Hingeschaut

«Glückwunsch, Glotze»: «extra 3» und die TV-Geschichte

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Die Macher der NDR-Satireshow erzählen die „wahre“ Geschichte des deutschen Fernsehens.

Seit 60 Jahren bestimmt das Fernsehen die deutsche Medienlandschaft – und seit 60 Jahren beeinflusst ungesehen ein einzelner Mann die wichtigsten Entwicklungen der TV-Landschaft. Er startete als Kamera-Kabelhilfe, war zwischendurch Fernseh-Talentsucher, wechselte ins Fach der technischen Forschung, war Frauen- und Gewaltbeauftragter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zieht seit einigen Jahren als Bundesfernsehdirektor die Geschicke sämtlicher deutscher Sender: Johannes Schlüter.

So zumindest schildern die Macher der NDR-Satiresendung «extra 3» die Geschichte des deutschen Fernsehens. In ihrer Parodie auf Jubiläums-Retrospektiven mischen sie, ganz so wie ihre „Vorbilder“, historische TV-Ereignisse wild mit amüsanten Fernsehpannen durcheinander, und zeichnen so ein keineswegs repräsentatives, wohl aber stimmiges Bild des Fernsehens. Dennis Kaupp und Jesko Friedrich durchziehen die Ansammlung an «Tagesschau»-Versprechern und Erwähnungen von TV-Meilensteinen, wie Willy Brandts Start des Farbfernsehens oder die «Wetten, dass..?»-Ursprungswette, mit einem roten Faden: Dem Werdegang ihrer bereits für «extra 3» geschaffenen, fiktiven Figur Johannes Schlüter. Auch wenn es origineller wäre, für dieses Special eine neue Figur zu erdenken, und Schlüter zudem nicht mit einer wirklichen Persönlichkeit ausgestattet ist, so hat diese Mockumentary-Idee noch immer großes Potential, dass die Autoren zunächst auch ausschöpfen.

Das 30-minütige Special nimmt sich zum Beispiel den thematisch immer abstruser werdenden Rankingshows der dritten Programme an oder auch dem rückblickend albern wirkenden Trend, englische Hits zu deutschen Schlagern umzutexten. Dieser satirische Blick auf die sich wandelnde TV-Kultur wird aufgelockert durch gewollt schwachsinnige Blödeleien, von denen manche witzlos comichaft sind (wie Schlüters Einfluss auf Deutschlands ersten Fußball-Weltmeistertitel) und andere willkommen spritzig (etwa Schlüters Einfluss auf die Popularität des NDR-Fernsehballets).

Schnell macht sich leider klar, dass die Autoren aufgrund der kurzen Sendezeit mit Windeseile durch die TV-Historie spurten müssen und deswegen zahlreiche TV-Trends und -Meilensteine links liegen lassen müssen. Leider nutzen sie die kurze Sendezeit nicht, um das Konzept durchweg frisch zu halten – längere Mockumentarys wie «This is Spinal Tap» oder die Komödie «Forrest Gump», in der ebenfalls ein Dummkopf die Geschichte prägt, reizen ihre Idee längst nicht so schnell aus wie dieses Special. Der Aufbau der Pointen ist nahezu durchweg gleich und mit etwas TV-Kenntnis sind sie schnell zu durchschauen. Wenn Schlüter als Frauenbeauftragter am Set des «Aktuellen Sportstudios» predigt, man solle immer einen drauflegen, so wittert man den legendären „Schalke 05“-Versprecher zehn Meilen gegen den Wind.

Fans des NDR-Satiremagazins «extra 3» sollten bei diesem Special also nicht den satirischen Biss erwarten, den das Original aufbringt, während sich Fernsehjunkies bewusst sein sollten, dass in 30 Minuten nicht viel abgedeckt werden kann. Als kurzweiliger, seichter Fernsehrückblick ist «Glückwunsch, Glotze» mit seinem Augenzwinkern aber immer noch besser als viele seiner ernstgemeinten „Vorbilder“.

«Glückwunsch, Glotze – Die völlig verrückte TV-Geschichte» ist am Montag, dem 17. Januar 2012, um 23 Uhr im NDR zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/60989
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