First Look

«Constantine»: Hochgeschwindigkeits-Horror

von

Ein verruchter Antiheld, teuflische Dämonen und viele Fragen. Ob diese Zutaten als TV-Serie besser funktionieren als 2005 im Kino, verrät unsere Kritik.

Hinter den Kulissen

  • basiert auf dem DC-Comic "Hellblazer"
  • Serienschöpfer: Daniel Cerone («Dexter»), David S. Goyer (Nolans «Batman»-Trilogie)
  • Darsteller: Matt Ryan («Criminal Minds: Team Red»), Angélica Celaya, Harold Perrineau, Charles Halford
  • Executive producers: Daniel Cerone, David S. Goyer, Mark Verheiden
  • Produktion: Ever After/Phantom Four Productions, DC Entertainment, Warner Bros. Television
Was der Zuschauer in den ersten fünf Minuten von «Constantine» erlebt, reicht eigentlich, um wieder abzuschalten: Hauptcharakter John Constantine liefert sich freiwillig in eine Nervenheilanstalt ein, unterzieht sich einer Elektrokrampftherapie, erleidet riesige Schmerzen. Ein gebrochener Mann, der seine Erinnerung löschen will: die Erinnerung an einen verlorenen Kampf um ein unschuldiges Mädchen, dessen Seele nun in der Hölle wandert. Constantine will kein Dämonenjäger mehr sein. Doch kurz darauf sucht eine teuflische Gestalt die Anstalt heim, und Constantine stellt sich seiner Aufgabe, bändigt die Kreatur. Er erkennt, dass er sein Schicksal akzeptieren muss, um die Welt vor dem Unheil zu bewahren…

Der Auftakt zur neuen Fantasyserie ist keine leichte Kost, und manche werden sich ob der scheinbar zusammenhangslosen Ereignisse und verstörenden Bilder schnell abwenden. Dass der Hochgeschwindigkeits-Horror nicht nur rasanter Beginn ist, sondern Konzept, zeigt sich bald: Die gesamte erste Folge von «Constantine» gönnt sich keine Atempause, ein Vorfall jagt den nächsten. Hier reißt der Erdboden auf, da rast ein Truck in Gebäude, dort tauchen tote Seelen im «The Ring»-Stil auf.

Und irgendwann, wenn zumindest ansatzweise eine Story etabliert wird, passen die losen Ereignisfäden zusammen: Es geht um die junge Frau Liv Aberdeen, die vom Okkulten und Dämonischen nichts weiß, bis ihr urplötzlich nach dem Leben getrachtet wird. Constantine will sie beschützen; er erklärt, dass ein Dämon ihr Leben will. „Warum gerade ich?“, fragt Liv. Weil ihr Vater ebenfalls ein Dämonenjäger war – und Constantine einst versprach, sie zu beschützen. Der Zuschauer nimmt die Rolle der Liv ein, ahnungslos und mit vielen Fragen. Nur ganz langsam erfährt man mehr über die Welt, die dunklen Mächte und ihre Jäger. Wenig aber über die Figuren, die diese Serie ausmachen: John Constantine gibt kaum etwas über sich preis, seine Figur ist daher noch sehr geheimnisvoll charakterisiert. „Ich vertraue dir mein Leben an, da kannst du mir doch zumindest eine Kleinigkeit über dich erzählen?“, spricht Liv nach einiger Zeit dem Zuschauer aus dem Herzen.

Immerhin ist dieser Constantine deutlich näher an der Comicvorlage als der Filmcharakter von 2005, damals gespielt von Keanu Reeves. Der Fernseh-Constantine ist dreckiger, verruchter, zynischer und kaschiert seine Gefühle mit lockeren, kultigen Sprüchen – in britischem Akzent, getreu der Charakterhistorie. Schauspieler Matt Ryan porträtiert seine Figur manchmal etwas zu bemüht, ansonsten cool und ausdrucksstark. Blonde, zerzauste Haare und ein brauner Trenchcoat sind in den Comics Markenzeichen, die hier aufgegriffen wurden; lediglich das Kettenrauchen fiel wohl den TV-Gesetzen zum Opfer. Was es außerdem – wenig überraschend – nicht in die Fernsehversion geschafft hat, sind politische und gesellschaftskritische Kommentierungen. Die anspruchsvolle Comicvorlage „Hellblazer“, seit 1988 herausgegeben, präsentierte besonders in den Anfangsjahren eine linke, liberale Weltsicht des Autors und liest sich als viel mehr als eine simple Fantasystory. Von diesem Mehr ist in der NBC-Serie nichts mehr übrig.

Dass «Constantine» dennoch als guilty pleasure zumindest ein wenig Spaß macht, liegt an den markigen Sprüchen des Hauptcharakters und den zahlreichen visuell beeindruckenden Kreaturen und Schauplätzen, die uns in der Auftaktfolge begegnen. Fans von unkonventioneller Fantasy – in den USA läuft die Serie im Anschluss an «Grimm» – werden auf ihre Kosten kommen, auch wenn man sich ärgern kann ob des (bisher) verschenkten Potenzials. Als äußerst komplexer, ambivalenter Charakter ist John Constantine einer der größten Comic-Antihelden, der hier bisher auf Stereotype heruntergebrochen wird. Ob es einen stärkeren roten Faden gibt, bleibt noch abzuwarten – es ist aber zu befürchten, dass die Serie dem Schema „monster (demon) of the week“ folgt und pro Episode Jagd auf einen Dämon macht. Völlig oberflächlich bleiben zudem die Nebencharaktere, die in den Comics eine herausragende Rolle einnehmen und hier zwar eingeführt werden, aber dies völlig blass und scheinbar aktionistisch, um Fans zufriedenzustellen. So bleibt für den Zuschauer kaum etwas Greifbares, das ihn mit «Constantine» anfreunden lässt; kaum etwas, das ihn wiederkommen lässt. Chance vertan.

Mehr zum Thema... Constantine Grimm The Ring
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