360 Grad

Ist der Ruf erst runiniert...

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bekommt RTL Probleme mit der Produktion seines neuen Formats «Babyboom». Ein Kommentar von Julian Miller.

Das Konzept von «Babyboom», einer Adaption des britischen Erfolgsformats «One Born Every Minute» von Channel Four, ist auch für RTL nicht gänzlich neu. Denn der Sender hatte schon vor Jahren mit «Mein Baby» im Vormittagsprogramm eine ähnliche Sendung im Line-Up.

Wenn man davon ausgeht, dass RTL sich mit seinem neuen Format am englischen Original und den eigenen Erfahrungen orientieren wollte, wäre von Voyeurismus und Vorführen keine Spur gewesen. Sicher: «Mein Baby» war nicht der preisverdächtige Gipfel deutscher Fernsehunterhaltung – aber es war nett, harmlos und aufgrund einer durchaus ansprechenden Erzählweise auch gut gemacht.

Die Befürchtungen des Berliner Gesundheitssenators Mario Czaja, der für eine Unterbrechung der «Babyboom»-Dreharbeiten gesorgt und damit die Sendung aufgrund der nun für RTL untragbaren höheren Produktionskosten faktisch verhindert hat, wären also völlig aus der Luft gegriffen.

In dem Krankenhaus, das sich das Produktionsunternehmen und der Sender für die Herstellung seines Formats aussuchten, wurden 30 Kameras fest montiert, um die ersten Minuten und Tage des Lebens eines Neugeborenen zu filmen. Von Senderseite heißt es, dass alle medienrechtlich vielleicht problematischen Punkte bereits im Vorfeld ausgeräumt worden seien. Sowohl für das Personal als auch für die gezeigten Eltern sei die Teilnahme an der Sendung gänzlich freiwillig gewesen. Anzeichen, die einen berechtigten Anlass geben würden, daran zu zweifeln, gibt es nicht – einen Grund für Czaja, die Dreharbeiten bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung des Krankenhauses aussetzen zu lassen, also ebenso wenig.

Natürlich: An vielen Formaten von RTL gibt es berechtigten Anlass zur Kritik. Und in einem Programmumfeld aus «Bauer sucht Frau» und «Schwiegertochter gesucht», das von Voyeurismus und einer in weiten Teilen geradezu bedenklichen Zurschaustellung der Protagonisten lebt, kann die Ankündigung eines Formats wie «Babyboom» sicherlich auch ein paar Alarmglocken laut aufläuten lassen. Ein noch so kleiner Hinweis, dass RTL mit «Babyboom» in diese Kerbe hätte schlagen wollen, lässt sich jedoch nicht im entferntesten erkennen, was die Bedenken der Berliner Regierung nur umso seltsamer wirken lässt.

Es scheint schlicht ein Problem der Reputation zu sein, das RTL aufgrund der Ausrichtung vieler seiner Reality-Formate nun hat.
Doch letztlich ist das eine zu undifferenzierte Betrachtungsweise: so undifferenziert, wie wenn Fernsehkritiker Holger Kreymeier in einer Fotomontage in Militäruniforum auf einem Panzer vor den Rheinhallen posiert.

RTL ist an diesem Ruf nicht unschuldig – im Gegenteil: Es tut viel, um ihn zu zementieren. Dass die Assi-TV-Reputation nun aber sogar bei Vertretern einer Landesregierung auch auf die seriösen Projekte des Senders überschwappt, lässt hingegen dort ein bisschen mehr mediales Feingefühl wünschen. Gerade durch dessen Fehlen wurde nämlich nun ein Format verhindert, das zumindest bei einer sehr optimistischen Schätzung die Chance gehabt hätte, durch gute Quoten die bedenklicheren Programmfarben des Senders zu verdrängen.

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