Die Kino-Kritiker

«Scream 4»

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Am Donnerstag startet die Fortsetzung der Horrorfilmreihe - nach zehn Jahren kehrt Sidney darin nach Woodsboro zurück.

Die Regeln eines Horrorfilms sind definierbar. Vom charakterzentrierten psychologischen Horror, welcher ungern Blut verwendet und selten bis gar nicht zeigt, wie die Charaktere ihr unfreiwilliges Ableben zelebrieren; über den Killerthriller, in dem ein oder mehrere Mörder in einer Kleinstadt Jagd auf Unschuldige machen; bis hin zum Folterslasher, dessen Auferstehung innerhalb der vergangenen Jahre eine Reihe von unzähligen Filmen und regelmäßig schlechten Kritiken mit sich brachte. Die Regeln eines Horrorfilms haben sich mit der Zeit allerdings geändert, und die «Scream»-Saga ist nicht ganz unschuldig daran. Verantwortlich für die Regeneration des Genres in 1996 macht das Franchise auch heute noch die Zuschauer unsicher, wenn es um die Definition von Horrorfilmen geht.

Geschrieben von Kevin Williamson - welcher in den 90er Jahren im Fernsehen mit «Dawson's Creek» nicht nur die Teenieserien revolutionierte, sondern heutzutage mit «The Vampire Diaries» auch zeigt, wie eine Serienmythologie aufgebaut und gebraucht wird - und mit Horrorikone Wes Craven hinter der Kamera zeigt «Scream 4» mehr als deutlich, was die beiden vom Genre der heutigen Zeit halten: Hollywood kann einfach nicht aufhören, wieder und wieder den selben Kram zu recyclen; es fehlt das Element der Überraschung; die Filme sind allgemein vorhersehbar. Einen kompletten Horrorfilm kann man daher zehn Kilometer gegen den Wind riechen. «Scream 4» benötigt nur fünf Minuten, um eben genau diesen Anstand zu parodieren, inmitten einer Eröffnungssequenz, die Seinesgleichen sucht. Wenn ein Horrorfilm aus der Killerthriller-Ecke schon am Anfang nicht nur sein Genre, sondern auch noch Hollywood und seine Kinogänger anprangert, ganz nebenbei sich selbst zitiert, und dann auch noch «Scream»-gerecht eine Menge Blut zeigt, um die erneute Killerjagd in Woodsboro zu starten, dann wird dem Publikum klar, dass «Scream 4» kein wirklich normaler Horrorfilm ist.

Sidney Prescott (Neve Campbell) kehrt nach zehn Jahren in ihre Heimatstadt Woodsboro zurück, um ihr autobiografisches Buch zu promoten. Wie sich schnell herausstellt, wird ihre Rückkehr besonders vom Ghostfacekiller mit Applaus angenommen, als eine neue Mordserie startet. Sidney steht wieder einmal inmitten der Bedrohung, sowie inmitten der neuen Generation von Highschoolstudenten, denen die Vergangenheit ihrer Kleinstadt egal ist und stattdessen die multiplen Mordserien aus dem letzten Jahrtausend jährlich mit einem Filmfest feiern. «Scream 4» ist ähnlich aufgebaut wie das Original, was dem Franchise äußerst gut tut: «Scream» war durch seine formelhaften Gepflogenheiten des Slashergenres mehr eine Parodie als ein ernstzunehmender Horrorfilm – ein Element, welches in den Teilen zwei und drei fehlte, und dankenswerterweise im Neuaufguss wieder erhalten ist. In diesem Sinne geht «Scream 4» zurück, wo die Horrorserie angefangen hat: High School, Studenten in Beziehungen untereinander, die das Weg des Messers kreuzen und unweigerlich in einer Blutlache enden, sowie die übliche familiäre Verbindung der Morde zu Sidney; eine Heldin, welche die ersten drei Teile überlebt hat und deshalb als Star gefeiert wird, aber nach den neuen Regeln des Genres ein genauso verzichtbarer Charakter ist wie jeder andere. Das Horrorpublikum will Blut, das Genre macht deshalb keinen Halt vor stereotypen Regeln.

Hier liegt allerdings das große Problem von «Scream 4»: Die undefinierbaren, weil parodierten Regeln des Franchises, werden definierbar, und die falschen Fährten, allesamt gelegt mit den neuen Charakteren aus der neuen Generation, sind plötzlich vorhersehbar geworden. Williamson macht genau den Fehler, den er zu parodieren weiß, was letzten Endes an der Spannung nagt und den Film zu einer Comedyshow verwandelt, welche rein gar nichts mit dem Horrorfranchise zu tun hat. Zusammen mit der Frage, ob Hollywood die durch «Scary Movie» geborene Parodie auf Horrorslasher überhaupt noch braucht, ist «Scream 4» nichts weiter als ein wortwörtliches 2.0-Update seines Originals. Allerdings bleiben Williamson und Regisseur Craven ihrem Motto „Was funktioniert, wird behalten“ treu – was genau der Grund ist, warum «Scream 4» aussieht, als würde es als «Scream» in diesem Jahr das Horrorgenre wiederbeleben, hätte die Serie es nicht schon vor 15 Jahren getan.

Zusätzlich ist das Drehbuch eher durcheinander geraten. Es gibt zu viele Personen und Ablenkungsmanöver, die den Film ausmachen, aber keinen Platz für die Entwicklung der Charaktere schafft. Hayden Panetierre («Heroes») dürfte noch den größten Eindruck hinterlassen haben, allerdings nur, da sie die Rolle des Horrorfilmbuffs übernommen hat und die «Scream»-Fans sich mit ihr am Einfachsten identifizieren können. Der Rest der neuen Generation bleibt dagegen blass, ganz besonders Emma Roberts, deren Charakter Jill so gut wie keinen persönlichen Moment bekommt, obwohl sie als Sidneys Nichte ebenfalls inmitten der vielen Zielscheiben von Ghostface geraten ist. Überhaupt misst das Drehbuch einiges an emotionalen Momenten. Man könnte als Fan der Serie kaum glauben, dass Sidney immer noch kein Trauma von den Mordserien hat, oder warum sie sich so gut wie gar nicht um das Schicksal der jungen Generation kümmert, vergleichsweise wie sich die junge Generation nicht um die Morde schert und diese stattdessen als einen neuen Grund für eine nächtliche Party sieht.

«Scream 4» ist definitiv kein schlechter Film. Er wird die Fans der Serie begeistern und das jüngere Publikum, abgehärtet durch «Saw» und «Hostel» kalt lassen. Allerdings ist er recht ausdruckslos und funktioniert nicht als Revival für den normalen Slasherfilm, in welchem ein ganz normaler Killer auf ganz normale Art und Weise (per Telefon, per Messer und zu Fuß) seine ganz normalen Opfer aus einem ganz normalen Motiv tötet. Am Ende funktioniert «Scream 4» noch nicht mal als Start einer neuen Trilogie, wie es von Williamson und Craven beabsichtigt wurde, stattdessen nur als fehlender Teil in einem Puzzle, welches nach «Scream 3» unvollständig zurückgelassen wurde. Schuld sind dabei die Verantwortlichen selbst: Das überlange Ende erinnerte an Filme, die einfach nicht den Schlusspunkt setzen wollten, und mit neuen Twists die Story hin- und herdrehten («A.I. - Künstliche Intelligenz» ist das Paradebeispiel), nur um die Laufzeit zu verlängern. Zur Verteidigung des Films ist allerdings zu sagen, dass er kurzweilig genug ist, um über die Fehler während des Kinobesuches hinwegzusehen.

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