Die Kino-Kritiker

Was Tom zerstört, muss Joseph richten: «Oblivion»

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Der Film des Monats: Licht und Schatten bei Joseph Kosinskis Sci-Fi-Spektakel «Oblivion». Ausgerechnet die Wahl des Hauptdarstellers entpuppt sich als krasse Fehlentscheidung.

Die Musik zu «Oblivion»

Für den pulsierenden Sound in «Oblivion» sorgt die Electro-Band M83. Mit ihrem Beitrag zu Kosinskis Sci-Fi-Spektakel sorgen sie nicht das erste Mal für musikalische Untermalung im Lichtspielhaus. Die Band, die 2009 als Vorgruppe von Depeche Mode auftrat, verschaffte sich 2003 erstmals Gehör unter Cineasten, als ihr Song „Unrecorded“ im Kultfilm «Wächter des Tages» Verwendung fand. Auch in «Chronicle», «Step Up: Miami Heat», «Der Geschmack von Rost und Knochen» und aktuell «Warm Bodies» fand ihr ihr moderner Synthiesound bereits Verwendung.
Ist Tom Cruise («Knight and Day») nicht aufgrund privater Turbulenzen gerade in der Klatschpresse anzutreffen, macht er Filme. Immer die gleichen, bloß mit anderem Titel möchte man auf den ersten Blick meinen, betrachtet man sein Beuteschema in Bezug auf Rollenfindung: Er als Held, der – mal mehr, mal weniger im übertragenen Sinn – die Welt rettet. So wundert es nicht, dass auch die Köpfe hinter dem Science-Fiction-Actioner «Oblivion» bei der Vermarktung ganz auf Hollywoods muskelbepackten Strahlemann bauen. Cruise hat einfach ein Abo auf derartige Rollen. Und da diese trotz des Einheitstons nach wie vor Massen von Zuschauern in die Kinos locken, spricht auch nichts gegen derartige PR-Stategien, gleichwohl man hierbei doch wesentlich geschickter hätte vorgehen können. Denn während dem Streifen vor allem durch die Besetzung des Hauptdarstellers unendlich viele Möglichkeiten der Entfaltung geraubt werden, rückt sich mit jeder Filmminute etwas ganz anderes in den Fokus. Oder besser: jemand. Joseph Kosinski, Regisseur von «Tron: Legacy» und Schöpfer der «Oblivion» zugrunde liegenden Graphic Novel drückt seinem neusten Werk unverkennbar seinen Bombast-Stempel auf, der den Blockbuster erst sehenswert macht.

2077: Die Erde ist nicht mehr das, was sie einmal war. Nach einem Krieg mit außerirdischen Lebensformen liegt der einst blaue Planet in Schutt und Asche. Obwohl die Menschheit den Kampf gewann, ist sie nahezu komplett ins Weltall geflohen, denn auf der Erde ist ein Leben nicht mehr möglich. Nur noch Jack (Tom Cruise) sowie seine Kollegin und Freundin Vica (Andrea Riseborough) fungieren als Art futuristische Putzkolonne und versuchen soweit es geht, die Schäden zu beseitigen. Ihre Stationierung wird von „denen dort oben“ überwacht, an deren Spitze Sally (Melissa Leo) steht, zu denen Jack und Vica steten Kontakt haben. Eines Tages fällt ungeahnt eine Raumkapsel vom Himmel. In ihr die hübsche Julia (Olga Kurylenko), die einer Frau in Jacks Träumen erschreckend ähnlich sieht. Doch die Herkunft der Fremden ist nur das geringste Problem, denn plötzlich muss sich Jack mit Fragen auseinandersetzen, die seine Herkunft und Existenz in Frage stellen.

Auf der technischen Ebene, und das ist in «Oblivion» bisweilen die das Geschehen am meisten dominierende, ist Joseph Kosinskis Regiearbeit eine Augenweide, die sich stellenweise nah an der Perfektion befindet. Die Landschaftsaufnahmen, die futuristischen Gadgets und der harmonische Mix aus computergenerierten Effekten und echten technischen Spielereien (Stichwort: Motorrad) sind ohne Zweifel mehr als gelungen. Auf der großen Leinwand bilden sie optisches Bombastkino vom Allerfeinsten, mit dem auch schon Kosinskis Vorwerk «Tron: Legacy» auftrumpfen konnte. Im Vergleich zu der neonfarbenen Computerfantasie fehlt es «Oblivion» aber vor allem an einem: Charakter. Schuld daran ist ein Drehbuch, dass erst nicht recht in Fahrt kommt und schließlich in zu viele Twists abdriftet, als dass man dem Geschehen noch gänzlich folgen könnte. Mehr noch: Auf den ersten Blick gibt sich die Story gar philosophisch angehaucht und bemüht sich, weiter zu gehen als herkömmliche Kost in diesem Genre. Doch anstatt sich mit ethischen Grundsätzen auseinanderzusetzen, wie das Drehbuch dazu einlädt, belässt man es dabei, derartige Fragen lediglich aufzuwerfen, nicht aber zu behandeln. Und auch die Gesellschafts- und Wirtschaftskritik wird im Keim erstickt, wenn sie handfesten Schießereien und ordentlich Krawumm zum Opfer fallen

Weitaus ärgerlicher wird es jedoch, wenn man die Leistungen der Darsteller betrachtet, die den Film tragen beziehungsweise tragen sollen. Allen voran Tom Cruise. Auch wenn man sich als Konsument oder Kritiker mittlerweile daran gewöhnt hat, dass Cruise nicht unbedingt für sein herausragendes Mimenspiel bekannt ist, so spaziert er in «Oblivion» fast teilnahmslos durch jede Szenerie. Sein Blick reicht dabei von gleichgültig bis desinteressiert, weshalb man ihm seine Rolle als auf Arbeit getrimmter Techniker zwar abnimmt, da diese nicht wirklich darauf angelegt ist, viele verschiedene Facetten zu zeigen. Gleichzeitig bleibt dem Zuschauer dabei aber jeglicher Zugang zur Figur Jack verwehrt. Besonders, da «Oblivion» die meiste Zeit über eine von Tom Cruise dominierte One-Man-Show ist, tendiert man schnell dazu, das Leinwandgeschehen als für sich selbst gleichgültig abzustempeln. Andrea Riseborough («Happy-Go-Lucky») ergeht es da ähnlich. Ihre Figur der Victoria fällt vor allem durch ihr makelloses Erscheinungsbild auf. Ebenso makellos fällt ihre Charakterisierung aus. Ecken- und kantenlos spielt sich Riseborough durch die Handlung, die an keiner Stelle irgendeine Form der Gefuhlsregung erkennen lässt. Selbst wenn Tränen fließen, verzieht die rothaarige Aktrice keine Miene. Zwar mag ihre Rolle insgesamt eher gefühlskalt angelegt sein, doch somit bleibt dem Publikum auch hier eine Identifikationsfigur verwehrt.

Erst als "Bond-Girl" Olga Kurylenko («Ein Quantum Trost») in die Szenerie Einzug erhält, kommt im wahrsten Sinne des Wortes Leben in die Handlung. Durch ihre Natürlichkeit spielt die ukrainische Darstellerin auf einfachste Art und Weise sämtliche Kollegen an die Wand. Dafür muss sie eigentlich überhaupt nichts tun, ist sie doch die Einzige, der man abnimmt, dass sie sich ihre Rolle mit Enthusiasmus angeeignet hat, während ihre Kollegen und Kolleginnen sich durch die Handlung mühen, als sei Schauspielerei eine Strafe. Auch Morgan Freeman («Bruce Allmächtig»), dessen Nebenrolle wesentlich kleiner ausfällt als es seine Erwähnung in Trailern und auf Plakaten erahnen lässt, bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Zu bemüht scheinen seine Versuche, auf Biegen und Brechen sämtliche Szenen, in denen seine Figur auftritt, an sich zu reißen. Zu sehr wirkt seine Rolle auf cool getrimmt.

Was die Darsteller versemmeln, kann Regisseur Joseph Kosinski mithilfe inszenatorischer Rafinesse jedoch weitestgehend wiedergutmachen. So verhilft er «Oblivion», sich darauf zu besinnen, kein intelligenter, sich auf sein anspruchsvolles Drehbuch besinnender Film zu sein, sondern stattdessen ein hypermoderner Sci-Fi-Reißer, zu dessen größten Stärken eben die Schauwerte zählen. Vor allem im Design der futuristischen Gebäude und Fahrzeuge zeigte sich der Regisseur einfallsreich, wenngleich die Bauten oftmals allzu sehr auf Hochglanz poliert und somit steril wirken. Das schafft jedoch einen Kontrast zur zerstörten Außenwelt, die zwar als unbewohnbar zu erkennen ist, allerdings keine Kriegszustand ähnlichen Ausmaße annimmt. Eine erfrischend andere Art, mit der Apokalypse umzugehen, die in ähnlich gelagerten Streifen meist mit der kompletten Zerstörung allem einhergeht. Verantwortlich für die überzeugenden Bilder zeichnet Kameramann Claudio Miranda, der bereits in «Tron: Legacy» und erst kürzlich in «Life of Pi» sein Händchen für aufs Höchste beeindruckende, dabei aber nicht effekthascherische Bilder bewies. Untermalt werden die Aufnahmen fast durchgehend vom Sound der Electro-Band M83, der sich auf Instrumentalkompositionen beschränkt und mal ruhig, mal beklemmend und mal vorantreibend die Szenerien kommentiert.

Fazit: Viel Lärm um nichts! «Oblivion» ist nicht der wegweisende Science-Fiction-Meilenstein, den so viele von ihm erwarteten. Dafür sind das Drehbuch zu unausgegoren und die Darsteller mit zu wenig Herzblut bei der Sache. In Sachen Optik könnte der Streifen im Non-3D-Segment allerdings neue Maßstäbe setzen. Joseph Kosinski drückte «Oblivion» mit seinem kühl-stylischen Design seinen Stempel auf und lässt hervorblitzen, dass Durchaus Liebe zum Detail in diesem Hochglanz-Blockbuster steckt.

«Oblivion» ist ab dem 12. 04. in den deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/63151
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