Popcorn & Rollenwechsel

Erfolg ≠ Beliebtheit

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Michael Bay und Konsorten behaupten es immer wieder: Kritiker motzen vielleicht, aber das Volk liebt Filme wie «Transformers». Ach, wirklich?

«Transformers – Ära des Untergangs» startet zwar erst am 17. Juli in den deutschen Kinos, doch andere Länder kamen bereits in den Genuss von Michael Bays Big-Budget-Projekt. Und überall zeichnet sich das gleiche Bild ab: Die Kritiken fallen mager aus, die Kinoeinnahmen dafür umso satter. Wie es nach dem Kinostart einer Bay-Regiearbeit mittlerweile schlicht dazugehört, äußerten sich einige der Verantwortlichen von «Transformers – Ära des Untergangs» zu diesem Thema und griffen Kritiker aufgrund ihrer negativen Rezensionen an. Darunter Produzent Lorenzo Di Bonaventura, der Mike Ryan von Screencrush.com gegenüber behauptete, Kritiker hätten schlicht keine Ahnung von der Art Film, die «Transformers – Ära des Untergangs» darstellt:

„Ich denke, das Problem ist, dass Kritiker nicht das Konzept teurer Unterhaltungsfilme verstehen. Also vergleichen sie diese Produktionen mit anderen Formen von Filmen, die sie aber nicht sein wollen und genauso wenig sein sollen“, mutmaßt der Produzent, der unter anderem auch «G.I. Joe – Geheimauftrag Cobra» finanzierte. Weiter sagt er: „Es ist so, als würden Kritiker stets dem Gedanken verfallen: 'Okay, dann vergleichen wir das mit einem Marty-Scorsese-Film oder einem zweistündigen Drama!' […] Ich glaube, sie haben kein Verständnis für diese Form der Unterhaltung und sie haben auch keinen Respekt vor ihr.“ Die zahlenden Besucher dagegen seien laut Di Bonaventura „klug genug“, zwischen diversen filmischen Stilen zu unterscheiden und sie daran zu messen, was sie sich zum Ziel setzen – und daher würden Produktionen wie die «Transformers»-Saga noch immer viel Geld einnehmen.

Mit diesem Statement schlägt Di Bonaventura in dieselbe Kerbe, in die vor ihm beispielsweise auch Josh Greenstein kurz vor Kinostart des dritten «Transformers»-Streifen schlug. Der Chief Marketing Officer der Marketingabteilung von Paramount Pictures verteidigte gegenüber GQ den 2009 in die Lichtspielhäuser entlassenen «Transformers – Die Rache»: „Was die negative Reaktion angeht, so wird diese meiner Ansicht nach hochgekocht. Das Publikum liebte den Film. Ob die Kritiker ihn nun mochten oder nicht, das ist eine andere Geschichte, aber der Film nahm [in den USA] über 400 Millionen Dollar ein.“ Fragt man also die Schalter und Walter in der Hollywood-Maschinerie, so bedeutet ein hohes Einspielergebnis: „Scheißt auf die Kritiker. Die gigantischen Einnahmen zeigen, dass das normale Publikum unsere Filme liebt!“

Bedenkt man, dass enorme Einspielergebnisse nicht allein am Startwochenende zustande kommen (wo allein die Wirksamkeit des Marketings, Neugier und Kritiken einen Einfluss haben), darf man durchaus davon ausgehen, dass so manche Filme durchaus mittels Mundpropaganda zum Erfolg gebracht wurden. Oder auch durch Fans, die mehrmals ins Kino gingen. Dessen ungeachtet muss dies nicht auf jeden Kassenschlager zutreffen – ein hohes Einspielergebnis bedeutet nämlich zuallererst allein, dass viele Menschen ein Ticket lösten. Ob sie ihre Entscheidung bereut haben oder nicht, das lässt sich an den Einnahmen nicht ablesen. Schließlich haben die wenigsten Kinos eine „Geld zurück!“-Garantie. Wie gut ein Film beim zahlenden Publikum ankam, lässt sich eher anhand der IMDb herausfinden. Die mag zwar ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dennoch hat sie aufgrund ihrer hohen Userzahl eine nicht unerhebliche Aussagekraft darüber, welche Produktionen bei Filminteressierten gut ankamen und welche beim Publikum durchfielen.

Und siehe da: Ein Vergleich zwischen den User-Bewertungen bei IMDb und der Liste der erfolgreichsten Filme aller Zeiten offenbart, dass die von Mitgliedern der Hollywood-Industrie so gern aufgestellte These „Hohes Einspiel = Hoher Beliebtheitsgrad“ so manche Löcher aufweist. Um erst einmal bei den «Transformers»-Filmen zu bleiben: Gemäß der Logik von Josh Greenstein müsste «Transformers 3» der beliebteste Teil der Reihe sein, da er das meiste Geld einspielte. Bei IMDb hat er jedoch ein Rating von 6,4 Punkten und unterliegt somit dem Erstling, der 7,2 Punkte ergatterte – aber auch 414,10 Millionen Dollar weniger an den weltweiten Kinokassen. Ebenso müsste «Toy Story 3» erfolgreicher sein als «Die Eiskönigin – Völlig unverfroren», wenn doch Beliebtheit gleichbedeutend mit hohen Einnahmen ist. Denn Pixars Spielzeugepos brachte es auf 8,4 Punkte bei IMDb, während Disneys Eismärchen „nur“ 7,8 Punkte gewann. An den Kinokassen ließen Elsa und Anna jedoch Woody und Buzz alt aussehen. Und wie erklären Josh Greenstein und Di Bonaventura bitte, dass «Iron Man 3» (7,4 Punkte) mehr einspielte als «Skyfall» (7,8 Punkte)?

Tim Burtons «Alice im Wunderland» wiederum ist laut IMDb nicht einmal in der Nähe der 250 beliebtesten Filme aller Zeiten – in der Hitliste der größten Erfolge hingegen residiert das Fantasy-Machwerk aktuell auf Rang 16. Den 16. Platz der IMDb-Hitliste nennt dagegen momentan «Der Herr der Ringe – Die zwei Türme» sein Eigen (mit 8,7 Punkten). Gemessen am Einspielergebnis befindet sich der Mittelteil der Tolkien-Trilogie mit seinen 927,1 Millionen Dollar wohlgemerkt auf dem 28. Platz der ewigen Kinobestenliste – und somit unter anderem hinter «Der Hobbit – Smaugs Einöde» (8,1 Punkte vs. 958,4 Mio. Dollar), «Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt» (7,1 Punkte vs. 963,4 Mio. Dollar) und «Ich – Einfach unverbesserlich 2» (7,6 Punkte vs. 970,8 Mio. Dollar).

Und fangen wir besser nicht mit dem Lieblingsfilm der IMDb-User an. «Die Verurteilten» brachte es 1994 in seinem Heimatland nämlich auf nicht einmal in die Top 50 der Jahrescharts. Was lernen wir also daraus? Gute Einnahmen bedeuten weder eine hohe Qualität, noch eine hohe Beliebtheit. Aber auf diesem Ohr sind manche Film- und Fernsehmacher wohl einfach taub …

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