Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Beleidigungen als Konzept

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 166: Karl Dalls Skandal-Talk, von dem es insgesamt vier Versionen gab.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer der Comedy-Legenden der 90er Jahre.

Die «Karl Dall-Show» wurde am 02. Juli 1999 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als zwischen Komiker Karl Dall und dem Sender eigentlich kein allzu großes Vertrauensverhältnis mehr zu bestehen schien. Als Ursache gab es dafür mehrere Gründe: Von 1985 bis 1991 galt Dall noch als Quotengarant und als ein entscheidender Faktor für den wachsenden Erfolg des Kanals. In seiner Talkshow «Dall-As» sprach er mit mehr oder weniger bekannten Prominenten und provozierte sie dabei fortwährend. Das sorgte nicht nur für hohe Quoten, sondern auch regelmäßige Schlagzeilen – u.a. verließ Schlagersänger Roland Kaiser erzürnt die Sendung als Dall seinen Auftritt mit den Worten „Na sing schon, damit wir es hinter uns haben“ ankündigte. Die permanenten Beleidigungen des Ostfriesen mit dem markanten hängenden Auge waren derart populär, dass Konkurrent Sat.1 den Komiker samt seines Konzepts für damals rekordverdächtige 10 Millionen D-Mark abwarb. Unter dem Titel «Jux & Dallerei» setzte er dann seine Show ab 04. Januar 1992 unverändert fort. Nicht einmal der Sendeplatz am späten Samstagabend hatte sich verändert. Darüber war RTL verständlicherweise wenig erfreut und ging juristisch gegen das Plagiat vor. Zwar gelang es dem Sender, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, musste sich aber dann doch geschlagen geben. So setzte Dall seine unverschämten Plaudereien weitere zwei Jahre fort, bevor Sat.1 seinen Vertrag trotz einer regelmäßigen Sehbeteiligung von rund drei Millionen Menschen mangels Erfolg nicht verlängerte.

Nach dem Ende der Produktion und einer Pause von rund zwei Jahren, wagte dann ausgerechnet RTL unter dem Titel «Karls Kneipe» einen Reaktivierungsversuch des Konzepts. Wieder sollte Dall in seiner frechen Art mit prominenten Persönlichkeiten reden. Anders als seine vorherigen Talkformate, die in verschiedenen Hotels produziert wurden, lud er seine Gäste nun in eine urige Kneipe ein. Im Sommerloch des Jahres 1997 lockte er damit am Freitagabend um 23.15 Uhr immerhin einen Marktanteil von 17,5 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe an. Dennoch stellte RTL das Format nach sechs Ausgaben wegen des zu hohen Durchschnittsalters des Publikums ein. Fast zeitgleich flog Dall auch aus der Stammbesetzung der erfolgreichen RTL-Comedy «7 Tage, 7 Köpfe» nach angeblichen Differenzen mit Produzent Rudi Carrell heraus. Die Beziehungen zwischen Dall und dem Sender schienen damit endgültig beendet gewesen zu sein.

Umso überraschender war dann die Ankündigung des Kanals, mit dem Komiker das bewährte «Dall-As»-Konzept ein weiteres Mal wiederbeleben zu wollen – und das ausgerechnet unter dem Titel «Karl Dall-Show». Als nämlich die von RTL erwirkte einstweilige Verfügung galt, ließ Sat.1 die Sendung unter jenem Titel laufen. Inhaltlich schloss die nunmehr vierte Version nahtlos an ihre Vorgänger an. Nur an einigen Stellschrauben wurde gedreht, um dem Format einen jugendlicheren Anstrich zu verleihen. Aufgezeichnet wurden die Gespräche nun nicht mehr in Hotels oder Kneipen, sondern in einer bunten Studiokulisse. Zusätzlich erhielt der Moderator ein paar junge Assistentinnen sowie eine weibliche Showband und trat fortan statt in seinen legendären Lederwesten nur noch in Desginer-Anzügen auf. Um dem Untertitel «Comedy-Talk» gerecht zu werden, wurden zudem nur noch Prominente eingeladen, denen eine grundsätzliche Witzigkeit zugesprochen wurde. Im Vorfeld beschrieb Dall in einem Interview die Auswahl seiner Gesprächspartner wie folgt: „Ich habe eine Liste von mehr als 300 Leuten, die ich in A- und B-Prominenz aufgeteilt habe. Ein Drittel hat mir RTL wieder rausgestrichen und dafür ein paar aus ihrem Laden reingeschrieben.“ Schließlich nahmen Tom Gerhardt, April Hailer, Rüdiger Hoffmann, Stefan Raab, Anke Engelke, Lilo Wanders, Bastian Pastewka, Ottfried Fischer, Verona Feldbusch, Helge Schneider, Jenny Elvers, Lilo Wanders und Niels Ruf am Tresen Platz.

Dass der Komiker noch immer seine alte Form erreichen konnte, machte er schon im Vorfeld in mehreren Interviews deutlich. So versprach er beispielsweise gegenüber dem SPIEGEL: „Wenn einer anfängt zu missionieren, kriegt er eins auf die Schnauze. Ich passe schon auf, dass kein ernsthaftes Gespräch zustande kommt.“ Das schien zu wirken, denn entgegen aller Erwartungen war das erneute Comeback tatsächlich erfolgreich. Das war auch insofern überraschend, weil die neue Dall-Show am Freitagabend um 23.15 Uhr auf dem selben Sendeplatz startete, wo exakt zwei Jahre zuvor «Karls Kneipe» scheiterte und nun auch noch gegen die bereits etablierte «Harald Schmidt Show» antreten musste. Nach den zehn Ausgaben der ersten Staffel, gab RTL daher eine Fortsetzung in Auftrag, für die Dall dann sogar seinen alten Sendeplatz am späten Samstagabend und eine Laufzeitverlängerung um 15 Minuten erhielt. Doch dort funktionierte das Programm auch angesichts der großen Konkurrenz mit der «Wochenshow» nicht mehr so gut, sodass die zweite Runde auch die letzte bleiben sollte. Dall selbst sagte einmal: "Wenn ich auf 13 Prozent Marktanteil sinke, sehe ich am Horizont meinen Abschied heraufziehen. Sendungen, die keiner sieht, sollten auch nicht produziert werden."

Die «Karl Dall-Show» wurde am 05. Februar 2000 beerdigt und erreichte ein Alter von 26 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Karl Dall, der dann tatsächlich mehr und mehr aus dem Fernsehen verschwand. Die Moderation der Ratesendung «Weißt Du noch? Das Retro-Quiz» für kabel eins sollte im Jahr 2003 sein letztes eigenes Format werden. Hin und wieder tauchte er danach als Gast in diversen Sendungen auf. Zuletzt machte er auch als Autor seiner Biografie „Auge zu und durch“ auf sich aufmerksam.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der Best-Of-Sendung von «Wetten, dass..?».

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