Die Kino-Kritiker

«The Help»

von
Emma Stone und Viola Davis brillieren in der Verfilmung eines US-Bestsellers, der sich der Rassenthematik ehrlich, aber auch amüsant annimmt.

2009 formten die Walt Disney Studios und DreamWorks Pictures eine Vertriebspartnerschaft, laut der seit diesem Jahr dreißig DreamWorks-Produktionen vom Disney-Konzern vertrieben werden. Dieser Deal entstand in Folge von DreamWorks' Bruch mit dem bisherigen Partner Paramount Pictures. Seitens Disney versprach man sich wiederum, mit DreamWorks wieder verstärkt an Erwachsenen orientierte Blockbuster sowie Oscar-taugliches Material im Programm zu haben, nachdem Disneys Independentlabel Miramax Films zu Grunde gekürzt wurde. DreamWorks gewann in seinen Anfangsjahren immerhin drei Jahre hintereinander den Oscar für den besten Film («American Beauty», «Gladiator» und «A Beautiful Mind») und ist somit ein prestigeträchtiger Geschäftspartner.

Bislang resultierte die Partnerschaft zwischen Disney und DreamWorks in keinen Überblockbuster. Der als Franchisestart geplante Teenie-Actioner «Ich bin Nummer Vier» lief weit unter den Erwartungen, während «Real Steel» ein solider, kleiner Erfolg wurde. Die Oscar-Versprechungen wiederum dürften sich bereits im ersten Jahr der Kooperation erfüllen: Steven Spielbergs «Gefährten» ist einer der Top-Oscaranwärter und auch das in den USA von Publikum und Kritikern erfreut aufgenommene Rassendrama «The Help» hat gute Aussichten auf Anerkennung in der anstehenden Award-Saison.

Die guten Geister des Hauses


Das überraschend leichtfüßige und unterhaltsame, seine Thematik allerdings niemals unter Wert verkaufende Drama ist im US-Bundesstaat Mississippi der frühen 60er-Jahre angesiedelt. Obwohl die Sklaverei längst abgeschafft wurde, ist die soziale Kluft zwischen Afro-Amerikanern und Weißen enorm. Insbesondere in ländlicheren Regionen, wie Mississippi, ist von der sich in ihren Anfängen befindlichen Bürgerrechtsbewegung nichts zu spüren. Basierend auf dem Roman «Gute Geister» zeigt «The Help» die Rassensituation zu jener Zeit am Beispiel der guten Seelen jedes betuchten Hauses auf – anhand der Haushälterinnen.

Aibileen Clark (Viola Davis) ist eine urtypische Haushälterin. Während der Mann des Hauses gutes Geld verdient, welches seine Ehefrau auf Partys mit ihren wohlbehüteten Freundinnen verprasst, ist es Aibileen, die das Kind großzieht. Wie viele andere Haushälterinnen, wird Aibileen niemals miterleben können, wie ihr leibliches Kind groß wird, doch als Ziehmutter hat sie Zeit ihres Lebens schon zu zahlreichen Kindern reicher Weißer eine innige Beziehung aufgebaut. Sie kümmert sich aber nicht nur als Nanny um die Kinder, sondern schmeißt für einen Hungerlohn auch den gesamten Haushalt. Gegen diese Umstände anzukämpfen, käme Aibileen jedoch nie in den Sinn, da sie sich nicht stark genug dafür fühlt.

Ihre Freundin und Kollegin Minny Jackson (Octavia Spencer) ist dagegen von einem anderen Schlag. Wenn sich ihre Arbeitgeber zu viel erlauben, steht Minny auch für ihre Rechte ein. Dies verschafft ihr zwar Genugtuung, kostete ihr allerdings auch mehr als einmal ihre Anstellung. Allein aufgrund ihrer berühmten Kochkünste gelingt es ihr, trotzdem noch einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Viola Davis, die bereits mit ihrem kurzen Auftritt im Drama «Glaubensfrage» einen bleibenden Eindruck hinterließ und verdientermaßen mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde, übernimmt auch in «The Help» eine sehr emotional belastete Rolle. Davis gelingt es, die emotionalen Konflikte ihrer Figur äußerst glaubwürdig und berührend zu vermitteln, ohne das Publikum mit dieser Last zu erschlagen. Stattdessen beeindruckt sie mit einer stets aufrechten, würdevollen Ausstrahlung. Octavia Spencer wiederum legt ihre Rolle in den ersten Filmminuten oberflächlich als widerborstige Ghetto-Dame an, jedoch bricht sie dieses Bild mit voranschreitender Laufzeit auf und verleiht Minny Jackson einen ganz eigenen, rauen Charme.

Veränderung beginnt mit einem Flüstern
Die dritte der drei zentralen Frauen in «The Help» ist die von Emma Stone verkörperte Eugenia Phelan, genannt Skeeter. Während ihre Jugendfreundinnen zu oberflächlichen Hausfrauen heranwuchsen, deren größtes Problem eine misslungene Teeparty darstellt, absolvierte sie ein Studium, um daraufhin eine Karriere als Reporterin anzustreben. Als sie in ihre Heimat zurückkehrt, kann sie bloß eine Anstellung als Kolumnistin für Haushaltsfragen ergattern und muss von ihrer Mutter erfahren, dass ihr geliebtes Hausmädchen Constantine das Elternhaus verließ.

Während einer Teeparty hört Skeeter mit, wie respektlos ihre alten Freundinnen ihre Hausmägde behandeln. Als Hilly Holbrook (Bryce Dallas Howard), die Vorsitzende eines Wohltätigkeitsvereins für hungernde afrikanische Kinder, darüber hinaus von ihrem Gesetzesentwurf erzählt, kann Skeeter nicht länger tatenlos zuhören. Hilly will ein Gesetz durchboxen, das jede weiße Familie mit einer schwarzen Haushälterin dazu verpflichtet, eine Außentoilette für diese Arbeitskräfte einzurichten, um sich so vor der Übertragung „schwarzer Krankheiten“ zu schützen. Skeeter beschließt, mit Hilfe der Hausmädchen in der Stadt ein Buch zu schreiben, indem sie die guten Geister des Haushalts darüber interviewt, wie sie die Arbeitsverhältnisse erleben. Ein solches Vorhaben verstößt jedoch gegen das Gesetz, weshalb Skeeter zunächst Überzeugungsarbeit leisten muss, damit sich Aibileen und Minny diesem Unterfangen anschließen.

Stone spielt mit einem entwaffnenden, natürlichen Charme auf, der plausibel macht, weshalb Skeeter trotz Startschwierigkeiten Haushälterinnen davon überzeugen kann, ihr beim Schreiben des aufklärerischen Buchs zu helfen. Zudem gelingt es Stone, ihre Rolle niemals als die heilige Samariterin wirken zu lassen, die von ihrem betuchten Thron herabsteigt und den hilflosen Haushälterinnen unter die Arme greift, weil sie allein ihre Situation niemals verbessern könnten. Rassendramen, in denen unterstützende weiße Figuren vorkommen, laufen schnell Gefahr, solche zweifelhaften Missinterpretationen zu begünstigen. Doch Stones bodenständiges und warmherziges Spiel lässt sie mit den Rollen von Viola Davis und Octavia Spencer auf Augenhöhe agieren.

Durch Skeeter gewinnt «The Help» auch eine zusätzliche Dimension als Film über die Emanzipation der Frau. Sie ist nicht bloß durch ihre Ansichten eine Außenseiterin, sondern auch allein schon aufgrund ihrer Ambitionen. Sich so früh wie möglich an einen Ehemann zu ketten liegt nicht in ihrem Interesse, was ihre Mutter fast schon zur Verzweiflung treibt. Eine weitere Ausgestoßene aus dem Kreis der wohlhabenden, oberflächlichen Damen findet sich in Celia Foote (Jessica Chastain). Diese fungiert gewissermaßen als Gegengewicht zu Bryce Dallas Howards genüsslich boshaft gespielter Hilly und ist eine dümmliche Neureiche, die aufgrund mieser Gerüchte jegliches Ansehen in der örtlichen Teekränzchengesellschaft verlor.

Vom ersten Eindruck her stünde zu erwarten, dass Celia eine weitere ungebildete und ungehobelte Rassistin ist, aber früh offenbart sich eine kindliche Naivität und somit auch Unschuld in ihrem Charakter, weshalb sie vorurteilsfrei handelt. Chastain stiehlt nahezu jede Szene, in der sie zu sehen ist, und dürfte sogar die vielschichtigste Rolle im ganzen Film innehalten, da sie nicht nur als Comic Relief fungiert, sondern auch ergreifende Abgründe in ihrer Figur aufzeigt.

Ein Film voller Frauen muss kein „Chick Flick“ sein


Das vom noch relativ unbekannten Regisseur Tate Taylor mit stets sicherer Hand inszenierte und authentisch ausgestattete Drama kommt nahezu ohne Männerrollen aus. Mit Skeeters Date Stuart ist eine dieser wenigen Rollen sogar verzichtbar. Und dennoch ist «The Help» mehr als ein „Chick Flick“. Für ein effektives Erzählen dieser Geschichte waren größere Männerrollen schlicht unnötig, und so ist es nur löblich, dass Taylor darauf verzichtete, auf Biegen und Brechen mehr Handlungsraum für männliche Figuren einzubauen. Die Dominanz weiblicher Rollen ist in «The Help» völlig selbstverständlich und somit ein größerer emanzipatorischer Schritt, als viele Agenda geladene Einträge ins „Frauenkino“.

Mit seinem niemals unangebrachten Witz und sensationellen Leistungen des großen Frauen-Ensembles ist «The Help» ein wunderbares Bürgerrechtsdrama, das auf kleiner Ebene von großen Dingen erzählt. Bei aller Tragik bleibt «The Help» auch ein letztlich optimistisch stimmendes Stück Geschichtskino, das seine Botschaft unprätentiös vermittelt und somit daran erinnert, dass man sich anspruchsvollen Themen publikumstauglich nähern kann.

«The Help» ist ab dem 8. Dezember 2011 in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen.

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