Die Kritiker

«Heiter bis tödlich – Hauptstadtrevier»

von

Mit Seitenhieben auf die deutsche Krimilandschaft mischt das «Hauptstadtrevier» den ARD-Vorabend auf.

Inhalt


Julia Klug kehrt als verschuldete, alleinerziehende Mutter in ihre Heimatstadt Berlin zurück, um dort eine Stelle im Betrugsdezernat der Polizeidirektion 7 zu übernehmen. Dort arbeiten ihre Eltern, sowie ihr noch unerfahrener Bruder, die allesamt von Julias Rückkehr überrascht sind. Über ihre Beweggründe schweigt sich die aufgeweckte Blondine aus und ihre Akte besteht zu großen Teilen aus geschwärzten Stellen, was insbesondere ihren neuen Vorgesetzten frustriert, den peniblen Aktenlurch Johannes Sonntag. Dieser kann schon rein prinzipiell mit der starrköpfigen, hochaktiven Ex-Elitepolizistin nichts anfangen, dass sie für ihn ein reines Rätsel ist, macht jedoch alles noch schlimmer. Nicht, dass Julia ihrem neuen Kollegen gegenüber offen eingestellt wäre: Dass er ihr zum Einstand das Lesen und Zusammenfassen einer kiloschweren Akte aufgibt, passt der ungeduldigen Julia überhaupt nicht. Also macht sie ohne jegliche Erlaubnis aus dem Schreibtischjob einen Außeneinsatz und spitzelt im Haus des betrügerischen Baulöwen Hornberg ...

Darsteller


Friederike Kempter («Ladykracher») als Julia Klug
Matthias Klimsa («Berlin, Berlin») als Johannes Sonntag
Kirsten Block («Lila, Lila») als Marianne Klug
Torsten Michaelis («Tatort») als Jürgen Klug
Oliver Bender («Gute Zeiten, schlechte Zeiten») als Patrick Klug
Julia Richter («Ein Teil von mir») als Marei Schiller
Hannes Wegener («Gonger – Das Böse vergisst nie») als Karla
Wilfried Hochholdinger («Jerry Cotton») als Hornberg

Kritik


Eine ungestüme neue Kollegin, die stets neue Wege findet, ein Verbrechen trickreich aufzuklären, und ein piefiger, alteingesessener Aktenreiter, der stets streng nach Vorschrift verfährt. Eine Konstellation, die im Krimigenre so ausgereizt ist, dass langsam der Vorrat an Phrasen versiegt, mit denen sie beiläufig bewertet werden kann. Allein innerhalb der von der ARD trotz Misserfolg wacker aufrecht gehaltenen Dachmarke «Heiter bis tödlich» tummeln sich munter mehr Vertreter dieser Figurenzusammenstellung als manchem Zuschauer lieb sein dürfte. Mit «Nordisch herb», einer «Heiter bis tödlich»-Serie der ersten Generation, bediente sich auch einer der erfrischenderen Regionalschmunzelkrimis dieser Konstellation. Kann es also gutgehen, dass der Berliner «Heiter bis tödlich»-Ableger ebenfalls in diese überstrapazierte Kerbe schlägt?

Überraschenderweise lautet die Antwort „Ja“: «Hauptstadtrevier» ist zwar bei weitem keine Revolution des deutschen Fernsehkrimis, allerdings führen die Autoren Andy Cremer & Klaus Rohne und Regisseur Marcus Ulbricht – mit kleineren Abstrichen – vor, in welche Richtung die Komödien-Vorabendkrimis der «Heiter bis tödlich»-Reihe idealerweise gehen sollten. Denn während diverse andere Serien dieser Vorabend-Programmmarke schlicht die Klischees „ernster“ deutscher Krimis wiederholen und schlicht die Dramatik aus der Figurenzeichnung sowie den Kriminalfällen streichen, kommt «Hauptstadtrevier» in seinen besten Momenten als Persiflage daher.

Am deutlichsten kommt das parodistische Element in der Figurenkonstellation der beiden Hauptrollen zur Geltung: Die taffe Ermittlerin, die sich nur an ihre eigenen Regeln hält, ist in «Hauptstadtrevier» gleich einmal eine ehemalige SEK-Polizistin, die nahezu in Auszeichnungen ersäuft. Ihr Spießerkollege wiederum ist förmlich von Aktenarbeit besessen und hat solch eine Angst, gegen bürokratische Richtlinien zu verstoßen, dass er sich damit begnügt, Spitzenausrüstungsgegenstände in seinem Schrank einzuschließen und – einem peniblen Spielzeugsammler gleich – in ihrer Originalverpackung zu bestaunen. Die Hauptdarsteller Friederike Kempter und Matthias Klimsa verstehen es, diese überzeichneten Charakterzüge parodistisch auszuspielen, ohne ihre Rollen zu einseitigen Karikaturen zu verzerren. So zieht «Hauptstadtrevier» seinen Humor nicht bloß aus Überzeichnungen deutscher Krimiklischees (wie der obligatorischen Würstchenbude), sondern auch aus den Eigenheiten der sympathischen Figuren. Julia Kluges Skizzierung als ausgebufftes Kraftpaket, das stets ihr Baby mitschleppt, wird zwischenzeitlich etwas überreizt, aber durch Kempters Charisma und komödiantisches Timing stört die Wiederholung dieser Gags nicht allzu sehr.

Die Kriminalfälle wiederum sind gleichzeitig Grund, weshalb «Hauptstadtrevier» über den meisten «Heiter bis tödlich»-Reihen steht, und wieso die Serie ein wenig enttäuscht. Statt pseudoamüsanter Mordfälle stehen zumeist bodenständige Betrugsfälle im Vordergrund, mit denen Julia Klug exzentrisch und ihr Vorgesetzter äußerst konservativ umgeht. Wären die Fälle besonders schlicht, ließe sich Julia Kluges Superelitepolizistinnencharakter pointiert konterkarieren, alternativ wären abstruse Fälle gefundenes Futter für den Aktenspezialisten Johannes Sonntag. Würden die Fälle sich von dem einen zum anderen Extrem entwickeln, könnte sich «Hauptstadtrevier» sogar eine Kleinigkeit von der großartigen Action-Parodie «Hot Fuzz» abgucken – doch so mutig ist man am ARD-Vorabend leider nicht. Deswegen verharren die Fälle in einer Grauzone, wo sie zwar einen kleinen Hauch von Spannung erlauben, wohl aber das komödiantische Potential der Serie untergraben.

Dennoch ist die mit schmissiger Musik untermalte, auf stylische Zwischenschnitte der Berliner Skyline setzende Schmunzelkrimireihe ein treffendes Argument für die Beharrlichkeit, mit der Das Erste auf die «Heiter bis tödlich»-Idee setzt.

«Heiter bis tödlich – Hauptstadtrevier» ist ab dem 20. November immer dienstags um 18.50 Uhr im Ersten zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/60459
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