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2015: Das Jahr der Abschiede

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Ob Absetzungen oder Rückzüge, die die Branche noch immer mitgeprägt haben: Durch das Jahr 2015 hat sich die Medienlandschaft so sehr verändert wie seit langer Zeit nicht mehr.

Ein weiterer Abschied

Am 31. Oktober 2015 moderierte Frank Elstner zum letzten Mal seine SWR-Talkshow «Menschen der Woche», die es auf rund 600 Ausgaben brachte. Den Abschied nach nahezu exakt 15 Jahren hatte Elstner lang geplant: Bereits 2013 sei er zum Intendanten gegangen, um ihn über seine Pläne in Kenntnis zu setzen.
Auch, wenn es in einigen Situationen so wunderschön wäre: Im Gegensatz zu DVDs und Blu-rays, zu Mediatheken und zu YouTube-Videos hat die Medienbranche selbst keinen Button zum Zurückspulen. Und so schreitet die Zeit unaufhaltsam voran, und mit sich zieht sie einen steten Entwicklungsprozess. Dieser fördert, und das liegt wohl in der Natur der Sache, gute wie schlechte Änderungen zu Tage. 2015 wurde vor allem durch Abgänge geprägt – diese gibt es zwar Jahr für Jahr in der Medienlandschaft, aber die vergangenen Monate strotzten vor ihnen. Und brachten sogar ein Lebewohl hervor, das sich seinen eigenen Namen erarbeitet hat.

Den über allen Weggängen 2015 thront einer: Der Raabschied. Es war eine Nachricht, die in die deutsche TV-Welt und Popkultur einschlug, wie eine Bombe: Am Abend des 17. Junis verkündete Stefan Raab, seinen im Dezember auslaufenden Vertrag mit ProSieben nicht zu verlängern – und mit dem Ende seiner ProSieben-Schaffenszeit sogleich seine Fernsehkarriere zu beenden. Der Entschluss des 49-jährigen Ex-Metzgers, in Frührente zu gehen, traf unzählige TV-Freunde schwer. In den sozialen Netzwerken türmten sich Trauerbekundungen ob des Verlustes von «Schlag den Raab», «TV total» und Deutschlands wandelnder «Eurovision Song Contest»-Qualitätsgarantie. Stefan Raab hinterlässt Tausende Stunden von Fernsehunterhaltung – und mit ProSieben einen Privatsender, dessen öffentliches Bild und dessen Programmangebot er mehr beeinflusst hat als so mancher Senderchef. Und eine Frage lässt Raab bisher offen: Was macht dieser Ehrgeizling nach seinem finalen «Schlag den Raab»-Wettkampf? Wird er etwa weitere Duschköpfe erfinden? Däumchen drehen? Als Eddie Rodriguez südamerikanische Radiostationen aufmischen?

Und ein weiterer freiwilliger Abschied machte Schlagzeilen: Am 5. Juni wurde durch eine Mitteilung des NDR öffentlich, dass die sonntägliche Talkshow «Günther Jauch» beendet wird. Als Grund dafür, dass die aus Quotensicht ungebrochen erfolgreiche Sendung Ende 2015 letztmals über die Bildschirme flackert, wurde ein Entschluss des Moderators und Titelgebers zitiert: „Über das Angebot der ARD zur Vertragsverlängerung habe ich mich sehr gefreut. Sowohl aus beruflichen als auch aus privaten Gründen habe ich es nicht angenommen“, gab Jauch zu Protokoll. Anders als bei Raab fand sich in Sachen Jauch rasch ein konkreter Nachfolger: Die Zukunft des sonntäglichen Programmslots um 21.45 Uhr fand die ARD in Jauchs Vorgängerin Anne Will und deren gleichnamiges Format. Was den Abschied trübte: Jauchs Rücktritt von seiner Talk-Karriere kam wenige Monate, nachdem seine Sendung dem Satiriker Jan Böhmermann die Steilvorlage zum Varoufakis-Stinkefinger-Fälschungsvideo lieferte – ein Umstand, den nicht wenige Feuilletonisten angerissen haben.

Auf der humorvoll-kritischen Seite der Politberichterstattung gab zudem ein ZDF-Gesicht seinen Rücktritt bekannt: Frank-Markus Barwasser alias Mützenträger Pelzig. Mitte Oktober postete der Satiriker bei Facebook: „Die gründliche Vorbereitung auf meine Gäste, die nie berechenbaren Gespräche und das gemeinsame Leiden von Gast und Gastgeber an der Bowle, waren mir sehr ans Herz gewachsen. Nach insgesamt 18 Jahren Pelzig-Talk habe ich nun das Bedürfnis, mich neuen Ideen und Projekten zuzuwenden.“ Diese neuen Ideen und Projekte führen Pelzig, wie sich herauskristallisierte, vom Fernsehen weg – zumindest auf Zeit. Nach einer Kreativpause, so teilte das ZDF mit, werde er zum Sender zurückkehren, dann aber in einem anderen Format als «Pelzig hält sich».

Ebenfalls eine Kreativpause wurde von den Machern der ARD-Krimireihe «Mord mit Aussicht» mit Bjarne Mädel beschlossen: Obwohl Staffel drei sowohl beim Gesamtpublikum als auch bei den 14- bis 49-Jährigen deutlich besser lief als die ersten beiden, wird es vorerst keine vierte Season geben. Die ARD sprach am 19. Juni in einer Mitteilung davon, dass der Beschluss, eine Pause einzulegen, nach langen und intensiven Beratungen gefallen sei, mit dem Ziel „anschließend umso stärker zurückzukommen. Eine Zäsur also, kein Ende.“

Doch es gibt auch eine lange Reihe an ungewollten Abschieden, auf die 2015 zurückgeblickt werden kann. So musste Fritz Wepper mit Ansehen, wie die Krimireihe «Mord in bester Gesellschaft» eine Absetzung erfährt. Das Erste beschloss, die 2007 gestartete Sendung aus „programmtechnischen Gründen“ nicht weiterzuführen. Ironischerweise hört die finale Ausgabe, die vor dem Entschluss fertiggestellt wurde, auf den Titel „Bitteres Ende“. Fritz Wepper klagte in der RP darüber: „Meiner Meinung nach haben wir mit den aktuellen Folgen ein hohes Niveau erreicht, sowohl inhaltlich als auch von der Umsetzung her. Ich bin sehr betrübt, dass die aus meiner Sicht wirklich gute Reihe eingestellt werden soll.“

Ein betrübliches Ende nahm nach langem Überlebenskampf zudem die frühere Daily-Soap «Verbotene Liebe», die auch durch ein Reboot als Weekly nicht gerettet werden konnte. Die letzte Ausgabe flimmerte am 26. Juni über die Mattscheiben und beendete so eine 20-jährige Fernsehära. Ein deutlich früheres Ende fand die filmpool-Soap «Berlin Models», die nach nur 45 Folgen bei RTL adieu sagte. Ein ähnlich rasches Ende fand die Sat.1-Romantic-Dramedy «Mila», die nach nur zwei Wochen beim großen Privatsender aus dem Programm gekegelt wurde. Eine neue Heimat fand die Serie zwar bei Sat.1 emotions, schlussendlich war dennoch nach 75 Episoden endgültig Schluss.

Sat.1 beendete mit «Newtopia» zudem eine Quotenenttäuschung, die obendrein ein wahres Pressedesaster darstellte. Die Vorabend-Reality, in der Pioniere eine eigene Gesellschaft aufbauen sollten, geriet in die Schlagzeilen der Branchenseiten, weil sich Kandidaten anpöbelten, die Sendung überstürzt verlassen haben und es zu Schummel-Skandalen gekommen ist – über dem Konzept angemessene Inhalte wurde derweil kaum gesprochen. Und auch die Quoten fielen mau aus: Im Mittel kamen die 106 gesendeten Ausgaben auf 1,43 Millionen Zuschauer ab drei Jahren, 0,63 Millionen davon waren zwischen 14 und 49 Jahre alt. In Marktanteilen ausgedrückt kämpfte sich die Sendung bis zu ihrem vorzeitigen Finale zu 6,4 respektive 9,1 Prozent.

Ausgekämpft hat es sich zudem für «Helena Fürst»: Aufgrund drastisch sinkender Zuschauerzahlen und Marktanteile setzte RTL die 2010 eingeführte Helfer-Dokusoap im August ab. Zuletzt hagelte es für die „Kämpferin aus Leidenschaft“ Negativrekorde bei Jung und Alt. Ähnlich erging es Thomas Sonnenburgs Reality «Die Ausreißer», die zum Schluss nur einstellige Werte bei den Werberelevanten holte. Ein großer Verlust aus dem RTL-Programm ereilte die TV-Welt in Form von «Block B»: Die viel diskutierte, mit viel Aufwand produzierte, emotional aufwühlende Frauenknast-Serie wurde nach ihrer ersten Staffel eingestellt – die Reichweiten waren schlicht zu niedrig.

Immerhin auf zwei Staffeln brachte es das Tele-5-Experiment «Der Klügere kippt nach». Die von Hugo Egon Balder erdachte Gesprächssendung begrüßte in Season zwei einen neuen Stammgast: Die spitzzüngige Entertainerin Désirée Nick, die in den sozialen Netzwerken scharf kritisiert wurde. Tele-5-Senderchef Kai Blasberg war bei Facebook zugleich besonders redselig und verschwiegen, was die Absetzung anbelangte: "Bei einer solchen Entscheidung spielen sehr viele Gründe eine Rolle, die immer je nach Sichtweise strittig sein werden. Deswegen gehört die Erörterung dieser Gründe nicht hier hin. Es kann aber jeder versichert sein, dass dies für alle Beteiligten eine schmerzhafte Entscheidung ist. Ich danke allen an dieser witzigen Show beteiligten Künstlern und Gästen, was ja auch nicht immer dasselbe ist. Und ich bin froh, dass wir das gemacht und gezeigt haben, dass man mit Wonne und Pracht Unsinniges zelebrieren kann. Allerdings muss ich auch zugeben, dass sogar mein Job an manchen Tagen keinen Spaß macht. Heute ist so ein Tag."

Im WDR verabschiedete sich zudem «Anke hat Zeit» ins Nirvana, bei Sky endete «Mein Stadion» und auch die TV-Pannen-Sammelstelle «Zapping». Und diese Liste ließe sich noch immer fortführen …

Stattdessen sei an dieser Stelle aber noch auf einige der Abschiede hinter den Kulissen eingegangen: Ende März 2015 gab Brian Sullivan, der Vater des Erfolgs von Sky Deutschland, den Pay-TV-Anbieter zu verlassen. Sullivan ging nach fünf Jahren erfolgreicher Tätigkeit, sozusagen nach erledigter Arbeit, von Bord: „„In den letzten Jahren hat sich Sky Deutschland exzellent entwickelt. Unser Produktangebot zählt heute zum Besten, was es auf der Welt gibt – seien es unsere herausragenden Inhalte, unsere beeindruckenden Innovationen oder unser preisgekrönter Kundenservice. Damit konnten wir Millionen von Kunden begeistern.“

Anders sah es für Nicolas Paalzow aus: Der Sat.1-Geschäftsführer trat zurück, weil er glaubte, nicht weiter „den Nerv der Zuschauer“ zu treffen. Paalzow holte Sat.1 nach seinem Amtsantritt vorübergehend aus der Quotenmisere, gegen Ende seines Schaffens ging es aber wieder abwärts, im September 2015 holte der Kanal nur noch 9,2 Prozent bei den Jüngeren. Nach diesem Dämpfer zog Paalzow am 7. Oktober den Schlussstrich. Und im Dezember wurde letztlich noch bekannt, dass Ex-Sat.1-Chef Fred Kogel bei der Constantin Media AG auf den scheidenden CEO Bernhard Burgener folgen wird. Obendrein kündigten Ende des Jahres sowohl rbb-Intendantin Dagmar Reim als auch hr-Intendant Helmut Reitze bekannt, aus privaten Gründen ihre Ämter abgeben zu wollen.

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