Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: YouTube macht jetzt Fernsehen

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Mit neuen Originalkanälen will die Video-Plattform professionelle Unterhaltung bieten. Ein Kommentar.

Wir alle kennen die Anziehungskraft, die von dieser Website ausgeht: Eigentlich will man nur ein bestimmtes Video auf YouTube ansehen, kurz abschalten und sich berieseln lassen – plötzlich ist eine Stunde vergangen. Die Empfehlungen nach jedem Video, die nächsten Klicks und die User-Kommentare lassen uns unsere Zeit vergessen: Wir befinden uns wieder einmal in der YouTube-Endlosschleife, dem permanenten Reiz der flüchtigen Assoziationen und Emotionen ausgesetzt.

YouTube ist zu einem Unterhaltungs- und Informationsangebot geworden, das durchaus in Konkurrenz steht zu anderen Medien wie dem Fernsehen. Denn für viele Menschen ist die Video-Plattform ein Zeitvertreib geworden, der ihren Bedürfnissen eher entspricht als lineare und passive Unterhaltung: YouTube ist interaktiv, passt sich den eigenen Interessen an und bietet innovative Unterhaltung abseits des Massenkompatiblen.

Ein aktuelles Beispiel zeigt die Vorzüge dieses Angebots auf: In Deutschland startete die Produktionsfirma des TV-Formats «Game One», einem Gaming-Magazin bei MTV und VIVA, kürzlich einen eigenen YouTube-Kanal. Die Redaktion zockt, labert, duelliert sich in Nonsens-Herausforderungen – lädt also hoch, was Spaß macht. Eine Begründung dafür, dass die Macher von «Game One» einen eigenen Videokanal gestartet haben: die Freiheit des Möglichen. Denn im Gegensatz zum Fernsehen, wo diverse Verantwortliche kleinlich entscheiden, was auf den Bildschirm darf, verwirklichen YouTube-Nutzer einfach ihre Ideen – seien sie auch noch so skurril und fernseh-untauglich.

Rocket Beans Entertainment – so heißen die «Game One»-Macher – sind nur die Vorreiter in einer Entwicklung, die unseren Medienkonsum weiter verändern wird. In dieser Woche hat YouTube selbst einen entscheidenden Schritt in diese Richtung getan: Man hat den Start von zwölf deutschen Originalkanälen angekündigt: YouTube unterstützt zwar finanziell, hat aber keinerlei Einfluss auf die inhaltlich Gestaltung der einzelnen Kanäle.

In den USA ist dieses Modell von Originalkanälen seit 2011 bereits erfolgreich etabliert und bietet über 100 Angebote zu verschiedensten Themen, sodass Nutzer noch zielgerichteter nach ihren Interessen klicken und schauen können. YouTube verdient Geld mit Klicks und zwischengeschalteter Werbung, kann so von seiner marktdominierenden Position noch mehr profitieren. Man will das digitale Feld nicht mehr nur den privaten Nutzern überlassen. Gegenüber deren Videos gibt es einen klaren Unterschied: die Professionalität, mit der produziert wird, und das verfügbare Geld, das ausgeschöpft werden kann.

Auch TV-Produktionsfirmen gehören in Deutschland zum Portfolio der neuen Originalkanäle: So gibt es bereits ein Angebot von Motorvision, weiterhin sind Endemol sowie Wiedemann & Berg – die Macher von «Add a Friend» – an Bord. Spannend wird die Frage, ob es solche klassischen TV-Produktionsfirmen schaffen, mit ihren Videos im Netz zu punkten – schließlich sind sie bei YouTube einem viel größeren Wettbewerb ausgesetzt als im Fernsehen. Sprich: Noch mehr Unverwechselbarkeit muss her, noch mehr Originalität und Orientierung am User. Bei YouTube kann jeder innerhalb kürzester Zeit durch digitale Mund-zu-Mund-Propaganda zum gefeierten Star werden, doch nur die wenigsten beherrschen die ungeschriebenen Gesetze des YouTube-Erfolgs. Im Falle der wirtschaftlich orientierten Originalkanäle schaut YouTube genau hin: Bleibt der Erfolg aus, werden die Angebote nach einiger Zeit eingestellt – wie in den USA bereits geschehen. Zumindest dies hat das innovative Medium mit dem klassischen Fernsehen noch gemeinsam.

Jan Schlüters Branchenkommentar gibt es jeden Mittwoch nur auf Quotenmeter.de.

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