Fernsehfriedhof

Der Sitcomfriedhof: „Das wirkt einfach nicht komisch“

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Folge 216: Die blasse Kopie der US-Sitcom «Wer ist hier der Boss?».

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines angestaubten Putzmannes.

«Ein Job fürs Leben» wurde am 04. März 1993 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als sich das Genre der Sitcoms im deutschen Fernsehen immer größerer Beliebtheit erfreute. Obwohl damals bereits pro Woche rund 30 Formate liefen, wuchs die Nachfrage stetig weiter. Problematisch war dabei jedoch, dass nicht jede Produktion importiert werden konnte, weil vor allem die Synchronisation oftmals schwierig war. Eine Vielzahl von unübersetzbaren Wortspielen, aktuellen Bezügen und fremdkulturellen Referenzen ließen einige Eindeutschungen scheitern oder gar verhindern. Anfang der 1990er Jahre glaubten die Fernsehverantwortlichen dann im Neuverfilmen von ausländischen Serien mit deutschen Schauspielern einen Ausweg gefunden zu haben. „Das wird der Normalfall werden“, war sich beispielsweise Dietrich Leisching, der zuständige Einkäufer der ARD, sicher. Schließlich hatte der WDR mit dem Klassiker «Ein Herz und eine Seele» bereits bewiesen, dass die Adaption eines ausländischen Konzepts vom heimischen Publikum angenommen werden kann.

So gingen nahezu alle großen Kanäle auf die Suche nach geeigneten Stoffen. Das ZDF wagte sich mit «Bistro, Bistro» beispielsweise an eine Kopie der US-Sitcom «Cheers», während das Erste mit «Drei Mann im Bett» die englische Kult-Comedy «Only When I Laugh» übernahm. Der Privatsender RTL war noch einen Schritt konsequenter und schloss bereits im Jahr 1990 einen Exklusivvertrag mit dem deutschen Ableger der Columbia Tristar über den Nachdreh von vier Serien ab. Das war insofern ein lohnendes Geschäft, als dass der Mutterkonzern einige der populärsten Vertreter des Genres produziert hatte. Darunter war einerseits «Eine schrecklich, nette Familie» mit Ed O’Neil und andererseits «Wer ist hier der Boss?» mit Tony Danza. Beide Formate wurden zu jener Zeit täglich im Doppelpack bei RTL ausgestrahlt und hatten sich dort bewährt. Die Erfolgsaussichten für ihre Adaptionen standen damit besser als bei den genannten öffentlich-rechtlichen Produktionen, deren Vorlagen entweder nie im heimischen Fernsehen liefen oder dort nur spärlichen Zuspruch erfuhren.

Mit der Umsetzung von «Hilfe, meine Familie spinnt» und jener hier besprochenen Reihe «Ein Job fürs Leben» beauftragte man die Firma Caligari Film und deren Berliner Tochter Synergy. Drei bis vier Autoren entwickelten für die deutschen Versionen jeweils die Drehbücher, wobei deren Aufgabe eher einer schlichten Übersetzung glich, denn die originalen Geschichten wurden für beide Produktionen abgesehen von minimalsten Änderungen komplett übernommen. Dies schrieb der Vertrag mit Columbia TriStar detailliert vor, wodurch das Ergebnis inklusive der Studiosets seiner Vorlage zum Verwechseln ähnlich war.

Also heuerte auch in der RTL-Variante der bodenständige Vito Castelli bei der vornehmen Karrierefrau Barbara Hoffmann als Hausmann an und zog mit seiner Tochter Alexandra bei ihr ein. Fortan sorgte der ehemalige Sportler nicht nur für Ordnung und Sauberkeit im Haus, sondern auch für reichlich Wirbel. René Hofschneider und Irmelin Beringer verkörperten die beiden gegensätzlichen Hauptfiguren, die oft mehr als nur ein Dienstverhältnis verband. Für die Rolle der resoluten Mutter Lotte konnte mit Brigitte Grothum sogar eine prominente Schauspielerin verpflichtet werden. Sie war zuvor insbesondere durch ihr Mitwirken in 140 Ausgaben von «Drei Damen vom Grill» bekannt geworden.

Die fertigen 25-minütigen Episoden wurden dann zusammen mit ihrem Schwesternformat «Hilfe, meine Familie spinnt» am Donnerstagabend zur besten Sendezeit programmiert. Das erwies sich schnell als unklug, weil am selben Tag – nur wenige Stunden vorher – die beiden beliebten Vorlagen noch immer zu sehen waren. Zwar hatte eine ähnliche Programmierung in Großbritannien mit der dortigen Kopie «Upper Hand» funktioniert, doch davon blieben die deutschen Zuschauer unbeeindruckt. Sie nahmen den unmotivierten Abklatsch überhaupt nicht an und die Zuschauerzahlen bewegten sich meist nur knapp oberhalb der 2-Millionen-Marke. Für eine Sendung, deren Herstellung rund 6,5 Mio. DM gekostet hatte, war dies eindeutig zu wenig. Dennoch entschied sich der damalige Programmdirektor Marc Conrad, die erste Staffel komplett auszustrahlen. Eine Fortsetzung der Dreharbeiten lehnte er dann aber ab. Der FOCUS zitierte ihn seinerzeit mit den Worten: „Das wirkt einfach nicht komisch.“

«Ein Job fürs Leben» wurde am 02. September 1993 beerdigt und erreichte ein Alter von 26 Folgen. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller René Hofschneider, der später viele kleinere Auftritte in Fernsehproduktionen hatte. Wiederkehrend tauchte er dann in der Reihe «Unsere Farm in Irland» auf. Zudem spielte er regelmäßig in Theaterstücken, vor allem in heiteren Geschichten, mit. Sein weibliches Gegenstück Irmelin Beringer ergatterte später eine Hauptrolle in der Sat.1-Sendung «Broti & Pacek – irgendwas ist immer». Der Sender RTL ließ sich von seinem Rückschlag übrigens nicht entmutigen und riskierte wenig später mit «Corinna» eine deutsche Variante der Columbia-Sitcom «Maude», die jedoch nach einer Folge wieder abgesetzt wurde.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der deutschen Kopie der MTV-Show «Jackass».

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