Hingeschaut

«Ultra»: Eine erfreuliche Mogelpackung

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Der neue Fußball-Talk auf Tele 5 kam entgegen vorheriger Ankündigungen weder populistisch noch rebellisch daher - und dürfte echten Fans dank erstaunlicher Substanz dennoch Freude gemacht haben.

Warum genau Tele 5 seit diesem Donnerstag auf einen Fußball-Talk setzt, ist nur schwer anhand einer konzeptuellen Grundausrichtung des Senders zu erklären. Es sei denn, man betrachtet es als Konzept, dass die Programmverantwortlichen hier immer wieder mal Mut zu etwas Neuartigem, Überraschendem wagen und derartige Pläne nicht schon im Vorfeld zerreden. Zu diesem Ansatz passte auch die Ankündigung, «Ultra - Aus Liebe zum Fußball» solle "gegen den allgemein üblichen glattgebügelten Fußball-Talk Trend" arbeiten, "populistisch" denken und "provozierend, bockig, echt, rebellisch, emotional und auf den Punkt" daherkommen. Doch wer beim von Ex-«Doppelpass»-Moderator Rudi Brückner präsentierten Format ein polemisches Bierzelt-Geschwafel mit hohem "das-muss-man-jetzt-doch-mal-sagen-dürfen"-Faktor ausging, wurde enttäuscht. Stattdessen wurde man Zeuge eines erfreulich gehaltvollen Gesprächs mit Tiefgang, bei dem zwei sehr unterschiedliche Gäste sehr unterschiedliche Standpunkte vertraten. Partiell wirkte die Sendung allerdings fast schon etwas hölzern.

Als Hauptthema der Folge nahm man sich der Rolle des Trainers im modernen Fußballgeschäft an - und lud hierzu mit Felix Magath sowie dem aufstrebenden Zweitliga-Coach Dirk Schuster Gäste ein, die zu besagter Thematik schon aus rein persönlicher Erfahrung einiges sagen können. Die Konstellation ist auch insofern spannend, dass Magath auf der einen Seite eher als Traditionalist bekannt ist, der in seiner Laufbahn stets eher das Image des harten Hunds mit großem Fokus auf Kondition und Kampfbereitschaft innehielt, während Schuster auf der anderen Seite ein Vertreter modernerer Ansätze ist - und auch weitaus wohlwollender auf das aktuelle Fußballgeschäft blickt.

Entsprechend fällt dann in der einstündigen Diskussionsrunde auch eher Magath mit kontroversen und systemkritischen Aussagen auf, die der rundum gut aufgelegte Moderator mehrfach hinterfragt - und den alten Trainer-Hasen damit einige Male erheblich ins Schwitzen bringt. So gibt sich Brückner nicht mit der Aussage Magaths zufrieden, dass Trainer heutzutage einen erheblichen Einflussverlust im Verein zu beklagen haben und im Falle eines Misserfolgs als Sündenböcke herhalten müssen. Stattdessen möchte er auch über die Hintergründe dieser allmählichen Entwicklung aufgeklärt werden, was Magath allerdings kaum darzulegen in der Lage ist und zunächst mit recht oberflächlichen Phrasen zu kaschieren versucht. Brückner jedoch ist nicht gewillt, ihn mit derartigen Allgemeinplätzen durchkommen zu lassen - und hebt sich somit schon wohltuend von diversen Moderations-Zombies ab, die seelenlos ihre vorformulierten Fragen abarbeiten.

So entwickelt sich eine alles in allem durchaus lehrreiche Diskussion, in die hin und wieder der sendungseigene Reporter Andre Schubert eingreift, um neue Aspekte einzubringen, bei manchen Statements noch einmal einzuhaken, Zuschauer-Tweets vorzulesen oder durch kurze Einspieler auch andere Experten-Meinungen einzuholen. Wie über die gesamte Laufzeit hinweg ist auch hier die Intention erkennbar, etwas tiefer gehende Erkenntnisse zu produzieren, die man nicht bei jedem beliebigen Bolzplatz-Gespräch aufschnappt. Insofern erstaunen Sendungstitel und Programmankündigung, denn mit dem landläufigen Bild, das der Zuschauer mit dem Begriff "Ultra" assoziiert, hat die Umsetzung kaum etwas zu tun. Auch von der oftmals doch eher stumpfen Polemik des heutigen «Doppelpass» ist hier nichts zu sehen, treffender ist da schon der Vergleich mit dem weitaus bodenständigeren, substanzielleren «Sky 90».

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Ob das zu einem Quoten-Erfolg führen wird, ist allerdings fraglich. Hierzu müsste es der Sendung gelingen, ein Publikum zu erschließen, das ansonsten von Tele 5 kaum bedient wird - und in wenigen Wochen dann im Zweifel wohl auch lieber wieder die Live-Ausstrahlung der Europa League sehen möchte als einen parallel dazu ausgestrahlten Fußball-Talk. Inhaltlich kann man dem Format allerdings maximal den Vorwurf machen, noch etwas zu hölzern daher zu kommen. Hier wäre es wohl ratsam, in Zukunft auch den einen oder anderen "volksnahen" Gast einzuladen, der eher aus der Sicht eines Fans argumentiert - es muss ja nicht gerade das Klischeebild des arbeitslosen Arbeitslosen Herbert Schwakowiak sein. Generell macht die Auftaktfolge den Eindruck, als könne man durchaus noch einen dritten oder gar vierten Gast einladen, damit etwas mehr Dynamik am Gesprächstisch aufkommt. Aber das sind kleinere Stellschrauben, an denen die Verantwortlichen in den kommenden Wochen noch arbeiten können. Die Basis für einen profunden, angenehmen Talk mit Mehrwert ist vorhanden - und damit wohl schon mehr, als viele potenzielle Zuschauer bei der Programmankündigung erwartet haben dürften.

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