dann gucken wir weiter. Die Medienbranche ist stark in Bewegung, gerade weil sich das Nutzungsverhalten weiter rasant verändert. Wie wird das Fernsehen künftig aussehen? Das sind Themen und Fragen, die uns beschäftigen werden. Deswegen macht es jetzt wenig Sinn gleich zu sagen: "Gut, ich mache jetzt noch zehn Jahre, damit ich ‚Wonti‘ einhole oder überhole." Das ist nicht mein Anspruch.

Wie wird der «Doppelpass» die kommende Europameisterschaft begleiten?
Es wird fünf EM-«Doppelpässe» geben. Beginnend am 12. Juni bis zum Endspieltag am 10. Juli. Die Ausgaben zur EM werden am Sonntagmorgen zur gewohnten Zeit um 11:00 Uhr laufen. Unter anderem ist geplant, dass Timo Hildebrand, Jens Nowotny und Carsten Jancker kommen, zudem natürlich unsere Experten Thomas Strunz und Olaf Thon.

Welche Chancen darf sich die deutsche Nationalmannschaft in Frankreich ausrechnen?
Wir gehören schon zu den Favoriten – zu den absoluten Topfavoriten sogar. Wir haben eine wahnsinnig starke Offensive, müssen aber ein bisschen gucken, was wir in der Defensive anstellen: Dreier- oder Viererkette, Außenverteidiger-Positionen. Sechser auch, jetzt nachdem Gündogan und Schweinsteiger verletzt sind und Khedira auch immer wieder angeschlagen ist.

Fußball-Karriere von Thomas Helmer

Thomas Helmer begann seine Profi-Karriere 1984 bei Arminia Bielefeld und wechselte bereits zwei Jahre später zu Borussia Dortmund. Für den BVB absolvierte er fast 200 Partien - so wie auch für seinen späteren Arbeitgeber, dem FC Bayern München. Seine größten Erfolge: Gewinn des Europameistertitels sowie des UEFA-Cups 1996. Zwischen 1990 und 1998 absolvierte er insgesamt 68 Partien im Nationaltrikot.
Wie bewerten Sie die vorläufige Nominierung der Nationalmannschaft?
Meiner Meinung nach ist es eine gute Mischung. Der Bundestrainer hat vier junge Spieler neu nominiert. Ich denke, dass dabei Joshua Kimmich durch seine Vielseitigkeit und Julian Weigl als Kandidat für die Sechserposition die besten Chancen haben, im endgültigen Kader zu bleiben.

Welche Teams dürfen sich außerdem Chancen auf den Titel ausrechnen?
Die Belgier haben sicherlich eine sehr gute Mannschaft und gelten nicht umsonst als Geheimfavorit. Ich halte die Engländer für sehr stark – das haben wir selbst gesehen. Eine sehr junge Mannschaft, die, wie ich finde, richtig gut Fußball spielt. Frankreich ist mit dem Heimvorteil sicherlich auch wieder auf einem besseren Weg. Und dann natürlich die üblichen Verdächtigen: die Spanier, die Italiener. Und nicht zuletzt ist es auch immer die Erfahrung, die bei solchen Turnieren mitspielt.

Gibt es für Sie Teams, die keiner auf der Rechnung hat, auf die man aber achten sollte?
Ich bin gespannt auf Österreich. Die haben eigentlich auch einen guten Nachwuchs. Wenn die gut durchkommen, könnte man ihnen auch eine Überraschung zutrauen. Vielleicht nicht gleich Europameister, aber den ein oder anderen könnten sie schon ärgern.

Herr Helmer, vielen Dank für das Gespräch.

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