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Entrüstung über VOX-Pferdeshow

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Pferdehalter sind entrüstet – und der Ruf der Pferdeexperten des Formats scheint angeknackst.

Coaching-Formate liegen voll im Trend. Mittlerweile nimmt den Zuschauer in jeder Lebenslage ein anderer Experte an die Hand. Da wird gekocht, werden Wohnungen eingerichtet und Hunde erzogen. Besonders letztere Alltags-Baustelle erfreute sich beim Publikum immer größerer Beliebtheit. Mittlerweile füllt Hundetrainer Martin Rütter große Hallen mit seinen Live-Programmen und seine Bücher und Lehrfilme verkaufen sich zuhauf. Damit war es scheinbar höchste Zeit für VOX, nicht nur dem Hundehalter einen Profi zur Seite zu stellen, sondern auch Pferdehaltern die Möglichkeit zu bieten, im Fernsehen Hilfe von professioneller Seite zu erhalten. «Die Pferdeprofis» heißt das neue Format, realisiert von der Produktionsfirma Mina TV, unter anderem auch bereits zuständig für die ähnlich angelegte Reihe «Der Hundeprofi». Verpflichtet werden konnten als „Pferdeflüsterer“ der bayrische Pferdetrainer Bernd Hackl, sowie die im Westernreitsport bekannte Bereiterin Sandra Schneider, beide Experten auf dem Gebiet der sanften Pferdeerziehung.

Was als harmloses, familientaugliches Sendeformat angedacht war, entpuppte sich nach der Ausstrahlung prompt als das krasse Gegenteil. In Internetforen wurden Stimmen laut, die Sendung demonstriere einen völlig falschen Umgang mit dem Pferd, unlautere Methoden in der Pferdeausbildung würden gezeigt werden und teilweise wurde in Richtung Tierquälerei geschielt. Unterstützung erhielten die Worte der Kritiker vor wenigen Tagen, als bekannt wurde, dass eines der beiden Problempferde aus Folge eins, welches sich konsequent weigerte, die Hufe zu heben, aufgrund eines Rückenproblems eingeschläfert werden musste. Offenbar war dieses Problem zu Zeiten der Dreharbeiten von der Pferdeexpertin nicht als solches erkannt worden.

Doch weswegen wurden «Die Pferdeprofis» in Fachkreisen von der ersten Minute an aufs schärfste kritisiert? Auch bei Martin Rütter werden ab und an Stimmen laut, ob seine Art der Hundeerziehung die richtige ist. Auch bei ihm gibt es Gegner und Befürworter, trotzdem gilt er als einer der beliebtesten TV-Gesichter und seine Fachseminare sind durchgehend ausverkauft. Nicht so in seinem pferdischen Pendant, denn Befürworter der Sendung sucht man vergebens. Doch die Liste der Fehler, die die Macher der Sendung gemacht haben, ist lang. Hat Martin Rütters Help-Format durchgehend einen konsequenten Ablauf, in welchem er zunächst das Problem analysiert, den Besitzern Ratschläge gibt und sich noch zweimal nach der Entwicklung des Problems erkundigt, war es bei Bernd Hackl vor allem die alleinige Arbeit mit dem Pferd, ohne Einbezug der Besitzer, zusammen mit der Bildsprache. So wurden durchgehend Szenen gezeigt, in denen das Pferd dem Besitzer die Hand bricht, den Pferdeprofi angreift und schließlich versucht, Bernd Hackl von seinem Rücken zu befördern.

Wenn im nächsten Schnitt ein völlig eingeschüchtertes Häufchen Elend unter dem Reiter seine Runden dreht, kann bei Laien der Eindruck entstehen, dass hier mit Hau-Ruck-Verfahren ein Hengst kameratauglich zurechtgeritten wurde. Mit diesen Vorwürfen muss sich nun auch die Besitzerschaft des schwarzen Hengstes auseinandersetzen, denn kurz auf die Ausstrahlungen folgten erste Beschimpfungen über Facebook. Zunächst wurde auf diese noch reagiert. Man behauptete, man hätte nach Drehbüchern handeln müssen, die Pferde würden effektiv zur jeweiligen Handlung gedrängt und man hätte aus einem „braven Pferd“ einen „wilden Hengst“ gemacht. Kurz nach dieser Äußerung wurde der Facebook-Account gelöscht und die Website des Zuchtbetriebs gesperrt.

Es wäre wohl der falsche Ansatz, die Pferdeprofis, allen voran Bernd Hackl, der sich einen Monat Arbeit rund 800€ kosten lässt, für ihre Ausbildungsmethoden zu kritisieren. Er ist für seine sanften Arbeiten am und mit dem Pferd bekannt und ist Verfechter des Horsemanship, der Lehre, dass Arbeit mit dem Pferd nur dann funktionieren kann, wenn man mit ihm eine Partnerschaft eingeht. Dennoch hätte es dem Format gut getan, sich mehr auf seine Funktion als Help-Format zu konzentrieren, anstatt möglichst spektakulär zu zeigen, wie ein Pferd einen Menschen verletzt.

Auch eine längere Sendezeit oder eine Aufteilung des einen Falls auf zwei Folgen wäre nötig gewesen, um den Eindruck zu erwecken, wirklich eine Help-Sendung sein zu wollen. Es ist einfach unmöglich, die Arbeit von drei Monaten in eine Sendezeit von einer knappen Stunde zu zeigen, ohne Abstriche machen zu müssen. Zu Gunsten der Sensationsgier des Zuschauers müssen es dann eben die langweiligen Passagen der Arbeit am Pferd sein, die der Action weichen müssen. Hinzu kommt kritisierend die schlechte Vorbildfunktion der beiden Experten, die sich während der Sendung konsequent weigerten, Helm und Handschuhe zu tragen.

Was von der Sendung übrig bleibt? Vermutlich eine entrüstete Reitsport-Szene, zwei Pferde-Experten, deren guter Ruf einen gehörigen Knacks bekommen hat, ein Zuchtstall, über dessen Ruf nach einer wegen Anfeindungen gesperrten Homepage nichts mehr gesagt werden muss und Pferde, denen nun vielleicht geholfen ist, was man aber sicher auch mit weniger Effekthascherei hätte hinbekommen können.

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