Pro & Contra

Können Joko und Klaas die Raab-Lücke schließen?

von

Sidney Schering und Manuel Nunez Sanchez haben sich Gedanken über die Show-Zukunft des Senders in der Post-Raab-Ära gemacht - und vertreten unterschiedliche Standpunkte bezüglich Joko und Klaas.

Pro von Sidney Schering


Stefan Raab hinterlässt eine enorme Lücke in Fernsehdeutschland. Vor allem für ProSieben bedeutet Raabs Weggang einen schweren Verlust, geht mit ihm doch das große Sendergesicht: Frech, verlässlich, bei der jungen Altersgruppe beliebt und dennoch primetimetauglich. Es ist jedoch nicht unmöglich, Raabs Position bei ProSieben weiter auszufüllen. Denn eben jene Aspekte, die Raab ausmachten, treffen auch auf das Entertainer-Duo Joko & Klaas zu. Genauso wie Stefan Raab haben sie sich einen verlässlichen, eigenen Markenkern aufgebaut: Wer eine Raab-Sendung eingeschaltet hat, wusste, was ihn erwartet. Auch der Humor von Joko & Klaas hat eine eigene Handschrift, die sich in «Circus HalliGalli» ebenso wiedererkennen lässt wie in «Das Duell um die Welt» und «Mein bester Feind». Diese drei Sendungen haben allesamt eigene Schwerpunkte, trotzdem sind sie überdeutlich als Formate von und mit Joko & Klaas zu erkennen. Eben diesen Wiedererkennungswert braucht es, wenn ProSieben nicht zu einem zweiten, nur etwas jünger aufgestellten Sat.1 werden möchte: Profilschärfe ist im hart umkämpften Medienmarkt unerlässlich.

Aber auch die Primetimetauglichkeit sollte längst außer Frage stehen: «Mein bester Feind» und «Duell um die Welt» holen zur besten Sendezeit bis zu 14,6 respektive bis zu 19,1 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen. Stefan Raabs überaus aufwändige «Stock Car Crash Challenge» holte in den vergangenen drei Jahren zwischen 12,3 und 13,7 Prozent – diese Lücke kann also auch geschlossen werden. Und genauso, wie Raab mal anarchischer, mal gesitteter aufzutreten vermochte, sind die «Circus HalliGalli»-Clowns fähig, sich zu zügeln. Dies bewies etwa die gut aufgenommene «Teamwork»-Premiere, bei der Joko und Klaas zu den Teilnehmern gehörten. Dass das Duo bislang weniger in diese Richtung tendierte, deutet also nicht auf Unfähigkeit hin. Bislang herrschte schlichtweg nicht die Not dazu: Raab war für ProSieben bislang der massentaugliche TV-Chaot, Joko & Klaas mimten daneben die Wildfänge. Nun, da Raab weg ist, haben sie den Platz, um öfter so etwas wie in «Teamwork» zu machen – zumal «Mein bester Feind» auch bereits bodenständiger ist als das irre «Duell um die Welt». Vor allem spricht aber eins dafür, dass ProSieben gut beraten ist, Joko & Klaas ähnlich freies Geleit zu geben wie Stefan Raab: Der Irrsinn der Beiden kommt auch bei den Gremien gut an und wird wiederholt für prestigeprächtige Awards wie den Grimme-Preis und die Goldene Rose nominiert. Blödeleien, die Quote und Anerkennung holen: Das machte Raab aus. Das Spiel treiben seit einigen Jahren Joko und Klaas. Wieso also stellt sich überhaupt die Frage, ob sie Raabs Platz übernehmen können?


Contra von Manuel Nunez Sanchez


Keine Frage: Joko und Klaas dürften nach dem Raabschied die mit Abstand heißesten Eisen sein, die ProSieben noch in seinem Show-Köcher hat - das allerdings sagt fast mehr über das Engagement des Senders aus, der sich in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf den Raabinator verlassen hat, als über die Stärke von Joko und Klaas. Denn betrachtet man die Resonanz, die Heufer-Umlauf und Winterscheidt bisher zuteil wurde, lässt sich ganz nüchtern festhalten: «Das Duell um die Welt» ist ein großer Quotenerfolg bei den jüngeren Zuschauern, sämtliche anderen Formate liefen bislang bestenfalls solide bis ganz gut, ohne jedoch Bäume auszureißen. Und noch ein kleineres Problem tut sich auf: Anders als Raab sprechen die beiden den etwas betagteren Teil der Bevölkerung quasi überhaupt nicht an, ihre Erfolge konstituieren sich beinahe vollständig aus der jungen Zielgruppe. Für einen jungen Sender wie ProSieben ist das nicht schlecht, aber wohl zu wenig, um in die Fußstapfen von einem der größten Entertainer des Landes zu treten.

Nun war es bei Raab sicherlich auch nicht so, dass er vom ersten Tag an gleich ein großes Standing in breiten Teilen der Bevölkerung hatte, dass er direkt mit großen Samstagabend-Shows aufwartete - hier kann man Joko und Klaas sogar einen leichten Vorsprung bescheinigen. Was allerdings nachdenklich stimmt, ist die fehlende Entwicklung bei «HalliGalli»: Auch nach knapp drei Jahren bei ProSieben steht das Format, das eigentlich als Fundament für unregelmäßige Show-Konzepte herhalten müsste, ziemlich genau dort, wo es im März 2013 begonnen hatte: Bei im Schnitt etwa einer Million Zuschauer und im Schnitt eher leicht unter- als überdurchschnittlichen Werten. Doch auch von den nackten Zahlen einmal abgesehen, lässt sich keine wirkliche Entwicklung mehr ausmachen. Es wäre übertrieben, von fader Routine zu sprechen, die Einzug erhalten hätte, schließlich bemühen sich die Entertainer immer wieder um neue Aktionen, kreative Methoden, ihre Interviews zu führen, neue Show-Aktionen etc.. Da war «TV total» in seiner Schlussphase mit Sicherheit festgefahrener, ambitionsärmer.

Doch lässt man die jüngere Vergangenheit Revue passieren, scheint man sich auch inhaltlich tendenziell eher rückwärts als vorwärts zu entwickeln: Die großen Coups des Jahres ("Ich hab Polizei", Varoufake) sind Jan Böhmermann gelungen, obwohl dieser weitaus größere Hürden überwinden muss, mit seinem Format bei der breiteren Masse anzukommen. Mit Olli Schulz (Foto) hat man ein Ensemble-Mitglied verloren, das für einige herausragende Einspieler und Studio-Aktionen stand und die mysteriöse Oma Violetta wurde durch einen eher plumpen Cindy-aus-Marzahn-Prollo-Verschnitt ersetzt. Man muss die Situation nicht künstlich dramatisieren: Ja, ProSieben und das Duo Joko und Klaas sind alles in allem eine Erfolgsgeschichte - aber dass sie groß genug ist, um ansatzweise an jene heranzureichen, die Raab schrieb, muss dann doch noch einiges passieren. Aber vielleicht ist es auch vermessen, von den beiden zu erwarten, dass sie mal eben ein Jahrhunderttalent wie den gelernten Metzger ersetzen sollen.

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Unentschieden. Sie werden einige Verluste abfedern können, aber sie nicht vollständig kompensieren.
40,4%

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