Die Kritiker

Französisch? Brauchen wir nicht (unbedingt)

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Die Kritiker: Es gibt viele französische Produktionen, die den Weg ins deutsche TV mit Recht finden. «Candice Renoir» gehört definitiv nicht dazu.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Cécile Bois als Candice Renoir, Raphaël Lenglet als Antoine Dumas, Clara Antoons als Emma Renoir, Etienne Martinelli als Jules Renoir, Alexandre Ruscher als Léo Renoir, Paul Ruscher als Martin Renoir, Gaya Verneuil als Chrystelle Da Silva und andere


Hinter den Kulissen:
Regie: Nicolas Picard, Stéphane Malhuret und Christophe Douchand, Buch: Solen Roy-Pagenault, Robin Barataud und Brigitte Peskine, Produktion: Boxeur du Lune

Es ist eine Serie wie ein Omelette: Simpel zu machen, unkreativ im Geschmack, zunehmend gleichförmiger je weiter man kommt. Nein, die französische Serie «Candice Renoir», die hierzulande künftig von ZDFneo ausgestrahlt wird, hätte den Weg nach Deutschland nicht unbedingt finden müssen. Erzählt wird die Geschichte der titelgebenden Candice Renoir, die eine erfolgreiche Karriere bei der Polizei hinter sich hat, jedoch zehn Jahre lang nicht in ihrem Beruf tätig gewesen ist. Weil sie aber von einer Affäre ihres Mannes erfährt, ist das mit der Ehe dann auch wieder vorbei und plötzlich muss die alleinerziehende Mutter von vier Kindern mit ihrem Leben allein klar kommen und zusätzlich wieder Geld verdienen, weshalb sie wieder als Kommandantin bei der Polizei einsteigt. Als wären die Konfliktlinien hier nicht schon klar genug, muss die Pariserin auch noch auf das Land, wo sich nicht nur ihre Kleinen unwohl fühlen, sondern auch sie nicht so ganz glücklich ist. Die Kollegen sind nicht auf einer Wellenlänge und zusätzlich läuft es mit der Dorfmentalität generell nicht ganz so rund. Doch natürlich gibt es in der Nachbarschaft dann den Love Interest, der schnell über die Probleme hinweg helfen könnte – wenn er doch nur nicht selbst eine Frau hätte. Hach, das Klischeeherz lacht.

Die Grundsituation gibt dann auch tatsächlich nicht viel mehr her: Ein Kollege neidet der neuen Chefin ihre Position, weil er der Überzeugung ist, selbst die bessere Wahl gewesen zu sein. Der Rest der Kollegen mag Candice jedoch auch nicht wirklich viel lieber. Dann sind da noch die unzufriedenen Kinder, die primär ein absoluter Sauhaufen sind. Dazu kommen schließlich die Episodenhandlungen, die (zumindest in den ersten beiden vom ZDF zur Verfügung gestellten Folgen) kaum substantieller sind, sondern den Gesamtzustand eher noch verschlimmern. Da wäre beispielsweise ein Mordfall in Folge eins, dessen Opfer, wie sich schnell herausstellt, in einem prekären Sozialniveau lebte und sich daher in ihren Geldsorgen in die Prostitution geflüchtet hat. Und da ist es natürlich leicht, weitere bedeutende kriminelle Machenschaften in die Story einzupflegen – und kaum weniger billig.

Statt Besuch gibt es Mord


Steckbrief

Frederic Servatius schreibt seit 2013 für Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für Rezensionen und Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als @FredericSrvts zu finden.
Auch die Inszenierung tut nicht viel Gutes: So rechnet Candice Renoir an ihrem ersten Tag mit förmlichem Besuch und taucht daher im feinsten Zwirn auf. Doch es kommt freilich anders, statt Besuch gibt es Mord und Candice watet auf hohen Schuhen mit kurzem Rock durch den Dreck, was für die Kollegen offensichtlich ein absoluter Knaller ist, während sie selbst eher angepisst ist. Charakterliche Tiefe, die nicht einmal einer Parodie gerecht würde – vor allem weil dazu die humoristische Komponente fehlt. Ebenfalls eher Schablonen als Charaktere sind die weiteren Figuren: Da wären der Lüstling, der alles anflirtet was nicht bei drei auf dem Baum ist, der technikaffine, weibliche Nerd oder der süße, sorgende Nachbar, um nur einige Vorlagen aus dem Klischeedrucker zu nennen. Hätte es sich doch dabei um einen 3D-Drucker gehandelt, denn so bleiben die Figuren eindimensional.

Ebenfalls mehr als klar: Nach zehn Jahren Arbeitsabstinenz kennt Candice die Vorschriften nicht mehr so ganz genau. Aber was soll’s, die Ermittlerin ist ja ohnehin so crazy-unkonventionell, dass das gar keine Rolle spielt. Während die Kollegen ihr daraus einen Strick drehen wollen, fixiert der Blick von Candice vor allem die Details. Natürlich soll sie Recht behalten und löst mithilfe von unwichtig erscheinenden, kleinen Elementen den Fall. Toll, ein weiblicher Monk. Schade nur, dass die Erkenntnisse für den Zuschauer nicht besonders interessant sind.

Filmästhetisch betrachtet liegt die Serie dagegen immerhin im Mittelmaß. Sie sieht zwar nicht überaus hochwertig aus, leistet sich aber auch keine gröberen Patzer. Der Kameramann wagt keine Experimente und auch der Score liegt in Stromlinienform über der Produktion. Dass dieser Durchschnitt schon als Aufwertung dient, sagt insofern einiges aus. Noch schwächer als das ist hingegen die deutsche Synchronisierung ausgefallen, die dem Zuschauer förmlich ins Auge springt. Im Zuge dessen, machen sich auch Probleme mit der Übersetzung bemerkbar. So beginnt Candice beim ersten Aufeinandertreffen mit ihren neuen Mitarbeitern mit dem „Du“ um später auf das „Sie“ zu wechseln. Nur doof: Im Nachhinein wird noch thematisiert, dass die Figuren sich doch jetzt eigentlich mal duzen könnten.

Gerade in einer schwierigen Phase…


Während Candice also gerade in einer schwierigen Phase ist, was ihr Leben anbelangt, ist der Zuschauer gerade in so einer schwierigen Phase, was den Konsum französischer Serien angeht. Klar, so allgemein kann man das eigentlich nicht sagen. So allgemein würde es die Serie aber eben tun…

Der von Candice meist gesagte Satz lautet übrigens „Verstehen Sie denn nicht?“. Nein, natürlich versteht ihr Umfeld nicht, denn was Candice sagt und denkt, ist so unkonventionell (und gelegentlich auch abstrus), dass es eben keiner checkt. Aber keine Sorge, etwas Wichtiges verpasst der Zuschauer ohnehin nicht. Denn auf die Frage, ob man denn nicht versteht, folgt nämlich (natürlich) stets die unmittelbare Auflösung. Noch einmal Glück gehabt. Dazu darf Candice in der Serie noch ihr handwerkliches Talent präsentieren. Eine tolle Hands-on-Mentalität zeigt die nicht mehr ganz so junge Dame ebenfalls – ein gelungener Kniff, sofern man auf tumbe Charakterisierungen steht.

Es ist wirklich nicht viel, was bei «Candice Renoir» stimmt. Miese Grundsituation, miese Episodenhandlungen und miese Figurenzeichnungen stechen vor allem hervor. Das Traurige: In diesem Fall hätte das ZDF mal einiges an Material im Vorrat, wo es doch oft so wenig ist. 18 Folgen der Serie stehen derzeit in zwei Staffeln zur Verfügung. An dieser Stelle hätte man sich ausnahmsweise Mal weniger gewünscht. Aber die Wünsche der Zuschauer gehen halt genauso wenig in Erfüllung wie die von Candice Renoir.

ZDFneo zeigt «Candice Renoir» ab 4. Februar jeweils donnerstags um 20.15 Uhr in Doppelfolgen.

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