Sonntagsfragen

Sandra Thier: 'Abends habe ich oft geweint'

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Nach ihrer Reportage über Kindersoldaten im Kongo kommt nun ein Film über Säureopfer in Bangladesch. Außerdem spricht die «RTL II News»-Frau über ein neues RTL II-Magazin, das am Dienstag erstmals gezeigt wird.

Frau Thier, Sie werden im September ein neues RTL II-Magazin am Dienstagabend moderieren – zunächst sind zwei Folgen geplant. Das Magazin soll die Lücke zwischen den Unterhaltungsprogrammen und Infosendungen von RTL II schließen. Was erwartet die Zuschauer?
Wir werden relevante Themen ausführlich aufarbeiten. Vorkommen werden unter anderem dem Zuschauer bekannte RTL II-Gesichter. Das können Kandidatinnen aus «Extrem schön» sein, die mehrere Operationen überstanden haben, um endlich schön zu sein. Wir besuchen diese nach ein paar Monaten wieder und wollen erfahren: Was hat sich verändert? Haben diese Menschen nun neue Freunde? Fühlen sie sich besser als vorher? Gleiches gilt für Familien aus «Zuhause im Glück». Wie erging es ihnen, nachdem unsere Kameras weg waren? Dann wird es Teaser geben, zum Beispiel für unsere neue Reportage zum Thema „Säureopfer“, das Frauen in Bangladesh portraitiert, die Opfer von Säureangriffen wurden. Außerdem werden wir auch mit der ein oder anderen Geschichte überraschen.

Sie werden unter anderem eine Geschichte machen, die an den Abhörskandal angelehnt ist und beispielsweise nachfragen, welche Daten wir alle via Handy freigeben. Das ist überhaupt ein Thema, das für den RTL II-Zuschauer interessant ist?
Auf jeden Fall. In der öffentlichen Wahrnehmung werden RTL II manchmal Dinge unterstellt, die schlicht nicht stimmen. Nimmt man die reinen Fakten, muss man feststellen, dass RTL II sehr viele Dokumentationen und Informationen in seinem Programm ausstrahlt, in jedem Fall mehr als manch andere – über die ganzen Hintergrundgeschichten, die es im Programm gibt, wird nur nicht so viel gesprochen.

Muss man Themen in einem modernen Magazin, wie Sie es nennen, heute anders aufbereiten als noch vor fünf Jahren?
Für uns ist es entscheidend, unsere Themen journalistisch sauber aufzubereiten. Aber natürlich: Wenn wir eine Kandidatin von «Zuhause im Glück» besuchen und diese dann immer noch glücklich in ihrem neuen Zuhause ist, dann wird es auch bei uns emotional. Die richtige Mischung aus sachlichen und emotionalen Themen führen zum Erfolg.

Die Quoten Ihrer «RTL II News» stiegen zuletzt wieder. Führen Sie das hauptsächlich auf das stärkere Vorprogramm zurück, oder hat das auch inhaltliche Gründe?
Wir haben an der Sendung vom Konzept her nichts geändert. Aber vergessen Sie nicht die Newslage der letzten Monate: Das Massaker in Norwegen, Fukushima – die Menschen hatten ein hohes Informationsbedürfnis.

Am 18. September läuft um 23.15 Uhr eine neue Reportage von Ihnen rund um Säureopfer – bereits im vergangenen Herbst berichteten Sie bei RTL II ausführlich über Kindersoldaten im Kongo. Wie entstand nun die Idee zu einem Film über Säureopfer?
Als Unicef-Patin arbeite ich sehr eng mit der Organisation zusammen – ich bin RTL II sehr dankbar dafür, dass ich damals schon die Gelegenheit hatte, die Reportage über die Kindersoldaten im Kongo zu machen. Das ist ein sehr ungewöhnliches Format für RTL II gewesen. Es sind sehr harte Themen, die wir da zeigen. Mir ist es wichtig, dass wir den Betroffenen mit Würde und Respekt entgegentreten und ich glaube, das ist uns gelungen. Ich bin sehr gespannt, wie die Reaktionen und auch das Zuschauerinteresse der nächsten Folge ausfallen werden. Das Thema „Säureopfer“ ist in den Medien schließlich durchaus präsent, ich erinnere nur an den Fall einer Iranerin, die von einem Mann mit Säure übergossen wurde und dann durch ein Gerichtsurteil zugesprochen bekam, ihrem Peiniger das gleiche zuzufügen und ihn zu blenden. Sie hat das dann letztlich nicht getan. Auch in England gab es einen solchen Säureangriff. Schockierend ist, dass auch Kinder Opfer dieser Attacken werden, auch in Indien, Afghanistan, im Iran. In Bangladesch, wo wir die Doku gedreht haben, ist die Anzahl der Fälle recht hoch, ging jüngst aber zurück. Ich finde es beeindruckend, dass diese Frauen ihre Geschichte sehr gerne erzählen – die Welt soll davon erfahren. Sie möchten mit dieser Geschichte bewusst etwas verändern.



Sie haben ja mit einigen Frauen gesprochen – wollen aber auch aufzeigen, wie diese den Weg zurück ins Leben fanden. Also nicht nur ein hartes Thema, sondern auch ein halbwegs versöhnliches Ende?
Ja, wir wollen auch das Positive zeigen. Die Frauen weinen nicht, wenn sie über das Erlebte sprechen. Und man muss sich das verdeutlichen: Das sind höllische Schmerzen, mir sagte jemand, Verbrennungen seien nichts dagegen. Zudem ist die medizinische Versorgung dort eine andere. Die Opfer liegen stundenlang im Krankenhaus, bekommen vielleicht eine Spritze und viele der Ärzte wissen zunächst nicht, wie sie diese Verletzungen richtig behandeln müssen. Mir geht es darum, dass wir in der Reportage aufzeigen, wie diese Frauen und Mädchen um ein Leben in Würde kämpfen. Auch hier in Deutschland gibt es Gewalt – oftmals sogar in der eigenen Familie – und deshalb habe ich mit diesen Frauen, die nicht selten von ihren eigenen Männern verätzt wurden, darüber gesprochen, wie sie künftig mit dem Thema Liebe umgehen wollen. Ich habe ein 18-jähriges Mädchen gefragt und das hat mich schon sehr beeindruckt. Sie sagte mir, sie glaube noch an die Liebe. Aber ihr künftiger Mann müsse sie so akzeptieren, wie sie nun ist. Für sie zählten nun die inneren Werte, sie wolle künftig genauer hinschauen.

Da kann man sich eine Scheibe abschneiden. Wie verarbeiten Sie eigentlich die Erlebnisse?
Die Dreharbeiten im Kongo waren ja das erste Erlebnis dieser Art für mich. Das hat mich schon geprägt. Abends habe ich oft geweint. Ich fand diese Gewalt unglaublich schrecklich: Kindersoldaten, die unter Drogen gesetzt werden, damit sie töten. In Bangladesch habe ich Kinder kennengelernt, die im Säuglingsalter verätzt wurden. Ihnen wurde Säure in die Speiseröhre eingeflößt. Das macht mich fassungslos, diese Babys können sich nicht wehren und sind schutzlos. Ich teile solche Erfahrungen mit meinen Freunden, mit meiner Familie. Die Probleme hier in Deutschland werden angesichts dieser Bilder viel kleiner. Für mich waren solche Erfahrungen eine positive Bereicherung. Wir haben hierzulande einen sehr hohen Standard – natürlich gibt es auch hier Menschen, die ums Überleben kämpfen, ohne Frage – aber wir stehen nicht vor dem Problem, dass wir rein gar nichts zu essen haben.

Ihre Kongo-Reportage holte 4,1 Prozent bei allen und 6,3 Prozent bei Jungen – lief also auch beim Gesamtpublikum sehr stark. Ist das ein Zeichen dafür, dass Sie damit auch ältere Zuschauer, die RTL II nicht so sehr auf dem Zettel haben, erreicht haben?
Das kann durchaus sein. Die Reportage lief zu einem Zeitpunkt, zu dem auch in Sat.1, beim ZDF und im Ersten Reportagen liefen. Unser Format wurde da also durchaus wahrgenommen. Wenn wir damit Menschen erreicht haben, die RTL II sonst seltener sehen, ist es umso schöner.

Und die nächste Reportage steht schon in den Startlöchern?
Es geht nach Burkina-Faso, wo teilweise 5-Jährige in einer Goldmine schuften, um ihre Familie zu versorgen. Das werden wieder sehr aufwendige Dreharbeiten, wir werden für eine Woche dort sein. Hoffentlich ist auch Steven Pan wieder dabei, dessen Fotos hier auch zu sehen sind. Das sind keine normalen Fotos, wie man vielleicht bemerkt. Steven ist Fotograf aus New York und fotografiert sonst Topmodels – er ist ein Upcoming Star und es freut mich umso mehr, dass wir ihn in Bangladesch schon zum zweiten Mal dabei hatten. Das ist nicht selbstverständlich.

Vielen Dank für das Interview, Frau Thier.

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