Hingeschaut

«nate light»: Solide Rückkehr eines fast ausgestorbenen Genres

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Philip Simon brachte am Donnerstag das ungeliebte Kind Late Night zurück ins deutsche Fernsehen. Ordentlich war dieser Versuch allemal.

Spätestens seit dem Ende der «Harald Schmidt Show» in Sat.1 gilt die klassische Late Night hierzulande als gescheitert. Sämtliche Versuche, mit derartigem Stoff zufriedenstellende Quoten zu generieren, sind auf den großen TV-Stationen in den vergangenen Jahren mehr oder minder kläglich untergegangen. Zumindest in einem etwas kleineren Rahmen versucht sich nun wieder ZDFneo mit seinem neuen Format «nate light» daran - und das immerhin am Donnerstagabend um 22:15 Uhr, wo zuvor mit «neoParadise» das absolute Aushängeschild des Digitalsenders zu sehen war. Einen ähnlichen Status wird Philip Simons Sendung aller Voraussicht nach nicht erreichen können, doch immerhin konnte er bei der Premiere solide Unterhaltung garantieren.

Die Elemente des Formats sind altbewährt: Zu Beginn führt der Moderator einen mehr oder minder witzigen Monolog und geht zumindest auf wochenaktuelle Themen ein, da bei einer wöchentlichen Ausstrahlung keine wirkliche Tagesaktualität möglich ist. Im Anschluss daran talkt er mit seinen Gästen, versucht sich an bestenfalls unterhaltsamen Studioaktionen, zeigt einige voraufgezeichnete Einspieler und tritt für ein paar Minuten komplett in den Hintergrund, um einem Showact die Bühne zu überlassen. Diesen ungeschriebenen Gesetzen des Genres unterwirft man sich hier komplett und bietet somit sehr konventionelle Unterhaltung an, lediglich die musikalische Komponente kommt etwas arg kurz. Es gibt in der ersten Ausgabe nämlich weder einen musikalischen Gast noch eine Band.

Durchaus erfreulich beim zuletzt auf diesem Sender als «Thekenquizzer» aktiven Kabarettisten ist der lange Stand-Up-Teil zu Beginn der Sendung. Nach einer kurzen Begrüßung geht Simon gleich auf die Themen der Woche ein, in diesem Fall auf den NSU-Prozess, den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un sowie Peer Steinbrück. Dass trotz der recht üppig bemessenen Sendezeit nur drei Themenblöcke zur Sprache kommen, liegt vor allem an ungewohnt langen TV-Ausschnitten, die immer wieder in den Monolog eingeflochten werden. Den Biss eines Harald Schmidt erreicht der Host hier zu keinem Zeitpunkt, oft liegt der Fokus sogar eher auf recht infantilen Gags. So gibt der nordkoreanische Führer an, Feindschaftsanfragen bei Facebook verschicken und am Ende seiner Konferenz das Urinal aufsuchen zu wollen.

Nachdem auch die den ersten Show-Part abschließende Kaufhaus-Aktion "Peer mag ich sehr" weitgehend ins Leere läuft, setzt sich Simon in seine "holländische Ecke", die mehr den Charme einer kleinen, altmodisch eingerichteten Küche versprüht. Dennoch ist dieser Teil des Studios noch der ansprechendste, denn zuvor stand Simon auf einer sehr kleinen Bühne vor einem viel zu breiten Bildschirm. Da die Publikumsränge somit umso deutlicher zu sehen sind, fällt dem Zuschauer vor den Fernsehgeräten recht schnell auf, dass die Macher an der einen oder anderen Stelle durchaus etwas bei der Stimmung im Saal nachgeholfen haben. Denn während man exzessives Gelächter hört, regt sich in den Rängen oftmals kaum etwas.

In der "holländischen Ecke" begrüßt Simon seine Talkgäste Philipp Möller und Bernhard Hoecker, die sich beide als gute Fänge für die Premiere entpuppen. Möller als bekennender Atheist braucht kaum Stichworte von Seiten des Moderators, um seine Argumentation gegen den gesellschaftlichen Einfluss der Kirche schlüssig vorzubringen. Da Simon allerdings nur damit beschäftigt ist, vorgefertigte Fragen zu stellen, entwickelt sich kein echter Dialog in den gerade einmal fünf Minuten Gesprächszeit. Deutlich unterhaltsamer ist hier der Auftritt Hoeckers am Ende der Show, da nicht nur die Interaktion zwischen ihm und dem Moderator stärker vorhanden ist, sondern auch die Redaktion einige nette Gimmicks vorbereitet hat.

Der Showact der ersten Sendung geht an den Gedankenleser Jan Becker, der blind nach einer Dame aus dem Publikum sucht, welche sich in eine der Ecken des Studios "versteckt" hat. Bei der mit einem Messer bewaffneten Suche sagt er zu etwas zu bemüht mystisch anmutenden Musik einen Reim auf. Der vielleicht amüsanteste Einspieler der Premierenfolge kommt anschließend von Tahnee Schaffarczyk, welche auf dem roten Teppich der Grimme-Preisverleihung einige Stars interviewen darf. Ein komödiantisches Highlight wie Charles Schulzkowski bei der Berlinale entwickelt sich zwar nicht und auch dieser Teil des Line-Ups ist letztlich harmlos, doch zumindest für einige nette Reaktionen der Preisträger sorgt dieses Engagement.

Insgesamt ist «nate light» ein recht harmloser Vertreter des Late-Night-Genres, der sich nicht an allzu heikle Themen oder Aktionen heranwagt. Moderator Philip Simon macht seine Sache ordentlich und hat auch dank seines holländischen Akzents durchaus einen gewissen Charme, doch auch er steht eher für nette Unterhaltung ohne Brisanz. Das Programm der Auftaktfolge ist mit dem langen Stand-Up, zwei Gästen, einem Showact und einigen Einspielern sehr straff und weist gewiss keine Längen auf, manchmal jedoch wirkt es etwas zu gehetzt. Das sehr spezielle Anarcho-Fernsehen der Marke «neoParadise» ist mit einer Sendung wie dieser hier kaum zu erwarten, doch wenn man nette Abendunterhaltung genießen möchte, ist man hier gewiss an der richtigen Adresse.

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