Popcorn & Rollenwechsel

Vom «Looper» zu «Star Wars»

von

«Looper»-Regisseur Rian Johnson filmt die achte «Star Wars»-Episode. Ein gutes Zeichen, meint unser Kinokolumnist Sidney Schering.

Nach und nach verjagt der Disney-Konzern den Pessimismus zweiflerischer «Star Wars»-Fans. Als der Entertainmentgigant im Oktober 2012 Lucasfilm übernahm und somit auch die Rechte am «Star Wars»-Universum, quollen die sozialen Netzwerke vor Panik über. Cholerische «Star Wars»-Fans und neckisch aufgelegte Gelegenheitszuschauer übten sich in Horrorszenarien, was Disney alles mit der populären Weltallsaga anstellen könnte. Hannah Montana als Jedi-Prinzessin, Micky Maus als Retter der Galaxie und «Der König der Löwen»-Fiesling Scar als neuer Superschurke – schenkte man den Internetusern in jenen Tagen Glauben, so waren all dies realistische Prognosen. Denn bekanntlich kämpfte in «Marvel's The Avengers» Goofy Seite an Seite mit Iron Man und Captain America, während Winnie Puuh bislang in jedem «Pirates of the Caribbean»-Film aufkreuzte.

Man merkt es wohl an meinem Sarkasmus, ich hielt noch nie viel von all den „Disney zerstört «Star Wars» mit Micky Maus und Musicaleinlagen“-Albernheiten. Selbst als Gag funktionieren sie nahezu niemals und als ernstgemeinte Sorge sind sie, naja, nicht gerade ernstzunehmen. Wollte man Angst vor Disney-Methoden haben, so lag eine andere Furcht viel näher. Denn wenn sich der Disney-Konzern seit Mitte der 90er mehrmals einer Sache schuldig gemacht hat, dann der Zerstörung angesehener Produktnamen durch minderwertige, auf den Markt geschmissener Produkte. „Oh, ihr liebt «Arielle, die Meerjungfrau»? Dann kauft auch unsere günstig produzierten Fortsetzungen für den Videomarkt“, brüllte Disney jahrelang seinen Kunden entgegen. Und verwässerte somit das Image seiner eigenen Zeichentricksparte im Generellen und solcher Filme wie «Bambi», «Peter Pan» oder «Das Dschungelbuch» im Speziellen. Besonders schlimm traf es den armen Bären Winnie Puuh: Wurden seine ersten Disney-Trickabenteuer als smart und charmant gelobt, mutierte er in den Augen der Allgemeinheit durch schlechte Fernsehserien und kindische Langfilme zu einem exklusiv an Vorschulkinder gerichteten Fließbandprodukt. Selbst der liebenswerte Film «Winnie Puuh» von 2011 konnte dies kaum korrigieren.

Disney hat seine Lektion noch immer nicht gelernt, und sägt aktuell mit der «Planes»-Reihe am Ast, auf dem die Pixar Animation Studios sitzen. Wer sich mit Trickfilmen beschäftigt, weiß, dass Pixar nichts mit diesen Kinderfilmchen zu tun hat, doch ihr visueller Stil und das Marketing sprechen eine andere Sprache, was die breite Masse im besten Fall verwirrt. Im schlimmsten Fall gerät sie in den Irrglauben, dass Pixar hoffnungslos verloren ist.

Wenn man also Disneys Übernahme von Lucasfilm unbedingt mit Sorgen begrüßen wollte, so hätte sich 2012 die Theorie angeboten, dass der Mäusekonzern seine Investition von 4,06 Milliarden Dollar auf die denkbar mieseste Art bezahlt machen wird: Alle Jahre wieder kommt ein lieblos raus gerotzter Film auf den Markt, der nichts anderes ist als eine schlecht getarnte Promo für neues Merchandising – und das verkauft sich dann wie geschnitten Brot. Kritische Fans heulen, die Produkte verkaufen sich wahnsinnig, die Geschäftsführer freuen sich wie ein Ewok in der Bratpfanne.

Um nun aber zu meinem ersten Satz dieser Kolumne zurückzukommen: Disney ist bislang auf bestem Wege, jeglichen Zweifel zu verjagen. Zunächst wurde J. J. Abrams für «Star Wars – Episode VII» angeheuert, der Regisseur des erfolgreichen «Star Trek»-Reboots und des dritten «Mission: Impossible»-Films, der die Reihe nach dem miesen zweiten Teil wieder auf Kurs brachte. Dann erhielten Gareth Edwards, Regisseur des von Kritikern gefeierten «Godzilla»-Blockbusters, und «Chronicle»-Macher Josh Trank den Zuschlag für jeweils einen der geplanten Spin-off-Filme. Und jetzt reichen Disney und Lucasfilm erste Informationen über die Episoden VIII und IX nach: Das Drehbuch zu Episode VIII wird von Rian Johnson stammen, der bei diesem Film auch Regie führt und darüber hinaus ein Treatment für das neunte Kapitel der Saga verfassen soll.

Rian Johnson inszenierte drei der beliebtesten Episoden des genialen TV-Dramas «Breaking Bad» (darunter die alles verändernde, packende Folge „Ozymandias“), außerdem bescherte er Filmfreunden den modernen Film-noir «Brick», die Abenteuerkomödie «Brothers Bloom» sowie den intelligenten Sci-Fi-Thriller «Looper». Alle drei Produktionen erhielten gute bis sehr gute Kritiken und überzeugten sowohl mit geistreichen Skripts sowie mit ungewöhnlichen, aufregenden inszenatorischen Entscheidungen. Während mit J. J. Abrams also ein Blockbuster-Spezialist für den Start der neuen Trilogie geordert wurde, überlässt Disney den zweiten Teil einem erfahrenen, aber dennoch unverbrauchten Filmemacher, der sich auch durch sein Köpfchen einen Namen gemacht hat. Das ist wahrlich meilenweit von dem entfernt, was in einem Worst-Case-Scenario passieren würde.

Selbstredend garantieren all diese Namen keine großartigen Filme. Schließlich können selbst die größten Meister auch mal miese Regiearbeiten abliefern – und im Falle von J. J. Abrams liegt mit «Star Trek Into Darkness» die letzte Enttäuschung nicht lange zurück. Dennoch zeigt all dies, dass Disney mit einer löblichen Einstellung an die «Star Wars»-Projekte herantritt. Es wäre problemlos machbar, einfach einen austauschbaren Regisseur wie Hoyt Yeatman («G-Force – Agenten mit Biss»), Walt Becker («Old Dogs») oder Andy Fickman («Die Bestimmer – Kinder haften für ihre Eltern») zu nehmen, mit Studio-Memos zu bombardieren und das «Star Wars»-Pendant zu «Planes» zu produzieren. Alternativ könnte Disney am laufenden Band Köpfe wie Jon Favreau, Bill Condon oder Chris Weitz anheuern – Leute, die auch auf Erfolge zurückblicken können und nicht als unfähig erachtet werden, aber keine markante, eigene Sichtweise mitbringen. Dies würde möglicherweise in gute Projekte münden, aber den Faktor Innovation und Mut vernachlässigen.

Stattdessen setzt Disney teils auf Macher großer Publikumserfolge mit einer dezenten eigenen Note und teils auf sehr innovativ denkende Filmemacher, die damit bislang durchaus erfolgreich liefen. Wenn man mich fragt, so ist dies die exakt richtige Mischung, um das «Star Wars»-Franchise auf der großen Leinwand nicht nur zu guten Einnahmen zu führen, sondern auch zu Anerkennung von Kritikern und Fans.

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