Die Kritiker

«Deutschland 83»

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Lange erwartet, nun endlich auch im deutschen Fernsehen: Die international mit Abstand renommierteste deutsche Serie. Ist der Hype gerechtfertigt? Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Darsteller: Jonas Nay als Martin Rauch/Moritz Stamm
Maria Schrader als Lenora Rauch
Ulrich Noethen als General Wolfgang Edel
Sonja Gerhardt als Annett Schneider
Ludwig Trepte als Alex Edel
Sylvester Groth als Walter Schweppenstette
Lisa Tomaschewsky als Yvonne Edel

Hinter der Kamera:
Produktion: UFA Fiction
Idee: Anna und Jörg Winger
Headautorin: Anna Winger
Regie: Edward Berger, Samira Radsi und Samira Radsi
Kamera: Philipp Haberlandt und Frank Küpper
Produzenten: Nico Hofmann und Jörg Winger
Deutschland ist immer etwas spät dran. Auch bei den eigenen Serien. Denn «Deutschland 83», das am Donnerstag bei RTL anläuft, hat schon im Sommer beim kleinen Sundance Channel die Herzen der amerikanischen Kritiker erobert.

Für alle, die es in den letzten Tagen und Wochen an der ubiquitären Vorberichterstattung vorbeigeschafft haben, also nochmal: Ja. Eine Serie aus dem Serien-Entwicklungsland Deutschland. Lief im amerikanischen Fernsehen. Und den Amerikanern hat’s gefallen. Den Zuschauern wie den Kritikern. Manche waren gar euphorisch.

Noch dazu liegt der Serie ein sehr deutscher Stoff zugrunde. Denn sie spielt, wie der Titel es wenig verklausuliert andeutet, im Deutschland des Jahres 1983. Martin Rauch ist ein junger NVA-Soldat, der an der Grenze westdeutsche Touristen einschüchtert, die im Osten krumme Geschäfte gemacht haben. Seine Tante Lenora arbeitet für die HVA, den Auslandsnachrichtendienst der DDR, und ist gerade ziemlich aufgebracht von Ronald Reagans Rede, in der er den Ostblock als Reich des Bösen bezeichnet. Die geplante Stationierung der Pershing-II-Raketen in der Bundesrepublik im Zuge des NATO-Doppelbeschlusses tut ihr Übriges.

Sie sieht die Gelegenheit gekommen, ihren Neffen Martin als Ordonnanzoffizier des hochrangigen Generals Wolfgang Edel in die Ferdinand-Braun-Kaserne in Westdeutschland einzuschleusen. Edel wird in nächster Zeit auch an NATO-Manövern teilnehmen, ist selbst in zahlreiche geheime NATO-Verschlusssachen eingeweiht und steht in regem Kontakt mit Generälen aus den USA und anderen westlichen Partnerstaaten. Martin soll den Namen Moritz Stamm annehmen. Der echte Moritz Stamm wird unterdessen von einem anderen DDR-Agenten erschossen.

Als seine Tante ihn rekrutieren will, erteilt er ihr eine Abfuhr. Daraufhin wird er in die Bundesrepublik. Nachdem ein Fluchtversuch fehlgeschlagen ist, greift der psychische Druck: Martins Mutter leidet an einer schweren Nierenkrankheit. Die Behandlung in der DDR ist schwierig, die aus dem Westen importierten Medikamente teuer. Wenn Martin mitspielt und als Moritz Stamm im Westen Informationen akquiriert, will man sie ganz oben auf die Transplantationsliste setzen. Martin willigt ein. Und der Agentenstoff nimmt seinen Lauf.

Nun gibt es in Deutschland schon eine erstklassige, horizontal erzählte Serie über den Ost-West-Konflikt in den 80er Jahren: «Weissensee». Beide spielen noch dazu im STASI-/Spionage-Milieu. Doch es ist schwer, sinnige Vergleiche zu ziehen.

Einige grobe Unterschiede: «Weissensee» legt größeren Wert auf die ethischen Reflexionen seiner Charaktere (insbesondere seiner negativen), während «Deutschland 83» handlungszentrierter und schneller erzählt. Und während sich «Weissensee», wenn auch mit zahlreichen Abschweifungen, klar am Gang der historischen Ereignisse orientiert, bilden die historischen Ankerpunkte in «Deutschland 83» eher den Hintergrund, vor dem sich ein spannungsgeladener Was-wäre-wenn-Agenten-Thriller entspinnt.

Das sind wohlgemerkt keine qualitativen Unterschiede, sondern konzeptuelle und narrative. Beide Serien funktionieren. Ganz hervorragend sogar. «Weissensee» mag an manchen Stellen intellektueller wirken, «Deutschland 83» dagegen dichter.

Und so reiht sich «Deutschland 83» in die bereits erfolgten Befreiungsschläge der deutschen Serie ein. Neben «Weissensee», das einen spannenden und intelligenten historischen Stoff mit einem horizontalen Rückgrat erzählt hat. Neben «Verbrechen» und «Schuld», die klugen Reflexionen, die die melodramatischen Regeln des Krimi-Genres durchbrachen. Neben «Der Club der roten Bänder», das Fernseh-Deutschland vorführte, mit wie viel Authentizität und Wärme sich Geschichten über schwerkranke junge Menschen erzählen lassen, ohne penetrant und suggestiv die einfachen Mitleidsinstinkte der Zuschauer zu bedienen.

«Deutschland 83» setzt in Puncto erzählerische Geschwindigkeit und einer stimmigen, mitunter sehr actiongeladenen, aber nicht minder intelligenten und tiefgründigen horizontalen Erzählweise Maßstäbe. Ebenso – auch das macht die Serie so wichtig – hinsichtlich ihrer internationalen Anerkennung.

RTL zeigt «Deutschland 83» ab Donnerstag, den 26. November um 20.15 Uhr, jeweils in Doppelfolgen.

Kurz-URL: qmde.de/82194
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