360 Grad

Add more Friends

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Sky hat seinen Vertrag mit Harald Schmidt verlängert. Original Content ist dabei für das deutsche Pay-TV immer noch weitestgehend ein Fremdwort. Ein Kommentar von Julian Miller.

Spricht man von Innovation im amerikanischen Fernsehen, werden natürlich auch hier und da ein paar Formate der großen Networks genannt. Doch die Big Four sind lange nicht mehr die Sender, mit denen man die qualitative Spitze des Fernsehprogramms jenseits des Atlantiks verbindet. Da fallen einem zunächst andere Namen ein: HBO, Showtime, AMC, FX. Allesamt Pay-TV-Sender.

In Deutschland ist das anders. Denn das Pay-TV versteht sich hierzulande primär als die erste Anlaufstation für Kinofilme im Fernsehen und Sportübertragungen. Original Content im Fiction- oder Showbereich schien lange uninteressant.

Von Sky hört man allerdings schon seit einiger Zeit, dass man seine Fühler auch in Richtung eigenproduzierter Fiction ausstrecken und generell programmlich mehr Individualität beweisen will. Vor rund einem Jahr dann der große Coup: Dem Konzern gelang es, Harald Schmidt nach seinem Rausschmiss bei Sat.1 als ersten großen deutschen TV-Star ins Pay-TV zu holen – mit einer täglichen Sendung. Vor wenigen Tagen dann die Meldung, dass man die Zusammenarbeit fortsetzen wolle und den Vertrag verlängert hat. Im Showbereich bei Sky steht er auf einem einsamen Posten; auch wenn er sich dabei wohl pudelwohl fühlt.

Im Fiction-Bereich gibt es ebenfalls lediglich ein markantes Beispiel dafür, dass sich auf dem deutschen Pay-TV-Markt zumindest ein bisschen was tut. Im vergangenen Herbst strahlte TNT Serie die erste Staffel von «Add a Friend» aus – ein durchaus innovatives Konzept, das zumindest bei den Kritikern breiten Anklang fand. Doch eine einzige eigenproduzierte Serie auf einer ganzen Plattform – das sieht wie bei Schmidt nach Stückwerk aus.

Dabei hat das Pay-TV gegenüber dem frei empfangbaren Fernsehen einen klaren Vorteil: Zuschauerzahlen korrelieren nicht so ungefedert mit den Unternehmenszahlen, sondern die Anzahl der Abonnenten ist das ausschlaggebende Kriterium für den Erfolg des Konzerns. Natürlich bedeutet das nicht, dass man sich viele Flops leisten könnte – aber Prestige-Projekte wie die «Harald Schmidt Show» können sich besser bezahlt machen, weil sie sich nicht direkt refinanzieren müssen wie im frei empfangbaren Privatfernsehen und in der kurzfristig gedachten Jahresbilanz kein wirtschaftlich vollkommen unsinniges Loch hinterlassen. Die Show muss nicht täglich gute Quoten liefern, um rentabel zu sein – es reicht, wenn ihr Name potentielle Kunden anspricht und sie ein Abo holen lässt. Ob sie die Sendung dann auch regelmäßig konsumieren, ist zweitrangig.

Blickt man in angelsächsische Länder, wünscht man sich mehr vom deutschen Bezahlfernsehen. Verglichen mit anderen Märkten wie den USA und dem Vereinigten Königreich steckt das deutsche Pay-TV, was seine Verbreitung, Akzeptanz und programmliche Gestaltung angeht, noch in den Kinderschuhen. Auf wirtschaftlicher Ebene spiegelt zumindest der Börsenkurs von Sky Deutschland jedoch wider, dass man die Luft nach oben auch erkennt. Und wenn man die erstmal einatmet, kann das auf das programmliche Umfeld sehr schnelle sehr fundamentale Auswirkungen haben.

Jenseits des Atlantiks hat man das an AMC gesehen: Der Sender startete 2007 mit «Mad Men» seine erste eigene fiktionelle Serie. Ein Jahr später gewann sie bereits den Emmy und den Golden Globe für die beste Dramaserie. Rasanter kann ein Aufstieg aus qualitativer Sicht kaum sein.

C'mon, Mr Sullivan. Add a few more friends.

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