360 Grad

Schwingt die Keule!

von

Sascha Lobo forderte diese Woche in "Spiegel Online": Her mit der Nazi-Keule! Julian Miller pflichtet bei und fordert die Diabolisierung als Gegengewicht zur Dédiabolisation. Ein Kommentar.

Ich bin ein alter Verfechter des angelsächsischen Duck-Tests: If it walks like a duck, if it quacks like a duck, if it looks like a duck, it’s a duck!

Auf unsere lieben Asylkritiker übertragen: If they talk like Nazis, they are Nazis!

Deshalb will ich diese Woche einmal Sascha Lobo unterstützen und in seinen Aufruf miteinstimmen: Her mit der Nazi-Keule! Denn sie ist ein wirksames Instrument, nicht nur um ein bisschen sprachliche Wahrhaftigkeit aufrecht zu erhalten, sondern möglicherweise auch, um die Auswüchse abzulehnender politischer Ideen aus dem widerlichen Spektrum einzudämmen.

Dédiabolisation, die Entdiabolisierung, nannte Marine Le Pen ihre Strategie, mit der sie den rechtsextremen Front National in Frankreich in die Salonfähigkeit geführt hat und tatsächlich zählbare Ergebnisse bei Wahlen einfahren konnte. Als Jean-Marie Le Pen 2002 in die Stichwahl kam, konsolidierte sich die poltische Mitte in der UMP, um einen Rechtsextremen im Elysée-Palast mit aller Kraft zu verhindern. Heute dagegen ist ein starker FN kein abartiges Schreckensszenario mehr, sondern bereits gelebte Realität.

Noch gefährlicher als Marine Le Pen scheint nur ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Denn die tritt, anderes als ihre Tante – oder deren deutsches Pendant Frauke Petry – nicht so bräsig und herablassend gegenüber den etablierten Kräften und ihren politischen Gegnern auf, sondern freundlich, nett, zuvorkommend – und auch inhaltlich wesentlich gemäßigter, eher konservativ und weniger rechtsnational-populistisch.

Eine solche Dédiabolisation im Le-Pen-Stil ist natürlich auch der Plan von Frauke Petry, die in der AfD eine strategische Schizophrenie auslebt: auf der einen Seite ausländerfeindliche Ressentiments bedienen, auf der anderen durch ein gemäßigtes und seriöses Auftreten Wählerschichten in der rechten Mitte erschließen. Das kommt an die „seriöse Radikalität“, wie sie sich Holger Apfel einmal für die NPD vorgestellt hat, schon recht nahe ran.

Ha! Da ist sie! Die Nazi-Keule! NPD und AfD in einem Satz!

Aber selbst wenn ich es wollte: Ich könnte Frauke Petry gar nicht in die rechte Ecke stellen. Sie steht da schon längst. Und das, obwohl ihre eigenen Positionen deutlich weniger eklig-rechtspopulistisch sein dürften als das, was sie in ihrer Partei entweder zähneknirschend duldet oder erfolglos einzudämmen versucht. Bernd Lucke dürfte wissen, wie sich das anfühlt.

Schon er wirkte wenig glücklich, als er am Abend der letzten Bundestagswahl bei «Günther Jauch» im Publikum saß und Wolfgang Schäuble sich auf der Bühne demonstrativ weigerte, zwischen der NPD und der AfD zu differenzieren. „Sie nennen die NPD und die AfD in einem Satz?“, fragte Jauch nach. „Aber selbstverständlich!“, bestätigte Schäuble.

Aber Petry und Lucke sind für die gedankliche Figur der Nazi-Keule eigentlich unwichtig. Die beiden sind Intellektuelle, die meinen, jene Rechtsextremen, die inhaltlich nah bei der NPD stehen, aber noch zu viel Selbstachtung haben, um sich das offen einzugestehen, für ihre Zwecke einspannen zu können.

Ihre größte Kraft dürfte die Nazi-Keule im Einsatz gegen all die Mitläufer entfalten, die Hässlichkeiten in den Kommentarspalten hinterlassen und mit begrenztem Verstand und einer aus destilliertem Hass bestehenden sonderbaren Ideologie bei Pegida und den AfD-Demos mitmarschieren. Damit sie wissen, wo sie stehen. In der rechten Ecke. Jenseits jedweder zivilgesellschaftlichen Tragbarkeit. Die Diabolisierung als Gegengewicht zur Dédiabolisation.

Diese Leute sind keine neue Kraft. Es hat sie schon immer gegeben, und mit ihnen ihre seltsame Amalgamierung aus Ausländerfeindlichkeit, Antiamerikanismus, als Antizionismus oder Antiisraelismus getarntem Antisemitismus und den damit in kausalem Zusammenhang stehenden Ideologieversatzstücken auf verschiedenen Abstufungen der Beklopptheitsskala – von seltsam-verquer bis pathologisch. Vor Social Media, Kommentarfunktionen im Internet und den damit einhergehenden dezentralen Organisationsmöglichkeiten hatten sie nur keine Gelegenheit, ihre Schmierereien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder in ihren politischen Wahngebilden zueinander zu finden. Weil sie schon bei der Interessenszensur wegen Irrelevanz rausfallen. Und weil niemand ihren Schwachsinn ernst genommen hat.

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