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Osteuropa verhindert Elaiza-Debakel beim «ESC»

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Von wegen Punkteschieberei: Deutschland gehörte in diesem Jahr zu den größten Profiteuren der osteuropäischen Votings. Bei der Frage nach dem Sieger zeigte sich der Osten hingegen gespalten.

Woher kamen Punkte für Elaiza?

  • Polen: 8
  • Schweiz: 7
  • Armenien: 6
  • Ukraine und Georgien: je 5
  • Albanien: 4
  • Rumänien und Slowenien: je 2
Die Legende der Punkteschieberei im Osten hält sich beim «Eurovision Song Contest» hartnäckig, doch häufig ist sie übertrieben oder schlichtweg falsch. Gerade Deutschland sollte sich in diesem Jahr mit Kritik an seinen östlichen Nachbarn zurückhalten, denn 32 der 39 Punkte für die Band Elaiza kamen aus Osteuropa, darüber hinaus konnte sich lediglich die Schweiz für "Is It Right" begeistern (siehe auch Infobox). Die größten Profiteure waren allerdings Weißrussland und Montenegro. Quotenmeter.de hat sich daran versucht, eigenständige West- und Ost-Votings zu erstellen - mit interessanten Ergebnissen.

Da die Einteilung der Teilnehmerländer in West und Ost schwer fällt, haben wir uns hierbei um möglichst klare und belastbare Kriterien bemüht. Letztlich umfasst der "Osten" in unserer Auswertung sämtliche Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes mit Ausnahme der DDR sowie die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Dementsprechend umfassen folgende 17 der 37 Nationen unserer Interpretation des Ostens:
- Albanien, Polen, Ungarn und Rumänien (Warschauer Pakt)
- Estland, Lettland, Litauen, Aserbaidschan, Georgien, Russland, Ukraine, Weißrussland, Armenien und Moldawien (ehemalige Staaten der Sowjetunion und somit auch Teil des Warschauer Pakts)
- Mazedonien, Montenegro und Slowenien (Ex-Jugoslawien)
Es sei darauf hingewiesen, dass nach einer rein geographischen Interpretation an dieser Stelle auch mindestens Finnland, Griechenland und Israel, wenn nicht sogar auch Norwegen und Schweden hätten gelistet werden müssen, da sie östlicher liegen als beispielsweise Slowenien. Deshalb sei explizit erwähnt, dass diese Auswertung nicht anhand offizieller Kriterien erstellt wurde.

Das Ost-Voting: (in Klammern: Unterschied zum Platz im Gesamtranking)
01. Schweden 91 (+2)
01. Armenien 91 (+3)
01. Österreich 91 (=)
04. Niederlande 89 (-2)
05. Ukraine 77 (+1)
06. Ungarn 74 (-1)
07. Russland 69 (=)
08. Weißrussland 42 (+8)
09. Montenegro 37 (+10)
10. Spanien 37 (=)
11. Schweiz 33 (+2)
11. Norwegen 33 (-3)
13. Deutschland 32 (+5)
14. Polen 31 (=)
15. Griechenland 27 (+5)
16. Rumänien 23 (-4)
17. Aserbaidschan 21 (+5)
18. Italien 18 (+3)
18. Dänemark 18 (-9)
18. Finnland 18 (-7)
21. San Marino 14 (+3)
22. Slowenien 9 (+3)
23. Island 6 (-8)
23. Malta 6 (=)
25. Großbritannien 3 (-8)
26. Frankreich 0 (=)


Gleich vier Songs konkurrierten am Samstagabend in den Ost-Staaten beinahe gleichauf um den Sieg. Dabei kamen Österreich und die Niederlande vergleichsweise schlecht weg, während vor allem der im Gesamtklassement abgeschlagene Armenier ein ernsthafter Titelanwärter war. Dies spricht für eine erhöhte Präferenz vieler Wähler für regionale Musiker. Besonders stark zeigt sich diese allerdings ausgerechnet bei den größten Konfliktparteien Ukraine und Russland: Die Ukrainer generierten hier 77 ihrer 113 Punkte (also gut 68 Prozent), die Russen sogar 69 von 89 Punkten (77,5 Prozent). Ohne den Erfolg in der eigenen Region völlig unbedeutend wären die letzte lupenreine Diktatur des Kontinents, Weißrussland (41 von 42 Punkten), sowie Montenegro (alle 37 Punkte) gewesen.

Interessant: Sämtliche Nordstaaten verloren rapide durch die Votings im Osten. Am ärgsten traf es hier Island, das nur sechs seiner 58 Punkte (10,3 Prozent) einfuhr und somit nicht einmal die Top 20 erreichte. Nicht viel besser sah es für Dänemark (18 von 74 Punkten) und Finnland (18 von 72) aus, die ebenfalls nur knapp ein Viertel ihrer Punkte aus Osteuropa generierten. Norwegen kam mit 33 von 88 Punkten (37,5 Prozent) noch vergleichsweise glimpflich davon. Auch Großbritannien wäre ohne Osteuropa wesentlich besser platziert gewesen, nur drei von immerhin 40 Punkten (7,5 Prozent) wurden hier erzielt.

Allerdings gab es auch die eine oder andere Überraschung, die gegen einen generellen "Ost-Klüngel" sprechen: So holte hier Rumänien gerade einmal 23 seiner 72 Punkte (knapp 32 Prozent), auch Malta (6 von 32 Punkte, 18,8 Prozent) gehörte zu den Verlierern. Von den Briten abgesehen war man auch den fünf großen Wirtschaftsnationen keineswegs abgeneigt, wovon insbesondere die Bundesrepublik ein Lied singen konnte: Erstaunliche 32 von 39 Punkten holten Elaiza aus dem Osten, das sind über 82 Prozent aller erreichten Punkte. Italien kam mit 18 von 33 Zählern ebenfalls verhältnismäßig gut weg, Spanien erreichte mit 37 Punkten exakt die Hälfte seiner Ausbeute in Ost und West. Auch für Ralph Siegel (San Marino) hatte man ein Herz - wenn auch ein recht kleines: Alle 14 Pünktchen kamen aus Osteuropa. Und Frankreich? Bekam als einzige Nation nichts.

An dieser Stelle sei allerdings auch einmal auf die drastischen Divergenzen hingewiesen, die sich bei der Auswertung der von uns als "Osten" deklarierten Länder auftaten. So entpuppten sich vor allem Aserbaidschan, Russland und Weißrussland als äußerst dankbare Punktelieferanten für ihre Nachbarstaaten, während Polen, Albanien, Rumänien, Lettland, Ungarn, Litauen und Slowenien eine deutlich stärkere Zuneigung gegenüber westlichen Teilnehmern zeigten. Es sei an dieser Stelle also darauf hingewiesen, dass man keinesfalls von einem homogenen Osteuropa ausgehen darf, bei dem die Staaten quasi deckungsgleich abstimmen.

Das West-Voting: (in Klammern: Unterschied zum Platz im Gesamtranking)
01. Österreich 199 (=)
02. Niederlande 149 (=)
03. Schweden 127(=)
04. Armenien 83 (=)
05. Ungarn 69 (=)
06. Dänemark 56 (+3)
07. Norwegen 55 (+1)
08. Finnland 54 (+3)
09. Island 52 (+6)
10. Rumänien 49 (+2)
11. Spanien 37 (-1)
11. Großbritannien 37 (+6)
13. Ukraine 36 (-7)
14. Schweiz 31 (-1)
14. Polen 31 (=)
16. Malta 26 (+7)
17. Russland 20 (-10)
18. Italien 15 (+3)
19. Aserbaidschan 12 (+3)
20. Griechenland 8 (=)
21. Deutschland 7 (-3)
22. Frankreich 2 (+4)
23. Weißrussland 1 (-7)
24. Montenegro 0 (-5)
24. San Marino 0 (=)
24. Slowenien 0 (+1)


Durch den klaren Vorsprung von Österreich, den Niederlanden und Schweden gegenüber der Konkurrenz entschied letztlich der Westen über den Sieger des Wettbewerbs. Vor allem Conchita Wurst erreichte ein fantastisches Ergebnis, denn mit 199 von 240 Punkten holte sie fast 83 Prozent dessen, was maximal möglich gewesen wäre. Im Osten kam keiner auf mehr als 44,6 Prozent aller erreichbaren Zähler. Generell war das Gefälle zwischen stark und schwach bewerteten Musikstücken im Westen weitaus größer, was für eine ausgeprägte Homogenität der Votings spricht. Einzig Island, Malta und Großbritannien wurden durch die Votings aus dem Osten erheblich zurückgeworfen und hätten in Westeuropa wesentlich bessere Positionen erzielt.

Ausgerechnet Russland, das Enfant terrible der Europapolitik, fand trotz guter Gesamtplatzierung in Westeuropa kaum Anklang - was man auch der Stimmung in der Kopenhagener Halle gut entnehmen konnte, da bei hohen Punktzahlen für Russland stets lauthals gebuht wurde. Allerdings stellt sich gerade in diesem Fall die Frage, ob es neben einem Sympathie- und Nachbarschaftsbonus nicht auch einen Antipathie-Malus gibt, der die Weltmacht im Westen zu schlecht hat wegkommen lassen. Montenegro hingegen bekam nicht nur aus Westeuropa keinerlei Punkte, sondern erreichte seine 37 Gesamtzähler aus gerade einmal vier Staaten (Armenien, Mazedonien, Slowenien und Albanien), die dafür mit sechs bis zwölf Punkten äußerst großzügig waren. Deutschland bekam von seinen westlichen Nachbarn eine böse Abreibung, als letzte abstimmende West-Nation verhinderte hier die Schweiz mit ihren sieben Punkten ein komplettes Desaster für Elaiza. Insofern sollten wir die Letzten sein, die sich über das Voting-Verhalten unserer Freunde im Osten beschweren...

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