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«Wer wird Millionär?»: Irgendwie nicht mehr wegzudenken

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In 1.000 bisher gezeigten Folgen erspielten die Kandidaten bereits über 74 Millionen Euro. Am Freitagabend kommt das Jubiläum extra lang.

Mit wem stand Edmund Hillary 1953 auf dem Gipfel des Mount Everest? Professor Eckard Freise kennt die Antwort und schrieb damit als erster «Wer wird Millionär?»-Millionär Fernsehgeschichte. An diesem Freitag sendet RTL die 1.000. Folge der Quizshow, die bis heute weltweit die Fernsehzuschauer erfreut. Das runde Jubiläum wird mit einer knapp dreistündigen Spezial-Ausgabe gefeiert und soll damit nicht zuletzt «The Voice of Germany» (Sat.1) Paroli bieten. Die Begriffe "Telefonjoker", "Publikumsjoker" und "Fifty-fifty-Joker" haben mittlerweile einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht, dass sie im deutschen Duden zu finden sind.

In England ging das Format bereits ein Jahr zuvor On Air und erhielt Auszeichnungen wie den "British Comedy Awards 1998“ in der Kategorie „Best Entertainment Series" sowie die "Silberne Rose von Montreux". Das Konzept wurde in 106 Länder verkauft. Dazu zählen Länder wie die Niederlande, Österreich, Belgien, Australien, Portugal, Schweden, Dänemark, die USA, Japan, Ägypten, Saudi-Arabien oder - wie zuletzt im Kinofilm gesehen - in Indien: «Wer wird Millionär?» ist eine weltweite TV-Marke.

Zur Feier des Tages plant RTL eine XXL-Ausgabe mit einem zusätzlichen Joker: Ein Experten-Team aus drei ehemaligen «WWM»-Millionären sowie den «WWM»-Promi-Millionären Barbara Schöneberger und Oliver Pocher sollen als zusätzlicher Joker helfen. Der Comedian schaffte es als erster Promi die eine Million Euro für den guten Zweck einzufahren. Bei der Risiko-Variante kommt das Experten-Team sogar zweimal zum Zuge, sodass der Quiz-Kandidat auf insgesamt fünf Joker kommt. Ein Wiedersehen im Kölner nobeo-Studio gibt es somit auch mit dem «WWM»-Millionär Ralf Schnoor aus der 906. Sendung: Der Café-Besitzer aus Hannover ist mit im Experten-Team und hätte seine Millionenfrage auch ohne Joker beantworten können. Selbstbewusst verkündete dieser 2010 seinem übriggebliebenen Telefon-Joker bei der 15. und finalen Frage, dass der „Schwarze Einser“ die erste deutsche Briefmarke ist. In seinem Café veranstaltete Ralf Schnoor schon vor seinem TV-Auftritt regelmäßig Quiz-Abende, um sich auf den Besuch bei Günther Jauch vorzubereiten. Vor einem Millionen-Publikum versprach er noch während der Sendung, er wolle nach seinem Gewinn den Lohn seiner Angestellten erhöhen.

Die potenziellen «WWM»-Millionäre der Jubiläums-Folge stehen alle unter dem Motto „Helden des Alltags“. Die gecasteten Kandidaten setzen sich seit Jahren ehrenamtlich für andere Menschen ein. Darunter beispielsweise eine Friseurin, die regelmäßig Obdachlosen die Haare schneidet. Schon vor der Auswahlrunde steht fest, dass es diesmal alle auf den Ratestuhl schaffen werden. Der Zeit-Rekord aller jemals gespielten Auswahlrunden liegt dabei aktuell bei 1,33 Sekunden. Im Gegenzug kam es in der 374. Sendung vom 6. Februar 2004 auch zu einem Negativ-Rekord: Drei Auswahlfragen in Folge konnten von keinem der Auswahlkandidaten korrekt beantwortet werden.

Günther Jauch stellte bisher über 26.500 Fragen an über 2.051 Kandidaten. So wurden insgesamt über 74 Millionen als Gewinnsumme ausgeschüttet – die Promi-Specials zugunsten des RTL-Spendenmarathons noch nicht eingerechnet.

Noch weitere «WWM»-Fakten gefällig? Zehn Kandidaten, davon drei Promis, konnten bisher alle 15 Fragen für die Million richtig beantworten – obwohl die Millionenfrage 62 Mal gestellt wurde. Pech im Spiel, Glück in der Liebe? 21 Kandidaten mussten mit null Euro wieder nach Hause fahren. Ein durchschnittlicher Quiz-Kandidat erspielte in den bisherigen 28 Staffeln 36.306 Euro. Zu den Jokern: 6.103 Mal kam ein Joker in das Spiel. Der erste Platz geht mit 1.998 Joker-Ziehungen an das Studio-Publikum, 1.922 Mal durfte der 50:50-Joker ran, 1.832 Mal wurde telefoniert und 351 Mal der erst später eingeführte Zusatzjoker gezogen.

Dabei war der Start des Formats im Herbst 1999 eher holprig, wie sich Günther Jauch erinnert: „Ich habe mir auf Empfehlung des damaligen RTL-Chefs Gerhard Zeiler dieses Format aus England angesehen. Ich war sofort gefesselt und habe gemerkt, welche Spannung diese Sendung entwickeln kann. Die erste Folge am 3. September 1999 hatte eine schwache Quote von 3,62 Millionen Zuschauern, die Zweite war noch schlechter. In der dritten Folge ging es dann aber nach oben und die Vierte hatte eine richtig gute Resonanz von über sieben Millionen Zuschauern.“ Tatsächlich gilt die Endemol-Produktion bis heute als sichere Quoten-Bank für RTL. Dennoch verliert das Format immer wieder auf hohem Niveau Zuschauer, was angesichts der aktuellen 29. Staffel und immer noch zufriedenstellenden Quoten den Verantwortlichen in Köln aber eher keine Sorgen bereiten sollte. Ganz im Gegenteil: So scheint es kein Zufall, dass RTL zum «The Voice»-Halbfinale eine XXL-Jubiläumsfolge platziert.

Doch was rät der erste Millionär der Sendung zukünftigen Kandidaten? Professor Eckard Freise bewarb sich nach eigener Aussage nach einer Wette bei der Quizshow. Sein «WWM»-Erfolgsgeheimnis für zukünftige Kandidaten: „Nicht an das Geld denken, sondern das Ganze als ein harmloses Spiel sehen. Außerdem ruhig bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Unter Stress eingetrichterte Informationen fallen sowieso durch den Rost. Man sollte sich einfach auf das besinnen, was man kann und was man weiß. Vieles lässt sich durch Intelligenz lösen. Man sollte sich Bildung aneignen und diesen Lernprozess niemals beenden. Also Lesen, Lesen und Lesen. Das können Bücher, Zeitungen oder Informationen aus dem Internet sein".

Was ist aus den anderen «WWM»-Millionären nach dem siebenstelligen Hauptgewinn geworden? Marlene Grabherr gewann am 20. Mai 2001 als erste Frau in der Show eine Million DM. Sie wusste, dass die beiden Gibb-Brüder Maurice und Robin Zwillinge bei der Popband The Bee Gees sind. Das Geld gab die Hausfrau für diverse Sportwagen, ein Grundstück sowie das dazugehörige Fertighaus aus. Den ersten Euro-Millionär gab es am 18. Oktober 2002: Gerhard Krammer musste richtig beantworten, dass der berühmte Schriftsteller Max Frisch als diplomierter Architekt ein Freibad in Zürich erbaute. Der Philosophiestudent kaufte sich eine Eigentumswohnung und finanzierte sein Studium. Den Rest soll er angelegt und für Reisen investiert haben. Zwei Jahre später, am 29. März 2004, beantwortete die Assistenzärztin Dr. Maria Wienströer richtig, dass Linus Pauling 1954 den Chemie- und 1962 den Friedensnobelpreis erhielt.

Die Euro-Million steckte die Ärztin in eine Landarztpraxis. Weitere zwei Jahre darauf – es war Montag, der 9. Oktober 2006 – gewann der Aufzugsmonteur Stefan Lang die Million. Die 15. Frage lautete: "Welches chemische Element macht mehr als die Hälfte der Masse eines menschlichen Körpers aus?" Richtige Antwort: Sauerstoff. Der fünfte «WWM»-Millionär realisierte damit seinen Traum beim Ironman-Wettbewerb teilzunehmen. Außerdem begann der Darmstädter wieder zu studieren und gönnte sich einige VW-Busse, die er als Hobby ausbaut. Ein gutes halbes Jahr später – bei der Montagssendung vom 8. Januar 2007 – gelang Timur Hahn aus Bendorf bei Koblenz der Millionen-Coup: Der Student für Anglistik, Medienwissenschaften und Informatik auf Magister wusste, dass das Ägäisches Meer nach einem mythologischen König benannt wurde, der sich dort hineingestürzt haben soll. Die Million Euro investierte der Student in sein Elternhaus, sein Auto und legte Teile an nachdem er auch seiner Familie Anteile geschenkt haben soll.

Das Nagel- Schreckenberg -Modell zur Erklärung für die Entstehung von Verkehrsstaus wurde im Mai 2008 dank der richtig beantworteten Millionenfrage von Promi Oliver Pocher berühmt. Legendär war auch der Telefon-Joker Marcel Reich-Ranicki, der den Fernsehpreis zwar nicht annahm, im November 2008 aber Thomas Gottschalk zur «WWM»-Million verhalf: Als Literatur-Experte war ihm klar, dass Dora Diamant die letzte Lebensgefährtin von Frank Kafka war. Auch Barbara Schöneberger erspielte eine Million Euro für den guten Zweck des RTL-Spendenmarathons. Das Promi-Special mit Heidi Klum und dem späteren «WWM»-Millionär Thomas Gottschalk schauten am 28. Mai 2001 rekordverdächtige 14,22 Millionen Zuschauer – in der Zielgruppe war damit im Schnitt jeder Zweite dabei. Im Frühjahr 2012 folgt das 24. Promi-Special.

Trotz Günther Jauchs eher ernsteren Polit-Talk in der ARD wolle dieser dem Format treu bleiben, wie er gegenüber RTL sagt: „Ich bin vor jeder neuen Sendung neugierig, freue mich auf die Kandidaten und habe auch nach 999 Folgen tatsächlich immer noch großen Spaß an «WWM». Dadurch, dass immer neue und andere Menschen in meiner Show antreten, wird es immer interessant bleiben. Gottes großer Zoo ist einfach unerschöpflich und so mache ich mir keine Sorgen, dass die Sendung jemals langweilig werden könnte."

Also auf die nächsten 1.000 Folgen? Günther Jauch zeigt sich optimistisch: "«Wer wird Millionär?» ist meine Sendung! Ich hätte am Anfang selber nie gedacht, dass das so zu meinem Format werden würde. Das ist es mittlerweile. Ich hoffe, dass das noch eine ganze Weile so bleibt." Selbstbewusst freue sich Günther Jauch über „die erfolgreichste Sendung im deutschen Fernsehen“, wie er sagt und weiter: „Wenn ich so lange wie Thomas Gottschalk dabei bleibe, haben wir gerade erst die Halbzeit erreicht.“ Top, die Wette gilt! Übrigens: Die richtige Antwort auf die erste «WWM»-Millionenfrage lautete C: Tenzing Norgay.

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