Die Kritiker

«Blindgänger»

von

Wolfgang Stumphs Immigrantendrama ist zwar kein absoluter Knaller, jedoch auch weit davon entfernt, seinem Titel alle Ehre zu machen.

Cast und Crew

  • Regie: Peter Kahane
  • Darsteller: Wolfgang Stumph, Mia Kasalo, Ulrike Krumbiegel, Franz Dinda, Natalia Belitski, Inka Friedrich, Götz Schubert, Christina Große
  • Drehbuch: Simone Kollmorgen, Peter Kahane
  • Kamera: Bussow von Müller
  • Musik: Dieter Schleip
  • Schnitt: Florian Drechsler
Wolfgang Stumph wurde zwar seiner populären Rolle des Stubbe müde, nach einem selbstbestimmten Ruhestand gelüstete es dem beliebten Schauspieler allerdings nicht. Bereits kurz nach dem Finale der Krimireihe «Stubbe – Von Fall zu Fall» kündigten Stumph und das ZDF an, dass der Mime ein Drama produzieren wird, in dem er die Hauptrolle übernimmt. Als im Frühjahr 2014 die Weichen für «Blindgänger» gestellt wurden, konnte wohl niemand ahnen, wie brandaktuell das Thema dieser Fernsehproduktion zum Ausstrahlungszeitpunkt sein wird.

Doch da sind wir nun: Deutsche Fußgängerzonen füllen sich regelmäßig mit selbsternannten Patrioten Europas, die glauben, sämtliche Weisheit in Einwanderungsfragen für sich gepachtet zu haben und denen es nicht um Einzelschicksale gelegen ist. Wenn dieser sicherlich wieder einmal mehrere Millionen Fernsehende erreichende ZDF-Film auch nur drei, vier Menschen dazu bringt, sich wieder sensibler solchen politischen Fragen anzunähern, wäre bereits etwas Gutes getan. Undenkbar wäre es nicht, dass es dem Film gelingt: Obwohl «Blindgänger» kein filmischer Volltreffer ist, verkauft er ohne den Zeigefinger zu offensichtlich zu erheben, eine herzliche, gute Botschaft.

Stumph spielt den Bombenentschärfer Conny Stein, der sich kurz vor Beginn seiner Rente in einer kleinen Sinnkrise befindet. Conny kann sich schlichtweg nicht damit abfinden, bald ohne Aufgabe dazustehen und zeigt sich daher im Eheheim gelangweilt, reizbar und wortkarg. Seine Frau Sanna, die bis dahin glaubte, ihren Lebensabend nach Connys Verrentung mit gemeinsamen Reisen verbringen zu können, ist entsprechend genervt und packt daher ihre Sachen. Bei seinem letzten Einsatz entdeckt der Griesgram ein zehnjähriges Mädchen, das sich in einem Keller versteckt hielt. Sie hört auf den Namen Olli und soll nach eigener Aussage in den Kaukasus abgeschoben werden. Sie ist zwar in Deutschland aufgewachsen, da aber ihre Eltern aus Tschetschenien stammen, gilt auch sie nach hiesigem Recht als Ausländerin. Conny will sich in diese Sache gar nicht erst einmischen, aber das Mädchen spürt, dass er ein gutes Herz hat und heftet sich daher an seine Fersen. Conny, ganz pflichtbewusster Staatsbürger, schleppt deshalb die kleine Klette auf das Ausländeramt. Dort gerät er allerdings an stressige Paragraphenreiter, die Conny ungewollt die Augen öffnen …

Ein grantiger, älterer Mann mit verstecktem, aber gesundem Gerechtigkeitsverständnis muss sich mit einem jüngeren, „ausländischen“ Mädchen herumschlagen und lernt dabei nicht nur sich selbst besser kennen, sondern auch wertvolle Lektionen in Toleranzfragen. «Blindgänger» ist, da die Figuren gänzlich anders gezeichnet sind und auch der Plot ganz andere Wege geht, kein «Dreiviertelmond»-Abklatsch. Trotzdem werden durch die kleinen Parallelen Erinnerungen wach – und dies gereicht «Blindgänger» zum Nachteil. Denn der preisgekrönte Kinofilm von Christian Zübert reduziert seine Handlung auf das Duo Elmar Wepper & Mercan Türkoğlu, gibt diesen Figuren somit mehr Zeit, aufzutauen und sich mehrdimensional zu entwickeln. Obwohl auch «Blindgänger» zumindest bei den wichtigen Figuren auf all zu ausgediente Klischees verzichtet und seine Moral unaufdringlich vermittelt, wirkt dieser Neunzigminüter im direkten Vergleich ungeschliffener und bemühter.

Größter Schwachpunkt der vom versierten Regisseur Peter Kahane in Zusammenarbeit mit Simone Kollmorgen verfassten Geschichte ist der Subplot um Connys Gattin Sanna, die davor steht, ihre Ehe aufzugeben. Die wenigen Sequenzen, die sich um diesen Handlungsstrang drehen, wirken abgehetzt und melodramatisch – und lenken somit nicht nur thematisch, sondern auch qualitativ von der Hauptgeschichte ab. Die wiederum hält das, was Stumph-Filme ihrem Publikum versprechen und ist dank einer guten Balance aus Dramatik, Spannung und ungezwungen-amüsanter Situationskomik ebenso aussagekräftig wie kurzweilig.

«Blindgänger» ist am 26. Januar 2015 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/75890
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