Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Arabellas kleine Tierschau

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 208: Die abendliche Talkshow von Arabella Kiesbauer.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines umstrittenen Late-Night-Talks.

«Arabella Night» wurde am 26. Februar 1996 auf ProSieben geboren und entstand zu einer Zeit, als die Moderatorin Arabella Kiesbauer mit ihrer nachmittäglichen Talkshow bereits rund 20 Monate erfolgreich auf Sendung war. Auffällig geworden war diese insbesondere durch ein regelmäßiges Aufgreifen von Sex- und Tabuthemen sowie durch eine (für damalige Verhältnisse) auf Streit angelegte Inszenierung und Gästeauswahl. Doch die Quoten gaben diesem Vorgehen recht, denn im Schnitt erreichte das Format einen Marktanteil von 14 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Was lag daher näher, als das Konzept noch etwas auszuweiten und einen Ableger zu kreieren?

Dieser sollte jedoch nicht mehr im Tagesprogramm, sondern stattdessen am späten Abend laufen. Als Vorbild für die neue Produktion diente offenbar die Sendung «Schreinemakers Live», die zu diesem Zeitpunkt bis zu sieben Millionen Zuschauer anlockte und sich auf ihrem Popularitätshöhepunkt befand. Wie auch bei der indirekten Vorlage wurden pro Ausgabe mehrere Themen aufgegriffen, die jedoch im Unterschied zum nachmittäglichen Talk in kleinen Gruppen und in bequemen Sesseln diskutiert wurden. Bis zu sechs Fragestellungen wurden auf diese Weise in den 90minütigen Ausgaben abgearbeitet. Zusätzlich gab es in der alten Fabrikhalle in München-Ismaningen Unterhaltungseinlagen, prominente Gäste und witzig gemeinte Einspielfilme zu sehen. Dadurch, dass die Show live ausgestrahlt wurde, konnten sich die heimischen Zuschauer zudem per Telefon oder Fax an den Gesprächen beteiligen.

Kiesbauer und ihr Team waren im neuen Format offensichtlich bemüht, umstrittene Themen aufzugreifen und Skandale zu provozieren, um ein großes Publikum anzulocken. Die größten Debatten und Kontroversen löste in diesem Zusammenhang die Ausgabe aus, in der das Thema „Sex mit Tieren“ behandelt wurde. Darin waren einerseits Josef Massen, ein Interessenvertreter der deutschen Zoophilen, und andererseits Andy, ein praktizierender Zoophile, zu Gast und berichteten von der körperlichen Liebe zu Tieren. In diesem Gespräch gab Andy zu, dass er noch nie mit einer Frau, dafür aber mit mehreren Tieren Verkehr gehabt hätte.

Zwar rechtfertigte Arabella Kiesbauer das Behandeln dieses Themas aufgrund seiner gesellschaftlichen Relevanz, zeigte sich in den Unterhaltungen allerdings nicht sehr kritisch und versuchte stattdessen den gewollten Skandal nur noch zu erhöhen. Unter anderem fragte sie Andy nämlich, ob er Sex mit wechselnden Pferden hätte oder seiner Stute treu wäre. Dass auch die Redaktion nicht an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert war, zeigte der geschmacklose Einspielfilm, in dem in Sketchform eine Bäuerin ihrem Mann vorwarf, sie mit einer Ziege zu betrügen und ihm das Tier anschließend zum Essen servierte. Zudem untertitelte die Redaktion die Aussagen des Zoophilen mit dem Hinweis: „Andy... ist enorm tierlieb.“ Kurz, nicht nur das Thema an sich, sondern auch der Umgang mit ihm waren äußerst zweifelhaft.

Der Vorfall gipfelte darin, dass im Magazin «Focus TV», welches nur zwei Stunden vor «Arabella Night» lief, ein Beitrag mit dem Titel „Sodomie auf dem Vormarsch“ über Tierpornographie und deren Schädlichkeit berichtete. ProSieben bot an diesem Abend folglich einen ganz besonders fragwürdigen Themenabend an.

Geholfen haben derartige Aktionen der Show dennoch nicht. Die Quoten am Montagabend blieben trotz der späten Sendezeit um 23.00 Uhr stets verhalten. Zwar war es nie ein Totalausfall, aber nach rund einem Jahr Bewährungsprobe, verordnete Georg Kofler, der damalige Chef des Senders, dem Format eine Kreativpause. Arabella kündigte daraufhin an, die Produktion neu ausrichten und sie mit dem PR-Berater Christian Seidel künftig selbst herstellen zu wollen. Doch dazu sollte es nie kommen. In Interviews mit der Süddeutschen Zeitung und dem SPIEGEL nannte Kiesbauer später „inhaltliche Querelen“ sowie den Umstand, dass sie sich mit der Sendung „nicht wohlgefühlt“ hätte, als Ursachen für das Scheitern.

«Arabella Night» wurde am 24. März 1997 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Monaten. Die Show hinterließ die Moderatorin Arabella Kiesbauer, die rund drei Jahre nach dem Ende der Sendung mit «Arabella sucht» einen weiteren Ausflug ins Abendprogramm wagte, der jedoch noch erfolgloser lief. Im Frühjahr 2004 führte sie zudem durch das dubiose und ebenso unpopuläre Promi-Recycling-Programm «Comeback – Die große Chance». Ihren Daily Talk setzte sie derweil noch bis zum Sommer 2004 fort und gab ihn dann auf, weil sie den Einsatz von Laiendarstellern an Stelle von echten Gästen nicht akzeptieren wollte. Nach einem kurzen Engagement für N24 mit «Arabella – Talk ohne Show» im Jahr 2006 war sie zuletzt ausschließlich im österreichischem Fernsehen zu sehen.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der zweiten gefloppten Abendshow von Arabella Kiesbauer.

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